25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.03.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Heiße Wolken / Wie wir den Japanern wirklich helfen, was plötzlich alles unsichtbar ist, und wie Renate Künast der Natur beim Herrschen hilft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-11 vom 19. März 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Heiße Wolken / Wie wir den Japanern wirklich helfen, was plötzlich alles unsichtbar ist, und wie Renate Künast der Natur beim Herrschen hilft

Nicht nur in Japan machen die Kühlsysteme schlapp. Auch in Deutschland glüht es. Wehe dem, der in Gesprächen durchblicken lässt, dass er seinen Verstand trotz allem weiter auf gewöhnlicher Betriebs­temperatur hält. Es gibt eben Phasen, da ist Hysterie der einzige  gesellschaftlich akzeptierte Gemütszustand.

Das gilt offenbar vor allem für uns Deutsche. In Japan lebende Landsleute berichten über das Internet von ihren Eindrücken aus Tokio: Die Japaner, erfährt man da, bewiesen eine bewundernswerte Ruhe, von der sich sogar die Ausländer in der japanischen Metropole alle anstecken ließen – mit einer ethnischen Ausnahme. Na, raten Sie mal!

Berliner Apotheken melden einen deutlich gestiegenen Absatz von Jodtabletten. Die Leute haben lange genug N24 gesehen, um das heranschmauchende Inferno fast schon riechen zu können. Aber helfen die Pillen gegen die „nukleare Wolke“ überhaupt? Am liebsten würde man abhauen. Bloß wohin? Wer das Maßband um den Globus schlingt, wird feststellen, dass Japan in östlicher Richtung etwas näher ist. Also ab nach Westen? Aber nicht doch: Von dort soll sie ja kommen, die „Wolke“.

Also doch Jodtabletten. Ärzte warnen zwar vor ernsten gesundheitlichen Schäden, welche die Überdosierung von Jod in der Schilddrüse anrichten könne. Aber was wissen die schon vom Atomtod? Außerdem: Irgendetwas müssen wir doch tun! Und zwar jetzt! Haben wir nicht schon viel zu lange gewartet?

Bei den Kundgebungen und Mahnwachen fordern Demonstranten: „Akw sofort abschalten – aus Solidarität mit den Japanern!“ Es wird die Anwohner der ramponierten japanischen Meiler enorm beruhigen, wenn sie erfahren, dass wir unsere Kraftwerke runterfahren. Oder Stefan Mappus abwählen. Oder beides. Augenscheinlich erfordern außergewöhnliche Situationen wie diese nicht nur besondere Maßnahmen, sie entfalten auch eine ganz außergewöhnliche Logik.

Die Kanzlerin hat sich in diese Logik schnell eingefunden und schießt ihre eigene Atompolitik ohne Wimpernzucken über den Haufen. Alte Reaktoren wie Krümmel bei Hamburg sollen rasch vom Netz. Der lieferte in den vergangenen Jahren eh kaum noch Strom. Außerdem will Angela Merkel seit dem 11. März nicht mehr in der Nähe des Wortes „beherrschbares Restrisiko“ gesehen werden. Denn was soll das schon bedeuten: In Norddeutschland gibt es keine Erdbeben, und Tsunamis auch nicht. Kann das jemand garantieren? Was würde denn passieren, wenn sich die Eurasische Platte von der Plattdeutschen Platte losreißt, das Elbtal samt Hamburg in einer gewaltigen Subduktionsfalte verschwindet und Krümmel von einem monströsen Alster-Tsunami hinfortgespült wird? Wer will für diesen Fall die Verantwortung übernehmen? Niemand! Da haben wir’s.

Die deutsche Anti-Akw-Lobby weist unterdessen jegliche Triumphgefühle hinsichtlich der japanischen Tragödie weit von sich. Volker Beck nannte dahingehende Unterstellungen „zynisch“ und noch schlimmer. Freuen über Fukushima? Beck besteht darauf, dass in seiner Brust, ach, nur eine Seele wohnt. Alles andere wäre für einen Grünen-Politiker auch völlig überdimensioniert: Wo die Moral zu Hause ist, da gibt es keine Schatten.

Andere profitieren vom Drama weitaus offenherziger. Für Muammar al-Gaddafi ist es ein Geschenk wie weiland die Suezkrise für den Kreml. Als 1956 zwei verglühende Kolonialmächte alle Aufmerksamkeit der Welt in die Levante lenkten, nutzte Moskau den Kameraschatten, um den Freiheitsdrang der Ungarn blutig zu zertrampeln. Hinter den Qualmsäulen von Fukushima nun versucht der Libyer, den Aufstand seines Volkes zu zermalmen.

Auch die jüngste Wucherung der Euro-Rettungsschirme versank fast in den Alarmsirenen Nippons. Wer will in so einem Moment denn noch von Geld reden? Keiner, und das ist gut so, nicht gerade für unser Geld, dafür umso mehr für die Schirme und ihre Spanner.

So ganz nebenbei hat die Bundeskanzlerin die deutschen Garantien für bankrottbedrohte Euro-Länder von rund 150 auf 200 bis 250 Milliarden Euro hochgeschraubt. Als sie den Deutschen ihren Erfolg bekanntgab, hatte das fernöstliche Fiasko gerade erst seinen Anfang genommen, es war am Tag nach jenem schwarzen Freitag. Keiner konnte da schon vorhersehen, welche Ausmaße das Debakel bald annehmen würde. Daher fürchtete Merkel noch, dass ihre Steuerbürger genau hinsehen würden und suchte händeringend nach hübschen Tarnvokabeln, mit denen sie den nächsten Schritt in die Transferunion zu Lasten der Deutschen wegsabbeln könnte. Sie fand etwas wirklich Entzückendes: Statt von der Aufstockung der Rettungsprogramme zu sprechen, sang die Kanzlerin von deren „Ertüchtigung“. Klingt das nicht erfrischend und dynamisch?

Selbstredend ging Angela Merkel nicht mit leeren Händen aus den Verhandlungen: Unsere europäischen Partner schenkten der Deutschen einen herrlichen Knallbonbon. Draußen steht groß „Pakt für den Euro“ drauf, etwas kleiner folgen allerhand strenge Verpflichtungen zu Sparsamkeit und so weiter für die klammen Euro-Länder. Jawohl, für ihre weiteren Milliarden haben die Deutschen eine Reihe von „vielversprechenden“ Zusagen bekommen! Viel zu versprechen fällt Politikern also nicht nur hierzulande recht leicht.

Wenn sich demnach Griechenland und Co. erdreisten sollten, ihre Zusagen zu Reformen und Sparsamkeit und so weiter nicht einzuhalten, dann ... ja, was dann eigentlich? Nichts eigentlich. Es sind keinerlei Sanktionen für Schuldensünder vorgesehen, die den „Pakt für den Euro“ nur dazu nutzen, um auf Kosten anderer Länder weiterzuschlampen. Überflüssig zu erwähnen, dass Angela Merkel die Beschlüsse des sogenannten Sondergipfels als glänzenden deutschen Erfolg verkauft hat. Bevor die Deutschen aufschreien konnten, brach in Japan die Hölle los.

Der Strudel des Entsetzens verschlang auch den Ärger über „E10“. Er versank so tief im  Hintergrund, dass sich der verantwortliche Urvater der verhassten Spritpansche, der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, heute in Sachen „Energiewende“ sogar wieder ganz nach vorn trommeln durfte.

Kaum einer konnte Fukushima bislang so erfolgreich für eigene Auftritte nutzen wie Trittin. Nur Renate Künast hat ihn noch übertroffen, als sie sich dramatisch ins Gewand der großen Mutter Erde warf und sprach: „Nicht wir herrschen über die Natur, die Natur herrscht über uns!“ So reden Hohepriesterinnen, die mit Mächten auf Du und Du sind, von denen wir kleinen Würstchen uns gar keine Vorstellung machen. Dabei nutzen sie ihre intimen Kenntnisse gern dazu, um die unabweisbaren Ratschlüsse der Herrscherin „Natur“ in ihrem eigenen Sinne zu interpretieren. Die Natur fordert also, dass wir unsere Akw dichtmachen. Bald will die Natur bestimmt auch, dass Renate Künast Regierende Bürgermeisterin von Berlin wird.

Dass die Natur bisweilen zu Streichen aufgelegt ist, davon kann Friedbert Pflüger ein Lied singen: Als Kofferträger von Richard von Weizsäcker wähnte er sich dem Licht der Macht schon ganz, ganz nahe. Statt aufzusteigen in den Olymp, irrlichterte er aber bloß 20 Jahre lang durch die zweiten Reihen der CDU, bis ihn der Berliner Landesverband 2008 vom Hof der Partei in den Wald des Vergessens jagte.

Dort sann er seitdem auf Rache. Nun ist die Stunde gekommen, sein Mütchen zu kühlen. Niedergestreckt vom japanischen Knall windet sich die Union unter der Laufzeitverlängerung. Da heißt es: Nachtreten! Also schreibt Pflüger im „Spiegel“, wie seine Partei die „Gefahren der Kernkraft verharmlost“ hat. Ach, man muss gar nicht Hohepriesterin sein, um auf seine Kosten zu kommen. Auch ein Würstchen hat so seinen Spaß.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren