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12.03.11 / Grüne gegen Fremde / Berliner Linksalternative mobilisieren gegen Touristen: Kreuzberg will seine »Ruhe«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Grüne gegen Fremde
Berliner Linksalternative mobilisieren gegen Touristen: Kreuzberg will seine »Ruhe«

Die Industrie spielt in der Berliner Wirtschaft kaum noch eine Rolle. Dafür umso mehr der Fremdenverkehr. Doch nun entwickeln ausgerechnet linksalternative Kreise und die Grünen eine skurrile Form von „Fremdenfeindlichkeit“ – es geht gegen Touristen.

Die Stadt Berlin hat sich zum Touristen-Magneten entwickelt – 21 Millionen Übernachtungen wurden im Jahr 2010 in der Stadt gezählt. Doch die Besucher, die der Stadt Milliarden-Einnahmen bescheren, sind nicht bei allen willkommen. In einigen Teilen der Stadt schlägt ihnen mittlerweile sogar blanker Hass entgegen. Es sind ausgerechnet jene Viertel, deren Bewohner sich ansonsten eher als Weltbürger fühlen und Toleranz und das multikulturelle Miteinander einfordern. 

„Kampf gegen Rollkoffer “ – mit solchen Parolen sehen sich neuerdings Berlinbesucher im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg konfrontiert. Das Viertel in der Berliner Innenstadt ist eine linksalternative Hochburg – der Grüne Hans-Christian Ströbele erringt hier regelmäßig ein Direktmandat für den Bundestag, zuletzt mit 46 Prozent. Jedes Jahr zum 1. Mai macht Kreuzberg durch Straßenkämpfe Schlagzeilen, die sich Linksextremisten mit der Polizei liefern. Seit den 70er Jahren vor allem von Ausländern bewohnt, machten in den 1980ern zahlreiche Hausbesetzungen durch Linksalternative den Bezirk Kreuzberg bundesweit bekannt.

Doch ein großer Teil der alten Kommunarden ist inzwischen wohlsituiert und wünscht sich die Ruhe und vermeintliche Idylle zurück, die hier vor 30 Jahren im Schatten der Mauer herrschte. Derzeit macht sich, unter der sich gern betont fremdenfreundlich gebenden Fassade, eine besondere Form des Ressentiments breit. Das neue Feindbild heißt diesmal nicht Polizist, Hausbesitzer oder Autofahrer – das Übel der Welt sind neuerdings die fremden Besucher, die den Bezirk bevölkern, um die Kreuzberger Atmosphäre zu genießen.

Unter dem Motto „Hilfe, die Touris kommen“ hatten Ende Februar die traditionell weit links stehenden Kreuzberger Grünen zu einer Veranstaltung geladen. Gastgeber des Abends war Dirk Behrendt, Abgeordneter der Partei in der Bezirksversammlung.

Gekommen waren 200 Einwohner des in Kreuzberg gelegenen sogenannten Wrangelkiezes. Die Stimmung in der Veranstaltung war gereizt – selbst Schlachtrufe wie: „Warum kann man das denn nicht verbieten?“ fanden lebhafte Zustimmung. Manch einer wollte sogar die sonst verhasste Polizei ins Spiel bringen, um die weitere „Touristifizierung“ des Viertels zu verhindern. Was in anderem Zusammenhang als Populismus und Fremdenfeindlichkeit verteufelt worden wäre und die Tugendwächter der Politischen Korrektheit auf den Plan gerufen hätte, war hier, als es um die Verteidigung des eigenen Lebensbereichs ging, auf einmal erlaubt.

Gefordert wurden von den Grünen die Beschränkung des Baus weiterer Hotels und die Erhebung einer Tourismussteuer, die den Bezirken zugute­kommen soll. Lokalpolitiker Behrendt räsonierte, der Anstieg auf über 20 Millionen Touristen pro Jahr dürfe nicht zulasten der Einwohnerschaft in den betroffenen Gebieten gehen. Dass der Fremdenverkehr dem mit 60 Milliarden Euro hoch verschuldeten Berlin bereits jetzt schätzungsweise 1,85 Milliarden Euro Steuereinnahmen sowie eine zusätzliche Kaufkraft von fast neun Milliarden Euro beschert, spielte bei der Diskussion keine Rolle. In Friedrichshain, dem anderen Teil des Stadtbezirks, entsteht an der Spree derzeit die größte Jugendherberge Deutschlands, weitere Hotels sind geplant. Hier hat man schon Beschränkungen beim Bau weiterer Hotels beschlossen.

Zurzeit gibt es in Berlin 112000 Hotelbetten, in Planung sind weitere 15000. Für die Stadt, die kaum noch eine industrielle Basis hat, ist der wachsende Fremdenverkehr zu einem unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor geworden. Ob die Grünen mit der Thematisierung des Tourismus im Berliner Wahlkampf bei der Mehrheit der Berliner Pluspunkte sammeln, ist daher fraglich. Schon die Aussagen von Renate Künast, Spitzenkandidatin bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus, zum neuen Großflughafen waren umstritten und hatten einen Anteil beim Einbruch ihrer Popularitätswerte – derzeit 20 Prozent hinter dem Regierenden Bürgermeister. Sie hatte die zukünftige Nutzung des Neubaus als internationales Drehkreuz in Frage gestellt und wollte den Flughafen, der für fast drei Milliarden Euro gebaut wird, zu einem europäischen Regionalflughafen degradieren. Künast musste sich nach diesem Vorschlag den Vorwurf anhören, keinerlei Sachkenntnis zu besitzen.

Auch der Landesparteitag der Berliner Grünen am vergangenen Wochen-ende war weitgehend altem Denken verhaftet. In die traditionelle Doppelspitze wurde der Parteilinke Daniel Wesener gewählt – Mitglied der Kreuzberger Grünen, des Bezirksverbandes, der zurzeit gegen Touristen mobilmacht. Das Leitmotto des Wahlkampfs „Berlin soll Klimahauptstadt werden“ klingt nach althergebrachter Subventionswirtschaft statt nach selbsttragendem Aufschwung. Ein Vorschlag zur Einführung eines „Ökosiegels für nachhaltigen Tourismus in Berlin“ lässt die Fremdenverkehrswirtschaft der Hauptstadt nach der Kreuzberger Grünen-Debatte erschaudern. Bei Umfragen liegen die Grünen in der Stadt derzeit bei 23 Prozent – sieben Prozent hinter der SPD und mit sinkender Tendenz. Von ihrem Ziel, stärkste politische Kraft in Berlin zu werden, entfernen sich die Grünen zunehmend. Norman Hanert


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