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05.03.11 / »Kalter Frieden« in Gefahr / Nach den Unruhen in Nahost zeigt das zerbrechliche Nebeneinander immer mehr Risse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

»Kalter Frieden« in Gefahr
Nach den Unruhen in Nahost zeigt das zerbrechliche Nebeneinander immer mehr Risse

Israel sieht nicht ohne Grund seine Existenz durch die aktuellen Entwicklungen bedroht. Während Ankara schon 2010 die langjährige Partnerschaft aufkündigte, kommen auch aus Kairo und Riad Alarmsignale.

Bei der israelischen Militärführung schrillten am Dienstag letzter Woche die Alarmglocken. Zum ersten Mal seit 30 Jahren durften zwei iranische Schiffe, die Fregatte „Alwand“ und der Versorger „Charg“, den Suez-Kanal passieren. Bisher hatte die ägyptische Regierung unter Präsident Hosni Mubarak iranischen Schiffen stets die Durchfahrt verweigert. Die ägyptische Militär-Übergangsregierung handelt nun offenkundig anders. Der stellvertretende israelische Ministerpräsident Silvan Schalom sprach von einer „Provokation“. Der Iran wolle den Regierungen der arabischen Welt zeigen, wer „der neue Herrscher im Nahen Osten“ sei.

Mit diesen Worten versucht die israelische Politik, die vorhandenen Rivalitäten in der arabischen Welt zu schüren. Bisher galt Ägypten mit seinen 84 Millionen Einwohnern als stärkste Militärmacht der arabischen Welt. Das von den US-Amerikanern hoch gerüstete Saudi-Arabien mit seiner intoleranten Version des wahabitischen Islam besitzt dagegen als Hüter der heiligen Stätten in Mekka und Medina traditionell eine gewichtige Rolle. Die mehrheitlich sunnitischen Araber und der schiitische Iran kämpfen seit Jahrhunderten um die Vorherrschaft in der islamischen Welt.

Kleinere Golfstaaten hatten sich in der Vergangenheit – aus Angst vor Angriffen aus dem benachbarten Iran – in Geheimbündnissen sogar mit Israel verständigt. Dies wurde in letzter Zeit aus den Wikileaks-Enthüllungen der amerikanischen Diplomatenpost bekannt. Arabische Staaten sollen Israel nahezu dazu gedrängt haben, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren, ehe es zu spät sei und das Mullah-Regime eine einsatzfähige Atombombe besitze.

Was die konservative Regierung Israels tun wird, wagt derzeit keiner vorherzusagen. Fest steht, dass die bisherige Sicherheits-Architektur in Auflösung begriffen ist. Das erhöht zweifellos die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen. Israel kann sich nicht mehr wie bisher auf eine Machtbalance verlassen, die sich auf Friedensverträge mit Jordanien und Ägypten stützt, denn der „Kalte Friede“ wird zunehmend unsicherer. Die Gefahren für den jüdischen Staat aus dem Gaza-Streifen, Libanon oder Syrien wirken nun unkontrollierbarer. In Israel wird dies sorgenvoll registriert, was sich bereits seit Monaten zeigt: Israelische Touristen, die derzeit Deutschland besuchen, berichten aus erster Hand von verstärkten Zivilschutzübungen für die Bevölkerung.

Unzweifelhaft gewinnt der Iran – angesichts des Wankens des sicherheitspolitischen Trios aus Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien – zunehmend an Einfluss in der islamischen Welt. Die Vernichtung des jüdischen Staates könnte als gemeinsames Ziel die islamische Welt vereinigen. Wie die Passage der iranischen Schiffe durch den Suez-Kanal bereits zeigt, will sich die ägyptische Militärführung nicht als enger Freund der Regierung in Jerusalem zeigen. Bisher werden die Friedensverträge zwar noch ga-rantiert, doch niemand weiß, wie lange noch. In Jordanien muss der bedrängte Haschemiten-Monarch Abdullah II. aufpassen, dass er sein Volk, das bereits in Massen demonstriert, nicht durch zu große Israel-Freundlichkeit reizt. Der saudische Monarch ist in einer ähnlichen Lage und hat gerade hastig zehn Milliarden Dollar für neue Sozialprogramme ausgelobt, um seine Bevölkerung zu besänftigen.

Im Golfstaat Bahrain, wo jüngst das erste Formel-1-Rennen der Saison wegen politischer Unruhen abgesagt werden musste, sind 70 Prozent der Bevölkerung Schiiten und stehen damit dem Iran nahe. Der Staat gilt als Einfallstor für eine iranische Expansion auf der arabischen Halbinsel. Auch die kleinen Staaten Katar und Oman sollen sich inzwischen dem Iran zuneigen.

Nun kommt ein möglicher Angriff von der Seeseite hinzu. Die beiden iranischen Schiffe wollen zu einem nicht näher bezeichneten Manöver mit der syrischen Marine zusammentreffen. Gleichzeitig gab die militante türkische „Hilfsorganisation“ IHH bekannt, sie wolle im Mai und Juni zwei Konvois von zusammen etwa 25 Schiffen nach Gaza schicken. Der erste Konvoi soll demzufolge am 31. Mai, dem Jahrestag der Erstürmung des IHH-Flagschiffs „Mavi Marmara“ durch israelische Kommandos, vor Gaza eintreffen.

Wieweit dieser geplante Konvoi tatsächlich stattfinden oder doch vom Nato-Mitglied Türkei verhindert wird, ist derzeit unklar. Die IHH ist ein Ableger der islamistischen Fundamentalisten-Bewegung „Milli Görüs“, die auch in Deutschland in vielen Hinterhofmoscheen vertreten ist und vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Der Führer von Milli Görus, Necmettin Erbakan, will Anfang Juni bei den türkischen Parlamentswahlen gegen Ministerpräsident Erdogan antreten. Daher wird erwartet, dass Letzterer kein Interesse daran haben wird, seinem Wahlgegner so kurz vor der Wahl einem publizistischen Erfolg zu gönnen.

Worum es der IHH-Flotte in Wirklichkeit geht, wurde am 15. Februar deutlich, als IHH-Vertreter vom iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad empfangen wurden. Mit dem „Blut der Märtyrer der ,Mavi Marmara‘“ wolle man „Jerusalem befreien“ und „einen Nahen Osten ohne Israel und Amerika“ schaffen, sagte der iranische Führer. Wann die USA als Schutzmacht Israels sich nun zum Handeln gezwungen sehen, dürfte sich in den nächsten Monaten zeigen. Dass demnächst amerikanische Flugzeugträger vor der israelischen Küste aufkreuzen, gilt bei militärischen Beobachtern bereits als wahrscheinlich.        Hinrich E. Bues


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