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19.03.11 / Zum Ärger der Alten / Spartengewerkschaften machen nicht nur Arbeitgebern Leben schwer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Zum Ärger der Alten
Spartengewerkschaften machen nicht nur Arbeitgebern Leben schwer

Die Lokführergewerkschaft GDL macht wieder Ernst. Der angedrohte Arbeitskampf im Güter- und Personenverkehr legt seit Tagen Teile des Schienenverkehrs lahm. Eindrucksvoll belegt die Spartengewerkschaft der Lokführer, dass das Prinzip „Ein Betrieb – Ein Tarifvertrag“, das mit der Entscheidung des zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts kassiert wurde, auch faktisch Geschichte ist. Vorerst zumindest, denn in seltenem Gleichklang appellieren sowohl der DGB als auch der Arbeitgeberverband an die Politik, die Tarifeinheit wiederherzustellen. DGB und Verdi befürchten wohl, dass die schleichende Erosion des Machtgefüges großer Gewerkschaften durch den Richterspruch noch beschleunigt werde, die Arbeitgeber eine wachsende Anzahl kostspieliger Tarifauseinandersetzungen. Seit 2001 verzeichnen die großen deutschen Gewerkschaften IG Metall, IG BCE und Verdi einen massiven Rück-gang ihrer Mitgliederzahlen. Während die großen Gewerkschaften schrumpfen, wachsen und gedeihen die Spartengewerkschaften.

Einigen Berufsverbänden aus ehemals staatlich dominierten Branchen und Monopolunternehmen ist es erfolgreich gelungen, schlagkräftige Berufsgewerkschaften zu gründen. Vorreiter waren die Lufthansa-Piloten, die sich im Jahre 2001 mit ihrer „Vereinigung Cockpit“ von Verdi lösten. Dem Vorbild folgten 2002 die Flugbegleiter, 2003 die Fluglotsen, 2005 kehrten die Klinikärzte Verdi den Rücken und seit 2008 gehören auch die meisten Lokführer der abtrünnigen Spartengewerkschaft GDL an. Und die Zersplitterung der Gewerkschaftslandschaft geht munter weiter. Mittlerweile haben auch Flugzeugtechniker (der Lufthansa), Hafenarbeiter und Versicherungsangestellte Spartengewerkschaften gegründet. Das Arrangement großer Einheitsgewerkschaften, das viel zu viel über einen Kamm scherte, ist obsolet geworden. Wenn Verdi-Chef Frank Bsirske, der sich von der Erosion der Verdi-Basis nicht in seinem populistischen Konfrontationskurs gegen das Kapital beirren lässt, gegen die Rente mit 67 wettert, Deutschland wörtlich als „Steuer-oase“ bezeichnet und auch Spitzensteuersätze jenseits der 50 Prozent nicht ausschließt, dann ist er damit der lebende Beweis für die Volksweisheit: „Kleiner werdende Sekten predigen radikaler.“ Bsirske will scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Frontlinie längst nicht mehr nur zwischen Arbeit und Kapital verläuft, sondern sich vielmehr innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer abspielt.

Der Anteil geringqualifizierter Arbeit am Volkseinkommen geht zurück, Arbeit gibt es, doch Kapital bleibt knapp. Spezifisches Humankapital wird in Deutschland durch die ungünstige demografische Entwicklung zusätzlich verknappt. Da die fetten Jahre vorbei sind und immer mehr Umverteilungslasten von immer weniger Schultern getragen werden müssen, erscheint es geradezu folgerichtig, dass die Bereitschaft von qualifizierter Arbeit abnimmt, einfache Arbeit zu subventionieren. Wenn die Politik das Tarifkartell nicht stützt, indem sie die Tarifeinheit gesetzlich erzwingt, dann wird sich der Mitgliederschwund von Verdi, IG Metall und Konsorten weiter fortsetzen.              Tobias Müller


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