29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.03.11 / Sie verehrte den Reichseiniger Bismarck / Fanny Lewald war nicht nur eine gern gelesene Schriftstellerin, sondern auch eine engagierte Kämpferin für die Emanzipation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Sie verehrte den Reichseiniger Bismarck
Fanny Lewald war nicht nur eine gern gelesene Schriftstellerin, sondern auch eine engagierte Kämpferin für die Emanzipation

Du willst also Schriftstellerin werden?“ – „Wenn du nichts dagegen hast, lieber Vater, will ich es ganz gewiß!“ Folgt man den Lebenserinnerungen von Fanny Lewald, deren Tod im August 1889 die „Kölnische Volkszeitung“ als den Verlust der „hervorragendsten Romanschriftstellerin“ betrauerte, so waren es diese Sätze, die am Beginn ihres äußerst erfolgreichen Lebensweges als Literatin standen. Zudem sollte sie sich zu einem Mittelpunkt der Berliner Gesellschaft entwickeln.

Zu der Zeit, als der Vater sie endgültig „freigab“, hatte sie die Dreißig bereits erreicht. Am

24. März 1811 war sie in Königsberg als Tochter des jüdischen Kaufmanns David Marcus geboren worden; später nahm die Familie den Namen Lewald an. Fanny erhielt zunächst eine breit gefächerte Schulbildung. Zu ihren Schulkameraden gehörte Eduard Simson, der spätere Präsident des Reichstages.

Diese Ausbildung endete allerdings schon früh. Im Hause der Familie wurde sie nun auf ihre künftige Rolle als Ehefrau vorbereitet. Auf einem rigide geregelten Stundenplan stand Handarbeit ganz oben an, was für die wissbegierige junge Frau eine Qual war. 1830 trat sie zum Protestantismus über, allerdings ohne innere Überzeugung. Ein sich immer stärker ausprägender Wunsch nach Selbständigkeit fand seinen Ausdruck darin, dass sie sich einer vom Vater gewünschten Konvenienzehe erfolgreich widersetzte.

August Lewald, ein Cousin ihres Vaters, bestärkte sie darin, ihr schriftstellerisches Talent zu entfalten. Er war es auch, der bei ihrer ersten Veröffentlichung Pate stand: In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Europa“ berichtete sie über die Huldigungsfeierlichkeiten für König Friedrich Wilhelm IV. 1843 erschienen ihre ersten beiden Romane „Jenny“ und „Clementine“. Mit Rücksicht auf die Familie blieb die Autorin hier noch anonym. Gegenstand dieser Bücher war ihr großes Thema: Die Emanzipation der Frau. Vor allem gegen aufgezwungene Ehen und Abhängigkeiten – die eigenen Erfahrungen vor Augen – schrieb sie an. Daneben beschäftigte sie sich in ihren literarischen und journalistischen Texten mit dem Problem der Standesunterschiede und sie setzte sich für die Gleichberechtigung der Juden ein.

Von ihren Einkünften als Autorin konnte sie gut leben. 1845 ließ sie sich endgültig in Berlin nieder. Eine enge Freundschaft verband sie mit ihrer „Schriftstellerkollegin“ Therese von Bacheracht.

Fanny Lewald unternahm längere Reisen, oft nach Italien, deren Darstellung einen Teil ihres umfang-reichen Werkes ausmacht. Auf einer dieser Reisen lernte sie auch den Kritiker und Schriftsteller Adolf Stahr kennen. Bevor es 1855 zur Hochzeit kam, musste sich Stahr allerdings noch scheiden lassen, er war bereits Vater von fünf Kindern. Vor der Begegnung mit Fanny Lewald hatte er deren Romane nicht gelesen – Stahr hatte bis dahin Vorurteile gegen schreibende Frauen gehabt.

Seit Ende der 1840er Jahre führte sie einen Salon. Allmontäglich wurde eingeladen, es waren insgesamt wohl über 100 Personen der unterschiedlichsten Couleur, die zu diesem Kreis zählten. Bekannt war Fanny Lewald für die „Redeturniere“, die sie sich mit den Gästen lieferte. Franz Liszt besuchte ihren Salon ebenso wie Gottfried Keller oder Ferdinand Lassalle. Auch der damals noch unbekannte Theodor Fontane fand sich ein.

1848 hatte sie mit den Revolutionären sympathisiert. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass Fanny Lewald Vereine und Selbsthilfeorganisationen meinte, wenn sie von „Sozialismus“ sprach, also diejenigen Einrichtungen, die der politische Liberalismus propagierte. Soziale Fragen und der Pazifismus waren ihr ein Anliegen. Angesichts des deutsch-österreichischen Krieges hatte sie 1866 noch ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, „dass das Volk über die Fürsten hinweggehen und sie in seinem Zorne über die Verwüstungen des Landes hinwegfegen könne“. Im September 1867 wurden auf dem Genfer Friedenskongress ihre „Zehn Artikel wider den Krieg“ verlesen.

Allerdings vollzog sie nur wenig später eine nahezu vollständige Wandlung: Aus der Linksliberalen wurde eine Nationalliberale. Uneingeschränkt begrüßte sie den Nationalstaat, politisch stand sie nun auf der Seite des Reichseinigers Bismarck.

Illustriert sei dieser Gesinnungswandel durch folgende Begebenheit: Befreundet war Fanny Lewald ursprünglich auch mit dem ebenfalls aus Königsberg stammenden „Radikaldemokraten“ Johann Jacoby. Jacoby hatte zu einer Lessing-Biographie, die Adolf Stahr verfasste, vieles beigesteuert. Schließlich hatte Stahr ihm das Buch gewidmet. Als es nach dem Tode Stahrs neu aufgelegt wurde, sorgte Fanny Lewald dafür, dass in der Zueignung nun ein anderer genannt wurde: Bismarck.            Erik Lommatzsch


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren