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09.04.11 / Köpfe statt Inhalte / Die FDP muss sich erneuern –Aktuelle Debatte lässt bezweifeln, dass die Partei ihr Problem erkannt hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-11 vom 09. April 2011

Köpfe statt Inhalte
Die FDP muss sich erneuern –Aktuelle Debatte lässt bezweifeln, dass die Partei ihr Problem erkannt hat

Zwar liegt es auch an der Person Guido Westerwelle, dass den Liberalen die Wähler weglaufen, doch viele, die der Partei bei der letzten Bundestagswahl ihre Stimme gaben, taten es schon damals trotz Westerwelle, weil sie sich von der Partei die Vertretung bürgerlicher Werte versprachen. Doch von diesen ist bei der jetzige Personaldebatte kaum die Rede.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle ist gestürzt. Von einem „geordneten Rückzug“ kann keine Rede sein. Während Westerwelle in London, Peking und Tokio weilte, rückte die FDP in der letzten Woche nahezu geschlossen von ihrem Parteichef ab.

Versteinert schien Westerwelle schon am vorletzten Montag, als er die Wahlniederlagen seiner Partei im Südwesten erklären musste. Keiner der Landeschefs wollte sich mehr an seiner Seite zeigen. Obwohl er die schicksalhaften Wahltermine seit langer Zeit kannte, machte er sich dennoch, fast trotzig, auf die Tour um die halbe Welt. Bei seiner Rückkehr musste er feststellen, dass seine Wiederwahl als Parteichef ins Reich der Utopie gerückt war. Aus keinem der FDP-Landesverbände gab es positive Signale.

Sein „Rückzug“ ist daher in Wirklichkeit ein veritabler Sturz, der noch nicht abgeschlossen ist. Die Vizekanzlerschaft hat er ebenfalls schon aus der Hand gegeben. Außenminister will Westerwelle bleiben. Doch auch das ist wenig wahrscheinlich, da sein negatives Image als Außenminister der FDP bisher nachhaltig geschadet hat.

In seiner Erklärung vom Sonntag nennt Westerwelle den „Generationenwechsel“ als Hauptgrund für seinen Rückzug von der Parteispitze. Der erst 49-Jährige vermied damit Worte zur persönlichen Verantwortung für die Wahlniederlagen und das verheerende Image der Partei, das eng mit seiner Person verknüpft ist. Er sei „verbrannt“ und verkörpere den „Igitt-Faktor“ hieß es wenig schmeichelhaft aus der FDP. 65 Prozent der Bürger nannten den Vizekanzler in einer Forsa-Umfrage des „Handelsblatts“ als Hauptschuldigen des FDP-De-sasters. Treu an seiner Seite blieb beim Rücktritt nur sein „Ehemann“ Michael Mronz.

Zum zukünftigen Personal der Partei schießen die Spekulationen ins Kraut. Schon früh kristallisierte sich aber Gesundheitsminister Philipp Rösler als neuer Parteichef heraus. Er blieb in den vergangenen Tagen vorsichtig im Hintergrund und soll der Partei ein neues sympathisches Gesicht geben. Die anderen beiden „Westerwelle-Boys“, NRW-Parteichef Daniel Bahr und Generalsekretär Christian Lindner, werden wohl ebenfalls am Macht- und Generationenwechsel beteiligt werden.

Ein wichtiger Posten wird dem erst 32-jährigen Christian Lindner zugetraut. Durch sein vorschnelles Eintreten für einen schnellen Atomausstieg hat er aber an Einfluss bei den Wirtschaftsliberalen verloren. Dennoch werden ihm Chancen auf den Vorsitz der Bundestagsfraktion eingeräumt. Er soll das Parteiprofil von dieser Position aus wieder schärfen. Die bisherige Fraktionsvorsitzende, Birgit Homburger, steht seit Monaten in der Kritik und ist durch die Wahlniederlage in ihrem Heimatland Baden-Württemberg beschädigt. Eine Diskussion um ihren Posten und ihre Person wird wohl bald folgen.

Wie die inhaltliche Glaubwürdigkeit der Partei wiedergewonnen werden kann, wagt bisher keiner der Nachwuchskräfte der FDP zu formulieren. Auch die Bundestagsfraktion ist hier gefragt und muss versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Doch genau an diesem Punkt befindet sich die Partei sozusagen zwischen Skylla und Charybdis. Die beiden Felsen aus der griechischen Mythologie, die sich so bedrohlich aufeinander zu bewegen, heißen bei der FDP „Inhalt“ und „Person“. Westerwelle war bisher das Gesicht der FDP. Wie kein anderer stand er für Steuersenkungsversprechen. Rainer Brüderle diente dem wirtschaftsliberalen Flügel, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Vertreterin der liberalen Bürgerrechte. Doch genau diese drei gelten wegen ihrer schlechten Regierungsarbeit als Verantwortliche für den dramatischen Verlust bei den Wählern.

Ein Ausweg ist nicht in Sicht, denn alle drei wollen an ihren Ministerämtern festhalten. Wie die junge Garde um  Lindner als Chef der Programmkommission hier neue inhaltliche Akzente setzen soll, erscheint als unlösbares Unterfangen. Brüderle als Mitglied des wirtschaftsliberalen „Schaumburger Kreises“, dem 40 der 93 Bundestagsabgeordneten angehören, hat hier eine sichere Machtbasis. „Deutschland braucht keine fünfte sozialdemokratische Partei“, meint der Wirtschaftsminister und positioniert sich gegen Lindners Atomvorstoß.

Ob es der Partei gelingt, die Themen, die den liberal gesinnten Bürgern auf den Nägeln brennen, tatsächlich in konkrete Politik umzusetzen, bleibt derzeit offen. Dabei liegen diese Themen sozusagen auf der Straße: der schnelle Atomausstieg und das Moratorium, das schon jetzt Stromlieferungen aus französischen und tschechischen Atommeilern erfordert; die Sanierung der Staatsfinanzen und ein Stoppsignal bei der teuren Eurorettung; das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht von Bürgern und ganzen Ländern wie im Fall Libyens. Darauf warten unzufriedene FDP-Wähler zuhauf.         Hinrich E. Bues


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