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26.03.11 / Vorsprung der Putin-Partei geschrumpft / Neben »Einiges Russland« gelang noch drei weiteren Parteien der Sprung in die Königsberger Gebietsduma

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-11 vom 26. März 2011

Vorsprung der Putin-Partei geschrumpft
Neben »Einiges Russland« gelang noch drei weiteren Parteien der Sprung in die Königsberger Gebietsduma

Am 13. März fanden in 19 russischen Regionen Parlamentswahlen statt. Auch auf Gebiets- und Kreisebene im Königsberger Gebiet wurde gewählt. Das Ergebnis fiel nicht überraschend aus, aber der Wahlkampf war nicht frei von Phantasie.

Der Wahlkampf verlief diesmal eher zurückhaltend. Offiziell hatte er zwar einen Monat vor dem Wahltag begonnen, aber selbst Anfang März erinnerte kaum etwas an eine bevorstehende Wahl. Erst zwei Wochen vor dem Stichtag begannen die Parteien, Zeitungen und Flugblätter zu verteilen, wurden erste Plakate aufgehängt, lief im Fernsehen Wahlwerbung. Die Partei „Patrioten Russlands“ machte durch eine extravagante Aktion auf sich aufmerksam. Hoch zu Pferde ritten Parteiangehörige mit Flaggen durch die Straßen Königsbergs und sorgten so für Aufsehen.

Bei den Kreisen mit nur einem Direktkandidaten (etwa die Hälfte der Sitze in der Gebietsduma und alle Sitze in den Stadträten werden nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben) hat sich nicht viel verändert. Die Direktkandidaten, die von keiner Partei zur Wahl aufgestellt wurden, hatten gar keine Werbung gemacht. Statt dessen wandten viele von ihnen eine andere Praxis an – sie bestachen Wähler. Dieses Mal wurden der Wahlkommission besonders viele Fälle von Bestechungsversuchen gemeldet. Es gab Kandidaten, die zwischen 500 und 1500 Rubel (zwischen zwölf und 37 Euro) für eine Stimme boten. Die Bestechung erfolgt so: Der Bestochene erhält einen Scheinvertrag über die Mitarbeit beim Wahlkampf und bekommt dafür Bares ausgezahlt. Es ist nicht bekannt, wie viele Wähler gekauft wurden, Fakt ist aber, dass es Kreise gibt, in denen Kandidaten gewählt wurden, über die kaum jemand etwas wusste außer seinem Familiennamen. Gleichzeitig verbuchten bekannte und beliebte Politiker enorme Stimmenverluste. Gouverneur Nikolaj Zukanow riet den Wählern noch am Vorabend des Wahltags, das Bestechungsgeld ruhig anzunehmen, auf dem Wahlzettel aber trotzdem anders anzukreuzen.

Die örtliche Partei „Einiges Russland“ wollte 50 Prozent der Stimmen erreichen, denn bei der letzten Wahl 2006 hatte sie das schlechteste Ergebnis im Vergleich zu den Regionen Russlands, in denen auch gewählt wurde, erzielt. Wohl deshalb betrieb die Partei den diesjährigen Wahlkampf mit dem größten Aufwand. Um ihn zu koordinieren, war der Abgeordnete Alexander Hinstein von der Staatsduma ins Gebiet gereist. Das Ergebnis war zufriedenstellend: „Einiges Russland“ erreichte 40,78 Prozent, und mit den 15 Direktkandidaten, die in ihren Kreisen auch gesiegt hatten, kommen sie auf 24 Sitze in der Gebietsduma (zuletzt hatten sie 28 Sitze). Den zweiten Platz erreichte die Kommunistische Partei mit 21,4 Prozent der Stimmen, damit haben sie fünf Sitze. Die Liberaldemokratische Partei erreichte mit 12,58 Prozent den dritten Platz und drei Sitze in der Duma, „Gerechtes Russland“ kam auf 10,09 Prozent und ebenfalls drei Duma-Sitze. Die „Patrioten Russlands“ erreichten 8,49 Prozent, womit sie wahrscheinlich noch mit einem Sitz vertreten sein dürften. 4,22 Prozent der Wahlzettel wurden für ungültig erklärt. Im Gebietsparlament werden also vier Parteien vertreten sein.

Für die Kommunisten ist es das beste Ergebnis seit 20 Jahren. In den meisten städtischen Wahllokalen zogen sie sogar an „Einiges Russland“ vorbei und lagen dort vorn. Die Kommunisten können das als großen Erfolg verbuchen, da sie sich zum Beispiel in Königsberg so gut wie gar nicht am Wahlkampf beteiligt hatten. In der Pregelmetropole wie auch anderen Städten des Gebiets gab es weder Plakate oder Transparente noch anderes Werbematerial für die Kommunistische Partei. Auch in der Presse und im Fernsehen hatten sie sich auf kostenlose Werbung beschränkt, die laut Gesetz jeder Partei zur Verfügung steht. Lediglich die Zeitung „Iskra“, die von Zeit zu Zeit in den Briefkästen zu finden war, enthielt Wahlwerbung. Möglicherweise hätte die Partei noch mehr Stimmen auf sich vereinigen können, wenn sie aktiven Wahlkampf betrieben hätte.

Anders die Partei „Gerechtes Russland“, die in letzter Zeit im Königsberger Gebiet schon fast in Vergessenheit geraten war. Sie hat sehr aktiv Werbung gemacht. Fast an jeder Straßenecke waren Wahlkämpfer anzutreffen, die Zeitungen und Kalender verteilten. Auch die Streuwerbung in den Briefkästen wurde erstaunlich schnell wiederholt. Die Mühe hat sich ausgezahlt, die Partei ist mit drei Mandaten in der Duma vertreten.

Die Aktivitäten der „Liberaldemokratischen Partei“ sind in Ostpreußen fast nicht spürbar. Ihr Ergebnis hat sie ausschließlich der Popularität ihres Parteichefs Wladimir Schirinowski zu verdanken. Ein paar Tage vor der Wahl hatte er Königsberg einen Kurzbesuch abgestattet. War es wegen seines Besuchs oder aufgrund von Protestströmungen, jedenfalls konnten die Liberaldemokraten einen zusätzlichen Sitz in der Gebietsduma verbuchen. Jedoch konnte keiner ihrer Einzelkandidaten in den Kreisen gewinnen. Die „Patrioten Russlands“ wiederholten ihr Ergebnis der letzten Wahl.

Am selben Tag wurde auch der Königsberger Kreistag gewählt, doch darüber gibt es nicht viel zu berichten, denn von 27 Sitzen erreichte „Einiges Russland“ 24. Fast alle der Abgeordneten kommen aus dem Baugewerbe oder sind eng mit ihm verbunden.

Die Wahlbeteiligung war bei dieser Wahl etwas höher als bei den vorausgegangenen. Darum war allgemein gekämpft worden. Um besonders junge Leute zur Teilnahme an der Wahl zu bewegen, erhielten alle, die zur Wahl kamen, Freikarten für ein Konzert bekannter Sänger und Musikgruppen, das unmittelbar nach dem Schließen der Wahllokale begann. Es fand im Stadion „Baltika“ statt und ging bis tief in die Nacht. Einige Bewohner der naheliegenden Wohnhäuser fühlten sich davon belästigt und riefen beim Wahlkomitee an, damit dieses die Veranstaltung beende. Jurij Tschernyschew


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