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05.03.11 / Quälende Erinnerungen bleiben / Prominente aus Wissenschaft und Kunst erinnern sich an das Kriegsende 1945

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Quälende Erinnerungen bleiben
Prominente aus Wissenschaft und Kunst erinnern sich an das Kriegsende 1945

Ein 16-Jähriger wird Ende  1944 zum Kriegsdienst eingezogen und soll sich im April 1945 „freiwillig“ an die Front melden. Er sieht, wie noch jüngere Soldaten zurückgefahren werden, ohne Arme, ohne Beine, verstümmelt und dem Wahnsinn nahe. Eine junge Frau erlebt das Kriegsende in Danzig, wird bei der ersten Überrumpelung durch sowjetische Soldaten mehrere Stunden vergewaltigt; trotzdem zeigt sie, was ihr möglich gewesen wäre, ihre Peiniger nicht an.  Ein Hitlerjunge kommt bei der Flucht durch Berliner Kanäle kaum vorwärts, weil diese über und über mit Leichen verstopft sind. Ähnlich ergeht es einer jungen Frau, die im Februar 1945 das Inferno von Dresden erlebt.

Vor mehreren Jahren hatte der WDR  aus Anlass des Kriegsendes vor 60 Jahren eine Fernsehsendung mit dem Titel „Mein Kriegsende“ produziert (verantwortlicher Redakteur war der mehrfach  mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Felix Kuballa), bei der 23 Prominente aus Literatur, Wissenschaft und Kunst, alle in den 20er Jahren geboren, bei Kriegsende also meist erst zwischen 16 und 18 Jahre alt, über ihre Erinnerungen an das Ende des Krieges befragt wurden. Die damaligen Interviews sind in diesem gleichnamigen Buch komprimiert  und in Erzählform zusammengefasst worden.

Was bei Erlebnisberichten dieser Art wohl immer wieder berührt, ist die durchweg spürbare Grausamkeit des Regimes, noch in letzter Minute junge und jüngste Menschen regelrecht zu verheizen, sie bedenkenlos in den Tod zu schicken oder sie, wo sie flüchten mussten, zynisch ihrem Schicksal zu überlassen.  Es ist bezeichnend, wie genau sich die inzwischen weit über 80-jährigen Männer und Frauen an diese Zeit erinnern können. Die Schrecken jener Tage haben sich ganz offensichtlich tief eingegraben und sind ein Leben lang im Gedächtnis geblieben.

Das Buch fängt ein breites Spektrum an Erlebnissen ein. Da sind die Hitlerjungen, die zur Wehrmacht  eingezogen werden, KZ-Häftlinge, die wie durch ein Wunder überleben,  junge Frauen, die bis zum Ende an den Führer glauben, und da sind untergetauchte Flüchtlinge, die derart geschwächt sind, dass sie sich schon nicht mehr wehren können, wenn sie von Ratten angefressen werden.

Aber immer gibt es auch andere, tröstliche Erfahrungen: einsichtige Offiziere, die den Jungen helfen, Menschen, die Brot und Unterkunft anbieten; Fälle, wo man  – hier im Falle des späteren Dirigenten Kurt Masur  – die Musik im wahrsten Sinne des Wortes als lebensrettend erlebt.

Offensichtlich wurden die Fernsehinterviews erheblich komprimiert, so wirken manche Texte etwas sehr knapp, zumal wenn man von manchen Betroffenen  – etwa  von Joachim Fest – deren sehr viel ausführlichere Lebensberichte aus anderen Quellen kennt. Aber das tritt letztlich doch zurück angesichts der geschilderten Erlebnisse, auch angesichts der selbstkritischen Offenheit, mit der die Befragten über sich selbst berichten.       Dirk Klose

Dieter Hildebrandt, Felix Kuballa (Hrsg.): „Mein Kriegsende – Erinnerungen an die Stunde Null“ Propyläen Verlag, Berlin 2010; 224 Seiten, 19,95 Euro


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