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19.03.11 / Schatten der Fehlentscheidung / Mit der Bahnprivatisierung gab der Staat seine Verantwortung auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Schatten der Fehlentscheidung
Mit der Bahnprivatisierung gab der Staat seine Verantwortung auf

„Die Bahn fährt immer.“ Konfrontiert man die Bahnmanager heute mit dem Werbeslogan, mit dem ihr Unternehmen vor Jahrzehnten auf Kundenfang ging, legt sich ein gequälter Zug auf ihre Gesichter. Denn die Bahn fährt häufig gar nicht oder mit Verspätung. Beispielsweise dann, wenn die Lokführer streiken. Auch das ist eine Folge der Privatisierungsbestrebungen bei dem Staatskonzern.

Früher war so etwas nicht möglich. Die Bahn war eine Behörde und ihre Mitarbeiter durften als Beamte nicht streiken. Das war Teil der staatlichen Daseinsvorsorge im Verkehrs- und Beförderungswesen. Der Staat stellte öffentliche Einrichtungen und Leistungen für die Allgemeinheit bereit, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Personen- und Gütertransports jederzeit zu gewährleisten. Doch seit dem Beginn der privatwirtschaftlichen Ausrichtung der Bahn im Jahre 1993 haben viele ihrer Bediensteten ein Streikrecht. Was dies angesichts der Tatsache bedeutet, dass die Deutsche Bahn AG nach wie vor quasi ein Monopol hat und mehr als 99 Prozent aller Fernverkehrszüge betreibt, bekommt das Volk immer dann zu spüren, wenn die Gewerkschaften eine Machtprobe mit den Arbeitgebern versuchen.

Auch gepflegte und wohl klimatisierte Abteile haben etwas mit der Bahnprivatisierung zu tun. Seit die Bahn durch die Umwandlung in einen bundeseigenen Konzern quasi privatisiert und auf den Kapitalmarkt ausgerichtet wurde, wird sie von massiven Qualitäts- und Sicherheitsmängeln geplagt. Zu sehr konkurrieren die Vorteile eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens mit den Renditeerwartungen des Bundes. Die Dividendenausschüttungen in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich entziehen dem Unternehmen flüssiges Kapital und führen so zu verringerten Investitionen in das Anlagevermögen und harten Rationalisierungsmaßnahmen. Die Folge: Viele Züge und Betriebsanlagen sind häufig defekt. Die Mängel reichen vom Ausfall einzelner Komponenten bis hin zum Totalausfall. Selbst jahreszeitlich normale Wetterereignisse wie geringer Schneefall, leichte Sturmschäden oder hochsommerliche Temperaturen führen gleich zu massiven Störungen des Bahnverkehrs oder bringen ihn ganz zum Erliegen. Ersatzzüge und Reservekapazitäten werden nicht mehr vorgehalten, Ausweichstrecken sind längst stillgelegt und die wenigen noch verbliebenen bahneigenen Werkstätten sind überlastet. So können technische Defekte und jedes „Extremwetter“ für die Bahn schnell zum Desaster führen. Von Betriebsstörungen unbeeindruckt dürften indes all diejenigen bleiben, die längst von der Schienenverbindung „abgekoppelt“ wurden. In den vergangenen Jahren hat sich die Bahn in weiten Teilen des Landes aus der Fläche zurückgezogen. Unzählige Zugverbindungen wurden gestrichen, Strecken stillgelegt und Bahnhöfe geschlossen.

Der geplante, derzeit aufgeschobene, Börsengang hat die Situation noch verschlimmert. Um die Braut für private Investoren attraktiv zu machen, wird sie durch Gewinnmaximierung aufgehübscht. Auch das geht zu Lasten von Investitionen und Erhaltungsmaßnahmen an Fahrzeugpark und Infrastruktur. Sollte sich die Bahn eines Tages ganz in privater Hand befinden, dürfte, so befürchten die Gegner der Bahnreform, engültig die Rendite Vorrang vor Zuverlässigkeit, Komfort und Sicherheit haben.

Wenn es um den Umgang mit ihren Fahrgästen geht, ist die Bahn allerdings ganz Behörde geblieben. Kundenorientierung und Service sind für viele Mitarbeiter noch immer Fremdworte. Schließlich, so glauben sie wohl, darf der Untertan froh sein, dass man ihn überhaupt mitnimmt.            Jan Heitmann


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