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19.03.11 / Im Strudel von Angst und Wut / Irak steuert mehr und mehr in anarchische Zustände: Nicht nur Attentate belasten die Menschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Im Strudel von Angst und Wut
Irak steuert mehr und mehr in anarchische Zustände: Nicht nur Attentate belasten die Menschen

Die Bilanz der ersten 100 Tage der irakischen Regierung um Nuri al-Maliki ist desaströs: Mangelnder Reformwille, Vetternwirtschaft und Korruption bestimmen das Bild. Viele Iraker, die ihre Hoffnung in die neue Regierung gesetzt hatten, verzweifeln auch angesichts des Umstandes, dass Bagdad zudem auch noch immer weniger Einfluss auf die Provinzen des Landes hat.

Der Irak erlebt derzeit die größte Protestwelle seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein. Die zusammengewürfelte Regierung der islamisch, demokratisch und föderal konzipierten Republik ist längst nicht mehr Herr der Lage. Immer wieder drängt es in allen Landesteilen bis in die kurdischen Nordprovinzen aufgebrachte Bürger auf die Straße. Im Hintergrund mischen die Todesschwadronen der Terrororganisation Al-Kaida, Anhänger der Baath-Partei Saddam Husseins und religiös radikalisierte  Gruppen mit.

Es vergeht kaum ein Tag ohne blutige Attentate auf Christen oder von Sunniten auf Schiiten, wobei zum Beispiel bei einem einzigen Attentat 56 schiitische Pilger ihr Leben ließen. Erst Mitte März raste ein Lastwagen voller Sprengstoff in das Hauptquartier der Armee in Bakuba. Mindestens zehn Soldaten wurden getötet, viele erlitten Verletzungen. Im Jahresschnitt starben bei Attentaten seit Bildung des „neuen Irak“ zwischen 4000 und 5000 Menschen. Die Strategie der Attentäter ist es, ein geordnetes Staatswesen zu torpedieren. Hinter den Kulissen mischt dabei auch der zwischenzeitlich aus dem iranischen Exil zurückgekehrte radikale Geistliche Muktada als-Sadr mit. Gegenwärtig zieht er wieder vom Iran aus seine Fäden. Das irakische Militär und die Polizei des Landes sind der Lage keineswegs Herr. Aus diesem Grund schützen etwa 15000 paramilitärisch organisierte Ausländer im Dienst acht großer privater Sicherheitsfirmen, darunter die umstrittene US-Firma Blackwater, die Ölanlagen des Landes. Diese Verbände nehmen eine Sonderstellung ein und sind weder verpflichtet, ihre Stärke noch die Zahl ihrer Opfer anzugeben.

Seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Nuri al-Maliki Ende 2010 herrschen in dem 30-Millionen-Volk Angst und Wut, Reformen stocken, die Demonstranten prangern Bestechung, Korruption, eine überdimensionierte Bürokratie  und Vetternwirtschaft an. Sie  fordern bessere Lebensbedingungen, eine geregelte Strom- und Wasserversorgung – Investitionen, die trotz der Gelder aus dem Erdölexport bislang unterblieben. Die Ölförderung wurde auf einen Stand hochgefahren, wie er zuletzt vor mehr als 20 Jahren zu verzeichnen war. Aus den einströmenden Petrodollars wurde der Haushalt 2011 auf 80 Milliarden Dollar aufgebläht, doch die Bevölkerung sieht trotz vollmundiger Versprechungen wenig davon.  

Die neue Monsterregierung aus 42 Ministern und einem Parlament, in dem alle Bevölkerungs- und Religionsgruppen vertreten sein sollen, tut sich schwer mit dem dadurch erzeugten, riesigen Verwaltungsaufwand. Dazu addiert sich immer wieder Kompetenzgerangel, das zudem unter mangelnder Fachkunde vieler Beteiligter leidet, die – wie im Orient üblich – vor allem nach persönlichen Beziehungen, ethnischem oder religiösem Proporz zusammengewürfelt wurden. Unbequeme Opposition blieb dabei Mangelware.

So entlud sich der Zorn der Massen seit dem 25. Februar in verschiedenen Städten wie Basra, Falludscha, Ramadi und Mosul in der Erstürmung von Amtsgebäuden, fast überall wurden Feuer gelegt. In der ostirakischen Provinz Wasit stürmten empörte Bürger das Gebäude des Provinzrates und setzten zudem das Wohnhaus des Gouverneurs in Brand. In Bagdad wurden Dutzende von Journalisten von Polizisten an der Berichterstattung gehindert, verprügelt und ihrer Aufzeichnungen beraubt. 

Bei Protesten in der kurdischen Stadt Sulaimaniya im autonomen Kurdistan-Irak gab es bereits Tote und Verletzte. Auch hier profitieren nur wenige vom Aufschwung durch das Öl. Das Wort „Wasta“ ist der Zauberschlüssel zum Erfolg, „Wasta“ heißt auf deutsch Beziehungen. Längst werden Forderungen nach dem Rücktritt des autonomen Ministerpräsidenten Massoud Barzani laut. 

Die Folge der chaotischen Zustände im gesamten Irak: Bereits mehrere Bürgermeister und Gouverneure traten zurück. Beobachter rechnen mit einem weiteren Exodus von Provinzpolitikern. Vorgezogene Kommunalwahlen scheinen deshalb unabdingbar. Hundert Tage erbat sich Ministerpräsident Maliki von der Bevölkerung. Falls sich die Lage nicht bessere, werde er persönlich die Verantwortung übernehmen. Was das im Klartext heißt, darauf blieb er die Antwort schuldig. Die 100 Tage sind demnächst abgelaufen. Joachim Feyerabend


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