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05.03.11 / Rückzug nach über 3000 Jahren / Die letzten Juden verlassen den Jemen – Christen sind schon lange fort

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Rückzug nach über 3000 Jahren
Die letzten Juden verlassen den Jemen – Christen sind schon lange fort

Die letzten 300 jemenitischen Juden werden den von so vielen ersehnten Aufbruch der arabischen Welt in eine Ära der Demokratie und der Freiheit in ihrer jahrhundertealten Heimat nicht mehr erleben, weil in der unsicheren Übergangszeit zu dieser Ära ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Eine der ältesten Kulturen der Weltgeschichte erlischt, denn die letzten Juden verlassen dieser Tage das Land. Dabei gab es im Jemen einst die wohl älteste jüdische Gemeinde der Welt, außerhalb des Heiligen Landes. Sie soll Legenden zufolge bereits seit den Zeiten König Salomons existieren. Jemenitische Juden haben als einzige jüdische Gemeinde das Hebräische bis in die Gegenwart als gesprochene Sprache bewahrt. Jemens Juden gelten auch als die ältesten Einwohner des Landes – sie lebten schon dort, als es weder das Christentum noch den Islam als Religion gab. Im Jemen schufen die Juden sich etwas, was es außerhalb des Heiligen Landes sonst nirgendwo gab: einen jüdischen Staat.

Im 2. Jahrhundert vor Christus eroberten die Juden vom Himjar aus, im Bergland von Jemen, das Königreich Saba und erlangten die Vormacht in der Region. Sie waren die Gründer der heutigen Hauptstadt Sanaa. Der erste himjaritische Herrscher Karibìl Watar gründete auch die Jemenitische Kolonie in Äthiopien, welche damals zum bekannten „Königreich von Aksum“ gehörte. 525 n. Chr. besetzten christliche Aksumiten den Jemen, bis zur Eroberung durch die Muslime 100 Jahre später war der Jemen jetzt Teil eines christlichen Königreichs. Während die Christen jedoch den Jemen bereits bei der Entstehung des Islam verließen und in Äthiopien eine neue Heimat fanden, in der sie sogar einigen bedrängten Anhängern Mohammeds eine sichere Zuflucht gewährten, zogen es die jemenitischen Juden, die Ureinwohner des Landes, vor, im Lande auch unter dem Islam zu bleiben.

Während der islamischen Zeit veränderte sich die soziale und die rechtliche Stellung der Juden. Sie wurden zunehmend zurückgedrängt. Als Anhänger einer Buchreligion hatten Juden unter dem Islam – der Jemen ist je zur Hälfte schiitisch und sunnitisch geprägt – immerhin als Dhimmis einen gewissen Schutzstatus. Seit dem Vordringen der wahhabitischen Sekte in der arabischen Halbinsel im 19. Jahrhundert und vor allem seit der Entstehung des Zionismus, der Rückkehr der Juden nach Palästina, im 20. Jahrhundert, wurde die Lage der jemenitischen Juden zusehends schwieriger. Schon 1947, ein Jahr vor der Gründung des Staates Israel, kam es zu einem Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Jemen. Daraufhin organisierte Israel die Operation „Magischer Teppich“ und brachte 1949/1950 den Großteil der Juden Jemens nach Israel (zirka 50000).

Eine kleine jüdische Gemeinde von ein paar hundert Menschen blieb aber, vor allem in Raida im Norden des Landes, wo sie unter der dortigen schiitischen Bevölkerung eine liberal eingestellte arabische Bevölkerungsgruppe fanden, bis zum Aufstand der schiitischen Huthisten 2007 und dem Mord an dem jüdischen Gemeindeleiter Moshe Yaish Nahari, der von einem Islamisten des Al-Kaida-Netzwerkes erschossen worden war, nachdem er sich geweigert hatte, zum Islam überzutreten. Nach dem Mord erhielt die ganze jüdische Gemeinde von Raida Morddrohungen, ihre Häuser wurden in Brand gesetzt und sie wurden nicht mehr in die Märkte hineingelassen. Die Stadt Raida in der Provinz Amran ist die letzte jüdische Enklave im Jemen. Etwa 200 bis 500 Juden lebten bis vor kurzem dort, in der Siedlung Beth Harash im Osten der Stadt. In dem Ort gibt es eine Sy-nagoge, ein jüdisches Bad und eine Talmudschule.

Als der Mörder von Moshe Nahari 2009 zum Tode verurteilt wurde, kam es zu neuen Unruhen. Im Februar 2009 brachte die Jewish Agency eine erste Gruppe von Juden Jemens nach Israel. Auf US-Druck hin wurde das Viertel der letzten jüdischen Familien in Raida mit einer hohen Mauer umfasst, ein zweites jüdisches Ghetto wurde in Sanaa direkt neben der US-Botschaft errichtet, beide Gelände wurden sofort von der Leibgarde des Präsidenten Ali Abdullah Saleh bewacht. Allerdings war wegen des Huthisten-Aufstandes und der Al-Kaida-Aktivitäten die Armee des Jemen immer weniger in der Lage, die Juden zu schützen.

Als Anfang Februar aus dem Gelände von Raida ein acht Jahre alter jüdischer Junge entführt wurde, erhöhte sich der Druck auf die jüdische Gemeinde. Nach der Ankündigung des jemenitischen Präsidenten Saleh, infolge der Freiheitsdemonstrationen der arabischen Welt 2012 nicht wieder kandidieren zu wollen, fürchten die Juden nun um ihre eigene Sicherheit und wollen das Land nach 3000 Jahren verlassen.         Bodo Bost


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