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02.04.11 / »Feigenblatt für 40 Jahre Feigheit« / Libyen-Angriff auch Reaktion eines in der Innenpolitik gescheiterten Präsidenten? Jürgen Todenhöfer übt Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-11 vom 02. April 2011

»Feigenblatt für 40 Jahre Feigheit«
Libyen-Angriff auch Reaktion eines in der Innenpolitik gescheiterten Präsidenten? Jürgen Todenhöfer übt Kritik

Die fürchterlichen Luftschläge der Nato haben vermutlich die Wende im Bürgerkrieg in Libyen gebracht. Die Aufständischen sind auf dem Vormarsch. Noch beherrscht Gaddafi mit seinen Milizen und Söldnern den Westen des Landes und die Hauptstadt Tripolis. Die wichtigsten Ölhäfen an der Küste sind aber unter Kontrolle der Gaddafi-Gegner.

Welche einflussreichen Kräfte die Steuerung der Aufständischen in Libyen betreiben, ist noch nicht offenkundig. Es gibt ernstzunehmende Hinweise, dass Geheimdienste von mindesten drei Nato-Staaten involviert sind. Mitte Februar brach der Bürgerkrieg im Wüstenstaat aus, infolge der unblutigen Revolutionen in Ägypten und Tunesien. Der Despot Muammar al-Gaddafi machte nach wenigen Tagen hinreichend deutlich, dass er Massendemonstrationen gewaltsam beenden werde. Die demonstrierenden Aufständischen hielten stand und forderten Gaddafis Absetzung. Sie bewaffneten sich, woher die Waffen kamen, ist nicht bekannt. Vereinzelte Einheiten der Staatsmacht wechselten die Seite hin zu den Aufständischen. Große Teile im Osten Libyens wurden nach kurzer Zeit von der Anti-Gaddafi-Bewegung kontrolliert.

Nun setzte Gaddafi seine gesamte militärische Macht einschließlich angeworbener Söldner ein, um den Aufstand niederzuschlagen. Mit der Luftüberlegenheit der Staatsmacht wäre die Realisierung dieses Zieles – nach welcher Zeit auch immer – eingetreten. Der Westen beschloss Wirtschaftssanktionen. Libyens Auslandskonten wurden gesperrt. Rasch kam von Frankreich, Großbritannien und der Arabischen Liga die Forderung, über Libyen eine Flugverbotszone durchzusetzen. Amerika zögerte, Deutschland riet ab. Die Nato schloss sich mehrheitlich der Forderung an, wenn der Uno-Weltsicherheitsrat ein Mandat dazu erteilen würde. Dieser diskutierte einige Tage und beschloss dann, eine Flugverbotszone über Libyen mit Gewalt einzurichten. Begründung: Man müsse Gaddafi hindern, mit seiner Luftwaffe große Teile seines Volkes bombend zu ermorden.

Die großen Nato-Staaten berieten am 19. März in Paris, wie man mit welchen Mitteln das Flugverbot über dem Lande durch Zerstörung der libyschen Luftwaffe und Luftabwehr durchsetzen könne. Noch vor Beendigung der Beratung preschte Frankreich vor und eröffnete mit modernen Kampfjets die Bombardierung Libyens. Die USA und England zogen wenige Stunden später nach. Innerhalb von zwei Tagen war die Staatsmacht Libyens nicht mehr in der Lage, mit der eigenen Luftwaffe in den Bürgerkrieg einzugreifen. Die Flugplätze waren zerstört, soweit sie nicht im Bereich des Rebellengebiets waren, und/oder die Kampfflugzeuge vernichtet.

Obwohl durch das Mandat des Weltsicherheitsrates nicht gedeckt, griffen nun die beteiligten Staaten mit ihrer Luftwaffe in die Erdkämpfe zugunsten der Aufständischen ein. Ein Propagandafeldzug gegen den „Schlächter“ Gaddafi ging damit einher. Nach tagelangem Gezänk innerhalb der Nato einigte man sich, dass die weitere Fortführung des Luftkampfes gegen Libyen ab 28. März vom Bündnis organisiert und durchgeführt wird. Ein eindeutiger Missbrauch der Nato. Sie ist ein Verteidigungsbündnis. Libyen hat keinen Nato-Staat angegriffen.

Die angerichteten Schäden sind verheerend, kaum weniger schlimm werden die psychologischen Spätfolgen sein. Das Eingreifen des Westens in den Libyenkonflikt erzeugt Hass in der islamischen Welt. Mit den verlogenen Argumenten „Humanität“ sowie „Freiheit und Demokratie“ wird die Infrastruktur Libyens zerstört. Wo war der Westen beim Bürgerkrieg (Völkermord) in Ruanda und Darfur?

Jürgen Todenhöfer, langjähriges Mitglied des Bundestages für die CDU, schreibt in der „FAZ“ vom 23. März: „Die Eskalation des Konflikts durch den Vormarsch der Truppen Gaddafis und die militärische Intervention der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs ist eine tragische Niederlage der westlichen Politik. Keiner der vielen europäischen Politiker, die jahrelang engen Kontakt zu Gaddafi pflegten, hat ernsthaft versucht, eine politische Lösung ähnlich wie in Ägypten zu finden. Die Bombenangriffe unterstreichen dieses Versagen der Politik. Sie sind ein Feigenblatt, um 40 Jahre Feigheit vor einem psychopathischen Tyrannen zu verbergen. Das die Luftangriffe ausgerechnet von jenen Staaten durchgeführt werden, die als Kolonial- und Postkolonialmächte mehr als 100 Jahre die Freiheit der arabischen Völker unterdrückt haben, macht den politischen Bankrott noch tragischer.“

Die besondere Rolle Frankreichs bei dem Konflikt muss hervorgehoben werden. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy steht innenpolitisch unter Druck. Seine Abwahl im nächsten Jahr gilt als wahrscheinlich. Es ist eine gesicherte Tatsache, dass in der Innenpolitik gescheiterte Politiker Erfolge in der Außenpolitik suchen. Sarkozy hat durch bemerkenswerte Aktivität das Eingreifen des Westens in Libyen initiiert. Er beanspruchte beim Feldzug die Rolle des Führers und wehrte sich bis zum 28. März, die Führung der Nato zu übertragen. Es ist erst drei Jahre her, dass Sarkozy Gaddafi mit allen Ehren in Paris empfing und Frankreich mit Libyen milliardenschwere Verträge vereinbarte, einschließlich der Lieferung moderner Militärtechnik. Libyen wollte mit Öl und Gas bezahlen. (Siehe auch Kommentar Seite 8.)

Wilhelm v. Gottberg


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