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12.03.11 / Zeuge in eigener Sache / In Prenden verstarb der sudetendeutsche Journalist und Politiker Gustav Just im 90. Lebensjahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-11 vom 12. März 2011

Zeuge in eigener Sache
In Prenden verstarb der sudetendeutsche Journalist und Politiker Gustav Just im 90. Lebensjahr

Am 23. Februar verstarb im Dorf Prenden, nordöstlich von Berlin, der sudetendeutsche Journalist und Politiker Gustav Just, der am 16. Juni sein 90. Lebensjahr hätte vollenden können. Geboren im Dorf Reinowitz, heute ein Ortsteil von Gablonz, dem Zentrum der deutsch-böhmischen Glasschmuckindustrie, wurde er schon als Oberschüler 1938 begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus. Vom „Reich“ erwarteten die Sudetendeutschen damals Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Minderheitenrechte gegen die tschechische Regierung. Gustav Just handelte aber auch aus jugendlicher Opposition gegen seinen Vater, einen Schlosser, der Kommunist war, und meldete sich nach dem 1940 in Gablonz abgelegten Abitur freiwillig zum Kriegsdienst in der Wehrmacht.

Er nahm 1941 am Russlandfeldzug teil, wurde mehrmals verwundet, musste auf Befehl seiner Vorgesetzten am 15. Juli 1941 jüdische Geiseln erschießen, was ihm ein halbes Jahrhundert später zum Verhängnis werden sollte, und heiratete im letzten Kriegsjahr 1944. Als Verwundeter erlebte er das Kriegsende in einem Feldlazarett in Tetschen-Bodenbach an der Elbe und wurde schließlich im Sommer 1946 nach Bad Schmiedeberg im Landkreis Wittenberg/Elbe, der Stadt Martin Luthers, in Sachsen-Anhalt ausgesiedelt. Hier wurde er zum „Neulehrer“ ausgebildet, was ein von der SED erfundener Berufsweg war, der allen während der Jahre 1933/45 politisch unbelasteten Leuten offenstand, auch solchen ohne Abitur. Mit den „Neulehrern“ sollten die in der Zeit vor 1945 belasteten NS-Pädagogen ersetzt werden, die zu Tausenden aus dem Schuldienst entfernt worden waren. Gustav Just war 1946 der aus SPD und KPD gebildeten SED beigetreten und arbeitete, nachdem er 1948 den „Neulehrer“-Beruf aufgegeben hatte, als Funktionär in der Kulturabteilung des SED-Landesvorstands von Sachsen-Anhalt, in der Kulturabteilung des ZK der SED in Ostberlin und beim „Deutschen Schriftstellerverband“, deren Vorsitzende damals die berühmte Exilschriftstellerin Anna Seghers (1900-1983) war. Bekannt, auch jenseits der DDR-Grenzen, wurde er aber als stellvertretender Chefredakteur des „Sonntag“, der Wochenzeitung des 1945 gegründeten „Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“. Hier sorgte er dafür, dass das Blatt zum Sprachrohr der literarischen Opposition wurde, die dem Kreis der kritischen DDR-Intellektuellen um Wolfgang Harich, Walter Janka, und Erich Loest nahestand.

Während des Prozesses gegen den in Königsberg/Preußen geborenen und am 29. November 1956 verhafteten Philosophieprofessor Wolfgang Harich (1923-1995), der 1957 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, waren Gustav Just und Heinz Zöger, der Chefredakteur des „Sonntag“, als Zeugen geladen. Im Zeugenstand wurden sie am 8. März 1957 verhaftet und am 26. Juli verurteilt: Gustav Just zu vier, Heinz Zöger zu zweieinhalb Jahren. Nach 45 Monaten Haft im berüchtigten Zuchthaus Bautzen II, wo auch Wolfgang Harich, Walter Janka und Erich Loest einsaßen, wurde Gustav Just am 30. November 1960 entlassen. Er floh aber nicht über die bis zum 13. August 1961 noch offene Grenze nach Westberlin, sondern zog mit seiner Frau Heide 1982 aus Berlin nach Prenden in die märkische Provinz, wo er bis zu seinem Tod als Übersetzer aus dem Tschechischen und Slowakischen tätig war. Für die Leistung, mehr als fünf Dutzend Romane übersetzt zu haben, wurde er 1998 mit dem „Johann-Heinrich-Voß-Preis“ ausgezeichnet. Als die Mauer gefallen war, gründete er im Dezember 1989 in Prenden einen SPD-Ortsverein und war seit 1990 auch SPD-Kreisvorsitzender in Bernau und Mitglied des Kreistages. Bei der Landtagswahl im neuen Bundesland Brandenburg 1990 errang er ein SPD-Mandat und wurde Alterspräsident des Parlaments in Potsdam. Als 1992 durch Walter Janka aufgedeckt wurde, dass er 1941 in Russland an Geiselerschießungen beteiligt war, schied er aus dem Parlament aus. Seine Autobiografie erschien unter dem Titel „Zeuge in eigener Sache. Die fünfziger Jahre in der DDR“ (1990) und in erweiterter Fassung unter dem Titel „Deutsch, Jahrgang 1921“ (2001 und 2007). Seine Frau Heide Draexler-Just, die auf Fürsprache von Anna Seghers beim DDR-Fernsehen bleiben durfte, obwohl sie die Frau eines „Staatsfeindes“ war,  hat unter dem Titel „Sprecherlaubnis“ Verhaftung, Prozess und ihre Reisen nach Bautzen 1957/60, wo sie ihren Mann viermal im Jahr besuchen durfte, beschrieben.           J. B. Bilke


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