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26.03.11 / Sonderfall Magdeburg / Wahl in Sachsen-Anhalt lässt keinerlei Rückschlüsse für kommende Landtagswahlen zu – Ausnahme FDP

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-11 vom 26. März 2011

Sonderfall Magdeburg
Wahl in Sachsen-Anhalt lässt keinerlei Rückschlüsse für kommende Landtagswahlen zu – Ausnahme FDP

Da die schwarz-rote Regierung in Sachsen-Anhalt unter dem aus Altersgründen aus der Politik ausscheidenden Wolfgang Böhmer durchaus Erfolge zu verzeichnen hatte, wählten die Landeskinder gezielt überwiegend wieder die Große Koalition und nicht einzelne Parteien.

Der ruhige, präsidiale Stil, mit dem Ministerpräsident Wolfgang Böhmer Sachsen-Anhalt neun Jahre geführt hat, ist bei seinen Landeskindern offenbar angekommen: Seine CDU konnte sich behaupten, die Linke nicht weiter zulegen und Böhmers Große Koalition kann unter seinem designierten Nachfolger Reiner Haseloff fortgesetzt werden. In Zeiten größter Verunsicherung, welche Union und FDP nach dem Atomunfall von Japan durcheinanderwirbelt, ist das Ergebnis von Magdeburg für die CDU ein kleiner Erfolg. Ganz anders für die FDP: Die Liberalen hatten sich zuvor den Wiedereinzug in die hamburgische Bürgerschaft als Ende der Durststrecke schöngeredet. Das war von Anfang an falsch. Nun kam mit dem Rauswurf aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt die Bestätigung.

In Hamburg hatten den Liberalen alle Voraussetzungen für einen glänzenden Erfolg zu Füßen gelegen: Die Alster-CDU hatte sich in den Augen ihrer Stammwähler zum Preis der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene die Seele herausgerissen. Schon mit der Niederlage bei der Volksabstimmung zur schwarz-grünen Schulreform war die Spaltung zwischen der CDU und ihrer Kernwählerschaft offensichtlich. Am Wahlabend des 20. Februar wurde die Hamburger CDU glatt halbiert. Nie war eine Volkspartei so heftig abgestraft worden.

Hier lag für die FDP ein riesiges Potenzial. Statt es in Stimmen umzusetzen, krochen die Liberalen bloß um magere zwei Prozentpunkte nach oben. Vor diesem Hintergrund von einem Sieg zu sprechen, wie es die Berliner FDP-Spitze damals tat, war entweder eine Zwecklüge oder eine grobe Fehleinschätzung der Lage.

Nach Magdeburg gibt es nichts mehr fehleinzuschätzen oder schönzulügen: Die Liberalen, das belegen auch die bei mageren fünf bis sechs Prozent verharrenden Umfragewerte auf Bundesebene, haben ihre Krise noch nicht ansatzweise überwunden. Was ihnen nach wie vor fehlt, ist ein zündendes Thema. Daher hilft ihnen auch die in bürgerlichen Kreisen durchaus anerkannte Arbeit einiger ihrer Protagonisten wenig, genannt sei vor allem Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle oder der 42-jährige FDP-Finanzexperte Frank Schäffler, der mit seinen fundierten und äußerst kritischen Aussagen zu den Euro-Rettungsschirmen weithin Zustimmung findet.

Wenig zu feiern hat auch die SPD. Sie hat fast sämtliche Ziele verfehlt: Von „stärkster Partei“ himmelweit entfernt, konnten die Sozialdemokraten nicht einmal die Linken hinter sich lassen. Nachdem sich SPD-Spitzenmann Jens Bullerjahn festgelegt hatte, eine rot-rote Koalition nur einzugehen, wenn die SPD der stärkere Partner ist und den Ministerpräsidenten stellt, hat ihm der Wähler diese Option verbaut. Innerparteilich wird die Frage zu klären sein, inwieweit das Liebäugeln mit den Dunkelroten die SPD Stimmen gekostet hat. Sachsen-Anhalt war das erste Bundesland, in dem sich ein SPD-Ministerpräsident von den SED-Erben hatte ins Amt heben lassen. Unter Reinhard Höppner musste sich von 1994 bis 2002 zunächst eine rot-grüne, dann eine SPD-Minderheitsregierung auf die Stimmen der Postkommunisten verlassen, um im Landtag eine Mehrheit zusammenzukriegen.

Gut bekommen ist das dem Land, das vor Krieg und Kommunismus zu den reichsten und höchst entwickelten in Deutschland gehörte, nicht: 2002 war Sachsen-Anhalt das wirtschaftliche Schlusslicht der Bundesländer. Zurückgefallen sogar hinter Mecklenburg-Vorpommern, das es mit seiner Randlage, seiner traditionell schwachen industriellen Basis und der einseitig agrarischen Ausrichtung im Grunde weit schwerer hatte, ökonomisch fußzufassen.

Seit dem Wechsel zu Wolfgang Böhmer vor neun Jahren holte Sachsen-Anhalt langsam, aber beständig auf. Zuletzt vermeldete das Land sogar einen leichten Wanderungsüberschuss, eine kleine Sensation nach zwei Jahrzehnten der Auszehrung durch Abwanderung. Es darf daher kaum wundern, dass die Sachsen-Anhalter in ihrer großen Mehrheit keine SED-Erben mehr in der Nähe der Macht in Magdeburg sehen wollten. Wie Umfragen ergeben haben, genießt gerade die Konstellation einer Großen Koalition mit 62 Prozent Zustimmung mehr Rückhalt in der Wählerschaft als CDU und SPD den Stimmen nach zusammengenommen. Ein erstaunlicher Befund, den Demoskopen nach eigenen Worten noch nie gesehen haben.

Für die Grünen ist der Wiedereinzug in den Landtag nach 13 Jahren unter fünf Prozent ein stolzer Erfolg, wobei nach der erdrückenden Nachrichtenflut aus Japan und den hilflosen Reaktionen der Bundesregierung manche wohl mit noch mehr gerechnet haben.

Mehr erhofft hatte sich nicht zuletzt auch die NPD. Die Ultranationalisten sind nicht im Landtag, was auch der besseren Wahlbeteiligung geschuldet ist. Vor allem aber dürfte den rechten wie den linken Rand getroffen haben, dass die große Mehrheit eine Fortsetzung der von Wolfgang Böhmer geschmiedeten Großen Koalition wünschte.

Für die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz lassen sich aus Magdeburg kaum Vorhersagen ableiten. Nur so viel, dass alle Beteiligten guten Grund haben, bis zur letzten Minute zu zittern. Je weniger die Deutschen als Stammwähler stabil bestimmten Parteien zuneigen, desto weniger lässt sich ihr Verhalten im Vorwege ausdeuten.                           Hans Heckel


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