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02.04.11 / Barrierefreier Trolleybus eingeführt / Doch viele Probleme alter und behinderter Königsberger bleiben bestehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-11 vom 02. April 2011

Barrierefreier Trolleybus eingeführt
Doch viele Probleme alter und behinderter Königsberger bleiben bestehen

Auf Königsbergs Straßen verkehrt auf der Linie Nr. 7 ein ungewöhnlicher Trolleybus. Es ist das erste öffentliche Verkehrsmittel mit senioren- und behindertengerechter Ausstattung.

Der neue Trolleybus wird im Volksmund „Schmied“ genannt. Er wurde in der weißrussischen Fabrik „Belkommunmasch“ hergestellt. Der 8,6 Millionen Rubel (rund 125000 Euro) teure Bus ist mit einer Auffahrrampe ausgestattet, die Rollstuhlfahrern die Fahrt in dem öffentlichen Verkehrsmittel erleichtern soll. Allerdings funktioniert die Rampe nicht vollautomatisch, das heißt, der Fahrer muss bei jeder Benutzung die Rampe persönlich ausfahren und wieder einklappen.

Der Bus ist in der Lage, zirka 500 Meter im Akkubetrieb zu fahren. Das ist besonders praktisch beim Umfahren von Hindernissen auf der Strecke, wenn der Kontakt zur Oberleitung einmal verloren gehen sollte. Bürgermeister Alex­ander Jaroschuk hat angekündigt, weitere zehn dieser Busse mit Sonderausstattung anzuschaffen, falls sich der erste bewähren sollte. Er stellte außerdem in Aussicht, dass die Stadtverwaltung die Fuhrunternehmer in Zukunft dazu anhalten werde, wie schon jetzt in Ausschreibungen, mindestens zehn Prozent ihres Fuhrparks behindertengerecht auszustatten. Die Stadtverwaltung will insgesamt den öffentlichen Nahverkehr den Bedürfnissen von Behinderten anpassen.

Im Rahmen des Programms „Erhöhung der Verkehrssicherheit 2009 bis 2012“ wurden in den vergangenen zwei Jahren bereits zehn Fußgängerampelanlagen mit Signaltönen für Sehbehinderte ausgestattet.

Doch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ist nur eines der Alltagsprobleme für Menschen mit Behinderungen. Denn Invaliden sind vom aktiven Leben praktisch ausgeschlossen. In Königsberg leben heute zirka 40000 Menschen mit Einschränkungen, also jeder zehnte Bürger. Sie leben auf 500 Häuser der Stadt verteilt. Nur 34 von ihnen sind mit Rampen und Geländern versehen, 142 verfügen über Aufzüge. Die meisten sind jedoch so eng, dass kein Rollstuhl hineinpasst. Das führt dazu, dass die Mehrheit der Rollstuhlfahrer in ihren eigenen vier Wänden eingesperrt lebt und nicht einmal den Weg zur Bushaltestelle schafft. Das ist der Grund, weshalb auf den Königsberger Straßen auch keine Menschen mit Rollstühlen zu sehen sind.

Selbst Krankenhäuser verfügen meist nicht über die notwendige Ausstattung, oft nicht einmal über Aufzüge. Es gibt noch großen Nachholbedarf bei der Schaffung behindertengerechter Zugänge, nicht nur zu sozialen Einrichtungen, sondern auch zu Geschäften. Auch bei den Bordsteinen, die in Russland sehr hoch sind und schon Gesunden leicht zur Stolperfalle geraten können, wurde bisher nicht daran gedacht, sie für Rollstühle oder Kinderwagen abzusenken.

So wundert es nicht, dass der neue Trolleybus halbleer seine Route abfährt und Invaliden darin nicht zu sehen sind.

Jurij Tschernyschew


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