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19.03.11 / »Irriger Lehre« begegnet / Debatte um Leitkultur bewegt Großbritannien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

»Irriger Lehre« begegnet
Debatte um Leitkultur bewegt Großbritannien

Lange Jahre tönte die Parole von der unvermeidlichen multikulturellen Gesellschaft der Zukunft, die vor allem von Politikern, Medienleuten, Ökonomen und linken Intellektuellen ausgegeben wurde. Vor kurzem hat nun in Großbritannien kein Geringerer als der Premierminister David Cameron eine Leitkulturdebatte angestoßen und sich gegen den Multikulturalismus ausgesprochen, der in seinem Land geradezu den Rang einer politischen Doktrin gewonnen habe. Damit müsse, so der Premierminister mit ungewohnter britischer Deutlichkeit, Schluss sein. Cameron machte darauf aufmerksam, dass im Schutz jener Lehre zum Beispiel ethnische und religiöse Klubs an englischen Universitäten zu Orten der Agitation radikaler Muslime geworden seien. Es sei, so der Premier, an der Zeit, diesem Treiben mit „schärfsten Kontrollen“ entgegen zu treten. Natürlich sprach der linksliberale „Guardian“ sogleich von einem „Rechtsruck“ in der englischen Politik, der sich hier abzeichne.

Doch in Großbritannien ticken manche Uhren offensichtlich doch anders als anderswo. Dem Premierminister sprang in dieser Debatte der einflussreiche Oberrabbiner Lord Jonathan Sacks, Mitglied des Oberhauses, in der „Times“ bei und nannte den Multikulturalismus den Ausdruck einer „moralischen Relativierung“, die sich in Großbritannien wie in Europa im Allgemeinen ausbreite, einer „irrigen Lehre“, die sich fälschlich auf die Erfahrung mit dem intoleranten Nazismus berufe, aber eben falsch sei, weil sie dazu diene, dem ideologischen Fanatismus gewisser Minderheiten wie der islamistischen den Weg zu bereiten. Beachtlich, dass der Oberrabbiner sich nicht scheute, damit auf die Kritik von Papst Benedikt XVI. an der „Diktatur des Relativismus“ im heutigen Westen Bezug zu nehmen.

Die moralische Relativierung, so Lord Sacks, sei heute „die eigentliche Todsünde der Zivilisation“, weil sie den moralischen Konsens der Gesellschaft auflöse und die geistige Auseinandersetzung in der Gesellschaft zu einem bloßen Zusammenstoß prinzipiell gleichberechtigter Ansichten erkläre, zu einer Art Wettbewerb, in dem dann nicht die Wahrheit, sondern die lauteste Stimme gewinne.

Sacks nahm nicht nur den Ruf des Premierministers nach der Stärkung des nationalen Gemeinschaftsgefühls auf. Er machte auch darauf aufmerksam, dass gerade die Auflösung der nationalen Identität es den Minderheiten unmöglich mache, sich erfolgreich zu integrieren. „Denn es gibt dann nichts mehr, in das man sich integrieren kann.“ Der jüdische Theologe stößt die heutige Multikulturalismus-Debatte des Westens auf ihre integralen Schwächen hin.

Es wird interessant sein, wie im heutigen konformistischen und oft so besserwisserischen Deutschland diese neue britische Leitkultur-Debatte aufgenommen wird.           Klaus Hornung


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