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12.03.11 / ... und bald rollen die ersten Züge / Auch in der Schweiz geht die Bahn unter die Erde: Was »Zürich 14« von »Stuttgart 21« trennt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

... und bald rollen die ersten Züge
Auch in der Schweiz geht die Bahn unter die Erde: Was »Zürich 14« von »Stuttgart 21« trennt

Die einen demonstrieren, die anderen bauen – so einfach lässt sich der Unterschied zwischen Stuttgart und Zürich beschreiben. Zunächst aber zu dem, was sie verbindet. Beide haben im Zentrum einen gigantischen Kopfbahnhof, der längst an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit angekommen ist und in Spitzenzeiten den Bahnreiseverkehr nicht mehr aufnehmen kann. Beide planen seit langem, die Kapazitäten zu steigern und die Anbindung an das großflächige Eisenbahnnetz zu verbessern, also von Kopf- auf Durchgangsbahnhof umzustellen. Beide sehen die vernünftigste Lösung darin, zumindest zu Teilen in den Untergrund zu gehen.

Und beide haben eine Bevölkerung, die mitreden und mitentscheiden will, die sich nicht von oben herab etwas vorsetzen lassen will. Damit aber genug der Gemeinsamkeiten. Wer verstehen will, warum in der Schwabenmetropole so vieles rund um „Stuttgart 21“ schief läuft, sollte darauf achten, was die Schweizer Nachbarn mit ihrem „Zürich 14“ alles anders, nämlich besser machen.

Der entscheidende Unterschied: Das Volk der Schweizer ist seit eh und je daran gewöhnt, in wichtigen Fragen (und manchmal auch in unwichtigen) das letzte Wort zu haben. Die direkte Demokratie funktioniert, man kennt die Spielregeln und hält sich daran.

So auch beim Großprojekt Hauptbahnhof Zürich, in der Schweiz eher bekannt unter den Stichworten „Bahnhof Löwenstraße“ und „Durchmesserlinie“. Die ersten Planungsschritte erfolgten noch Ende des vorigen Jahrhunderts, also wenig später als in Stuttgart. Als erstes wurde ein einigermaßen konkreter Kostenrahmen entwickelt, was angesichts des benachbarten Großbankenviertels rund um die Bahnhofstrasse nicht ganz überrascht.

Bald stand fest: Die Erweiterung des Kopfbahnhofs um eine unterirdische Durchfahrtstrecke würde um die zwei Milliarden Franken (1,5 Milliarden Euro) kosten, aufgeteilt zu je einem Drittel auf Bund, Bahn und Kanton. Über solche Summen aber können in Felix Helvetia Parlamente und Regierungen nicht eigenmächtig entscheiden, und so wurde im Jahre 2001 dem Stimmvolk des Kantons Zürich das Bahnhofsprojekt zur Abstimmung vorgelegt. Das erstaunliche – und aus Stuttgarter Sicht heute völlig unerklärliche – Ergebnis: über 80 Prozent Zustimmung.

Das ist selbst für Schweizer Verhältnisse viel, wenngleich der Ausbau des öffentlichen Verkehrs (Beispiel Gott-hardtunnel) traditionell Mehrheiten um die 70 Prozent findet.

Doch ruhten die Schweizer Bundesbahn und die beteiligten Behörden sich nicht auf den 80-Prozent-Lorbeeren aus. Sie taten und tun bis heute alles, um die Bevölkerung auf dem Laufenden zu halten: Wie ist der Planungs- beziehungsweise Baufortschritt, wo treten Probleme auf, wie werden sie gelöst, wie entwickeln sich die Kosten, wird der Zeitplan eingehalten?

So sind die Zürcher stets bestens informiert, obwohl sie in den ersten Jahren seit dem Baubeginn im September 2007 oberirdisch kaum mitbekamen, was sich da im Untergrund tat. Erst jetzt merken auch Reisende, die beispielsweise mit dem Railjet, Österreichs neuem Paradezug auf der Strecke Wien–Zürich, eintreffen, dass sie sich direkt über einer Großbaustelle befinden. Und wer es genauer wissen will, kann per Fahrstuhl direkt an den Tatort 16 Meter unter der altehrwürdigen Bahnhofshalle herabschweben; eine gut inszenierte Ausstellung lässt keine Info-Wünsche offen.

Anders als die Stuttgarter wollen die Zürcher nicht den ganzen alten Bahnhof unter der Erde verschwinden lassen. Sie unterfüttern ihn mit einem viergleisigen neuen Bahnhof, der den Durchgangsverkehr auf der Nord-Süd-Achse in Richtung Bern/Genf, Südfrankreich und Italien aufnehmen und durch den fast fünf Kilometer langen Weinbergtunnel unter der Stadt ableiten soll. Ein Projekt, das überzeugt, jedenfalls gibt es keinerlei Proteste. Das Volk war eben von Anfang an eingebunden, immer gut informiert – und daran gewöhnt, demokratische Entscheidungen zu respektieren. Fertiggestellt werden soll der neue erweiterte Bahnhof bereits 2014 – in Stuttgart wird dann vielleicht immer noch demonstriert.       Hans-Jürgen Mahlitz


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