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12.03.11 / EU-Richtlinien mit Pleitegarantie / Die Regelungen zum Verbraucherschutz sollen innerhalb der EU neu geregelt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

EU-Richtlinien mit Pleitegarantie
Die Regelungen zum Verbraucherschutz sollen innerhalb der EU neu geregelt werden

Sollte ein jetzt bekannt gewordener Richtlinienentwurf des sogenannten EU-Parlaments zu geltendem Recht werden, wird sich der Versandhandel über das Internet für viele Unternehmer zu einem kaum kalkulierbaren Risiko entwickeln. Der Entwurf sieht für Internethändler die Pflicht vor, zukünftig in alle 27 EU-Länder zu liefern. In Deutschland könnte die geplante Regelung flächendeckende Geschäftsaufgaben kleinerer Unternehmen nach sich ziehen.

Der Kernpunkt des Entwurfs, über den im EU-Parlament im März abgestimmt werden soll, der Zwang für Internet-Versandhändler, ihre Ware EU-weit anzubieten, entpuppt sich bei Betrachtung der möglichen Folgen als programmiertes Desaster. Mit der Regelung wird die bisher bestehende Vertragsfreiheit völlig ausgehebelt. Da die Harmonisierung der verschiedenen nationalen Verbraucherrichtlinien gescheitert ist, werden Händler durch die geforderte Pflicht zum europaweiten Versand gezwungen, ihre Geschäftsbedingungen auf jedes der beteiligten Länder auszurichten. Diesen Aufwand – rechtssichere Geschäftsbedingungen für 27 Länder, Sprachversionen sowie Kundendienst – kann nur noch von großen Anbietern bewältigt werden. Für die Mehrzahl kleinerer Händler wird die Regelung das sichere Aus bedeuten. Das wird auch vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag so gesehen. Das Bundeswirtschaftsministerium hofft noch darauf, dass Änderungen an dem Entwurf möglich sind. Für deutsche Unternehmer liegt eine zusätzliche Gefahr erstaunlicherweise im deutschen Rechtssystem. Bei Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht kann durch Mitbewerber – demnächst aus der gesamten EU – eine Aufforderung zur Unterlassung, eine Abmahnung veranlasst werden. Der Abgemahnte hat die Anwaltskosten zu tragen, die häufig Tausende Euro betragen – eine Regelung, die es so in keinem anderen EU-Land gibt. Nur in Deutschland können Anwälte derart schnell und leicht die hiesigen Händler zur Kasse bitten, selbst bei Bagatell- und Formfehlern. Der zukünftige Wust von Geschäftsbedingungen wird dieses Risiko noch erhöhen.

Obwohl von der Politik regelmäßig behauptet wird, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei,  ist das Gegenteil richtig. Für viele Anbieter ist es ein juristisches Minenfeld, das Risiko unbeabsichtigt Fehler zu machen, ist hoch. Im Jahr 2007 hat zum Beispiel das Bundesjustizministerium ein Muster für Allgemeine Geschäftsbedingungen veröffentlicht. Händler, die diesen Entwurf verwendet hatten, wurden erfolgreich abgemahnt. Wenn selbst die Juristen des Bundesjustizministeriums scheitern, kann man sich die Folgen für Unternehmer vorstellen, die demnächst ihre Ware innerhalb der ganzen EU anbieten müssen. In Umfragen geben 40 Prozent der deutschen Internethändler an, sich in der wirtschaftlichen Existenz durch Abmahnungen gefährdet zu sehen.

Der Richtlinienentwurf für das EU-Parlament ist derartig unausgegoren, dass man vermuten kann, dass die Schaffung weiterer Institutionen, zum Beispiel einer EU-Verbrauchergerichtsbarkeit und damit ein weiterer Ausbau der EU in Richtung Staatlichkeit, bereits fest eingeplant ist.  Wie sieht es zum Beispiel aus, wenn ein deutscher Kunde eine Zahlungsaufforderung eines auf Sizilien beheimateten Versandunternehmens erhält, oder den Mahnbescheid eines bulgarischen Gerichts für angeblich gelieferte Ware? Wie macht ein deutscher Händler Forderungen an Kunden für Lieferungen nach Rumänien geltend? Bei den Mängeln in der Korruptionsbekämpfung in einigen EU-Ländern kann man sich die absehbaren Folgen und Möglichkeiten, die sich der organisierten Kriminalität bieten, vorstellen. Die Risiken und den Mehraufwand durch das neue Verbraucherrecht werden nur noch internationale Großunternehmen schultern können –  was sich langfristig auch am Preisniveau zeigen wird. Bereits die Freigabe von Verpackungsgrößen durch die EU im Jahr 2009 hat sich für die Verbraucher in teilweise drastischen Preiserhöhungen niedergeschlagen. Nach dem EU-Parlament muss den Richtlinien zum Verbraucherrecht noch der Europäische Rat zustimmen. Dass dort mehr ökonomischer Sachverstand als in Straßburg vorhanden ist, darf bezweifelt werden.            Norman Hanert


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