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19.03.11 / Des Kaisers letztes Kriegsschiff / Ein Papenburger Kaufmann will die »Graf Goetzen« nach Hause holen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Des Kaisers letztes Kriegsschiff
Ein Papenburger Kaufmann will die »Graf Goetzen« nach Hause holen

Das Schicksal eines der letzten Relikte der deutschen Kolonialgeschichte ist ungewiss. Die „Liemba“, ex „Graf Goetzen“, eines der ältesten noch in Fahrt befindlichen Passagierschiffe der Welt, steht vor der Verschrottung – oder vor einer glänzenden Zukunft als Museumsschiff im emsländischen Papenburg. Ein Geschäftsmann will es jetzt nach Deutschland zurückholen – in Privatinitiative, denn von der Politik oder Behörden bekommt er dafür keine Unterstützung.

Es war ein schier unglaubliches und ehrgeiziges Projekt: Ein immerhin 67 Meter langer Dampfer sollte am Vorabend des Ersten Weltkrieges von Deutschland in das afrikanische Binnenland bis zum Tanganjikasee in der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika transportiert werden – per Schiff, Schiene und mit Muskelkraft. Gebaut wurde das nach dem ehemaligen Gouverneur Gustav Graf von Götzen benannte Schiff 1913 auf der Meyer-Werft in Papenburg. Auftraggeber war die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, als Betreiber war die Ostafrikanische Eisenbahn Gesellschaft vorgesehen. Durch das Schiff sollte die Präsenz der deutschen Kolonialmacht auf dem Tanganjikasee deutlich gemacht werden.

Nach der Fertigstellung wurde die „Graf Goetzen“ in ihre Einzelteile zerlegt. Die Teile wurden in 5000 Holzkisten per Schiff in die deutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika gebracht und dort mit der neugebauten Eisenbahnlinie weitertransportiert. Allerdings reichte die Strecke noch nicht bis nach Kigoma am Tanganjikasee, so dass der Weitertransport von Daressalam über 900 Kilometer auf den Schultern von einheimischen Trägern erfolgen musste. Am Ufer des Sees wurde die „Graf Goetzen“ dann unter der Leitung von drei Schiffbauern der Meyer-Werft wieder zusammengebaut und im Februar 1915 erneut vom Stapel gelassen.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderte zunächst einen Einsatz im Passagier- und Frachtdienst. Die „Graf Goetzen“ wurde mit Kanonen ausgerüstet und lieferte sich auf dem See Gefechte mit den Engländern und den Belgiern, bei denen sie ein britisches Kanonenboot versenkte. Als Kigoma im Sommer 1916 von den Deutschen aufgegeben werden musste, wurde die „Graf Goetzen“ versenkt, damit sie nicht in Feindeshand geriet. Das wurde von den Papenburgern, deren Herzblut an dem Dampfer hing, so schonend gemacht, dass die Belgier sie wenig später heben und wieder in Fahrt bringen konnten. Im Jahre 1920 sank sie während eines Sturmes im Hafen und wurde erst 1927 von den Engländern geborgen. Seitdem fährt sie unter dem Namen „Liemba“, nach der einheimischen Bezeichnung für den Tanganjikasee, im Liniendienst, seit der Unabhängigkeit Tansanias 1961 unter der Flagge von dessen Staatsreederei. Noch heute verkehrt sie in ihrem ursprünglichen Fahrtgebiet, dem 673 Kilometer langen Tanganjikasee zwischen Kigoma (Tansania) und Mpulungu (Sambia) und steuert dabei 16 Ortschaften an. Kaum ein Dorf hat einen Hafen, die meisten Menschen fahren mit Holzbooten zur „Liemba“ und klettern von dort an Bord, einschließlich Gepäck, Vieh und Waren. Die „Liemba“ ist das wichtigste Verkehrsmittel, das Herzstück des Tanganjikasees und die kürzeste und oft auch einzige Verbindung zwischen den Ortschaften in Tansania. Bis zum Ausbruch der dortigen Bürgerkriege bediente sie auch Häfen im Kongo, in Ruanda und Burundi.

Dementsprechend genießt das Schiff in Afrika einen geradezu legendären Ruf. Im Jahre 1951 inspirierte sein Schicksal amerikanische Filmproduzenten zu dem Welterfolg „African Queen“. Die Drehbuchautoren ließen ihrer Phantasie allerdings so freien Lauf, dass die Handlung des Films kaum etwas mit dem historischen Geschehen gemein hat. Das „feindliche“ deutsche Schiff heißt dort „Louisa“ und wird entgegen den historischen Tatsachen versenkt.

Trotz ihrer Bedeutung drohte der „Liemba“ schon zweimal das Schicksal, aus Altersgründen verschrottet zu werden. Sie wird zwar dringend als Transportmittel gebraucht, jedoch entspricht sie nicht mehr den aktuellen Sicherheitsvorschriften. Sie müsste grundlegend überholt oder gegen ein modernes Schiff ausgetauscht werden.

Der Papenburger Hermann-Josef Averdung, dessen Großvater damals auf der Meyer-Werft an dem Schiff mitgearbeitet hatte, möchte sie wieder nach Deutschland holen, um sie 2013 zu ihrem 100. Geburtstag in Papenburg als Museumsschiff zu feiern. Dazu müsste das Schiff erneut zerlegt werden, diesmal allerdings nur in zwei Teile. Die würden dann per Bahn und Spezialtieflader nach Daressalam und von dort per Schiff in die Heimat gebracht werden.

Ende 2010 hat Averdung den Verein „Graf Götzen e.V.“ gegründet und schon einige Großspenden eingeworben. Noch fehlen dem Verein aber mindestens 1,5 Millionen Euro, um das Vorhaben zu finanzieren, denn es müsste nicht nur der millionenteure Heimweg, sondern auch ein Ersatzschiff finanziert werden. In Tansania bemüht sich unterdessen die „Friends of ‚Liemba‘ Foundation“ mit Unterstützung hochrangiger Politiker um einen Verbleib des Schiffes als Touristen-Attraktion auf dem Tanganjikasee. Averdung wiederum hat das Auswärtige Amt und das Entwicklungshilfeministerium  wegen der Beschaffung eines Ersatzschiffes angesprochen. Dort wird jetzt eine Finanzierung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau geprüft. Auch eine Generalüberholung der „Liemba“ durch die Meyer-Werft und ihr Verbleib in Afrika wird für möglich, wegen ihres Zustandes aber für wenig wahrscheinlich gehalten. Politische Unterstützung für die Rückholung des Schiffes nach Deutschland kann Averdung nicht erwarten. Das, so wurde ihm in Berlin beschieden, sei seine Privatsache. Dass das Schiff eines der letzten Zeugnisse deutscher Kolonialgeschichte und ein schifffahrtshistorisch einmaliges Relikt ist, spielt demnach keine Rolle. Lediglich die Stadt Papenburg steht der Idee grundsätzlich positiv gegen-über. Sie sieht die Chance, die es als Touristenattraktion bieten würde. Was auch immer das Schicksal des Kaisers letztem Kanonenboot zum 100. Geburtstag bringen wird – der Schiffsfriedhof wird es wohl nicht sein.               Britta Heitmann


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