24.04.2024

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09.04.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-11 vom 09. April 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           
liebe Familienfreunde,

„Bei Busfahrten in meine ostpreußische Heimat ist mir wiederholt aufgefallen, dass Landsleute, die vor 1944 in Ostpreußen geboren und Enkelkinder von ehemaligen Grundstücksbesitzern vergeblich versucht haben, ihre Grundstücke zu finden“, schreibt Herr Heinrich Albers von der Insel Fehmarn. Er stammt aus Ebenrode (Stallupönen), also aus dem östlichen Teil Ostpreußens, der besonders stark durch die Kriegshandlungen und russischen Vernichtungskampagnen betroffen wurde. Und er belegt das auch mit Zahlen: Allein in diesem Kreis sind von 168 Hauptorten nur noch 31 vorhanden. 137 Dörfer wurden von den Russen einschließlich Wegen, Häusern und auch Friedhöfen in den 50er Jahren zur Anlegung von Kolchosen eingeebnet. Mit einem Teil der brauchbaren Materialien wurden an anderen Stellen neue Gebäude errichtet. Wer in solch einem ausgelöschten Dorf nach seinem Stammgrundstück sucht, steht ratlos da. Aber nicht hilflos. Denn Herr Albers kann mit eigenen Beispielen beweisen, dass es durchaus möglich ist, mit Hilfe von Satellitten-Navigationsgeräten, die Längen- und Breitenkoordinaten mit einer Genauigkeit von zwei bis drei Meter angeben, jedes gesuchte Grundstück in Ostpreußen einzumessen. Er hat bereits mit der Anfertigung der Koordinatenpläne für seinen Heimatort, das Kirchspiel Birkenmühle (Mehlkehmen) mit rund 30 Ortschaften begonnen und legt uns solch ein Kartenbeispiel vor.

Das hört sich nicht sehr kompliziert an und ist es für technisch Versierte wohl auch nicht, aber ich musste doch mehrere Male seine Anweisungen lesen, die zwar sehr präzise gehalten sind, aber mich doch überfordern. Das wird vielen älteren Leserinnen und Lesern so gehen, denen schon das Navigations-Gerät im Auto Rätsel aufgibt. Trotzdem nehme ich das Angebot von Herrn Albers gerne an, seine Anregungen unserer Leserschaft zu übermitteln, denn sie könnten für einige Landsleute und vor allem für deren Nachkommen hilfreich sein. Wir bringen, um Fehler oder Unstimmigkeiten zu vermeiden, seine Ausführungen im Wortlaut. Herr Albers gibt diese präzise und punktgenau:

„Voraussetzung für das Navigieren ist ähnlich wie in der Seefahrt eine Karte (Ortsplan) mit Koordinaten. Da es diese Pläne nicht fertig gibt, sicher auch nicht in Russland, müssen sie angefertigt werden. Dafür sind keine Ortskenntnisse erforderlich. Jeder technische Zeichner kann nach kurzer Einweisung und nach der ausführlichen Gebrauchsanweisung derartige Karten zeichnen. Geeignete Grundkarten gibt es – bis auf wenige Ausnahmen – im Fachhandel von ganz Ostpreußen. Stand 1938/39. Da die Anfertigung dieser Pläne sehr zeitaufwendig ist, lohnt es sich immer nur für eine Ortsgemeinschaft. Selbstkostenpreis je nach Aufwand für eine Ortschaft zwischen 30,00 und 70,00 Euro. Durch Vergrößerung, Kopieren und Übertragungsarbeiten leidet natürlich die Genauigkeit des Kartenmaterials, so dass eine geschätzte Abweichung vom gesuchten Ort zwischen 15,00 bis 20,00 Meter möglich ist.“

Für die Navigation vor Ort werden keine Grundkenntnisse vorausgesetzt. Praktisch sei nicht mehr Wissen nötig, als in der Grundschule vermittelt wird, meint Herr Albers. Navigationsgeräte (Navi) gebe es im Handel schon ab 70 Euro. Auch einige Digitalkameras seien mit GPS ausgerüstet. Außer Navi und Karten würden noch als weitere Hilfsmittel benötigt: ein Geodreieck, ein spitzer Bleistift, Radiergummi, Stechzirkel, ein einfacher Kompass, ein zirka 30 Zentimeter langes Lineal und eine feste Schreibunterlage. Herr Albers hat eine Gebrauchsanweisung für die Satelliten-Navigation vor Ort erarbeitet. Er selber kann alters- und zeitbedingt und auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für ganz Nordostpreußen derartige Pläne erstellen, höchstens ist dies für einige Orte aus dem Kreis Ebenrode möglich. Herr Albers hofft aber, dass es unter unseren Nachfahren interessierte Frauen und Männer gibt, die in der Lage sind, derartige Pläne zu zeichnen und sich für die Sache zu begeistern. Als Kartenbeispiel legt er die Einmessung eines ehemaligen Bauernhofes in dem Dorf Schönbruch im Kirchspiel Birkenmühle vor, dessen Besitzer der Landwirt Bruno Janowski war. Wir danken Herrn Albers sehr für seine Ausführungen, die mit Sicherheit für alle Leser, die an der Erstellung von Dorf- und Familienchroniken interessiert sind, wertvolle Anweisungen enthalten, die auch zur Ergänzung von bereits vorhandenen Dokumentationen beitragen können (Heinrich Albers, Am Südersoll 25 in 23769 Fehmarn, Telefon 04371/2589, Fax 04371/8888901.)

Zu diesem sachlich-informativen Thema steht unser nächstes im Gegensatz, denn hier geht es um ein sehr diffiziles zwischenmenschliches Problem, eine Mutter-Sohn Beziehung, die einer Lösung bedarf – ob wir zu dieser beitragen können, ist allerdings mehr als fraglich. Da wir uns aber schon einmal dieses Falles angenommen hatten, der wohl zu Teilerfolgen führte, wollen wir es doch versuchen und der Bitte von Frau Susi Dahlke-von Terzi aus Ludwigsburg nachkommen. Und um eine Brücke zu dem Eingangsthema zu bauen, könnte man sagen, dass wir hier unsere Ostpreußische Familie als Navigationsmittel einsetzen, um zu orten, wo der von seiner Mutter gesuchte Sohn lebt. Dass er lebt, ist erwiesen. Sogar die Wohnanschrift ist registriert, darf aber aus Personenschutzgründen selbst an seine Mutter nicht weiter gegeben werden, weil der Mann anscheinend keine Verbindung zu seiner Familie haben möchte. Aber tragen wir das Anliegen von Frau Dahlke-von Terzi so vor, wie sie es in ihrem Schreiben formuliert hat:

„Seit vielen Jahren weiß ich nichts mehr von meinem Sohn Sven-Wulf. Er wurde 1956 in Stuttgart geboren, zog aus Berufsgründen in das Allgäu und dann nach München. Bei unserem letzten Zusammentreffen dort vor zehn Jahren ließ er mich wissen, dass er Kontakte zu der Int. Gospel Church hatte, die sich damals in der Neusser Straße 9 in einem ehemaligen Fabrikgebäude befand. Er nahm mich auch mit zu einem – sogenannten – Gottesdienst. Anschließend fragte er mich nach meinem Eindruck über das Gesehene, den ich ihm auch ungeschönt sagte. Seit dem Tag hörte ich nichts mehr von ihm. Meine Tochter Silke erhielt noch einmal eine Postkarte aus Jerusalem und später einen telefonischen Geburtstagsgruß auf dem Anrufbeantworter, jedoch ohne Angaben von Anschrift und Telefonnummer. Meine Tochter und ich versuchten immer wieder, seinen Adresse ausfindig zu machen, so auch über den Kirchlichen Suchdienst. Anfang dieses Jahres wurde mir mitgeteilt, dass sie seinen Aufenthaltsort herausbekommen hätten, mir aber diesen ohne seine Einwilligung nicht mitteilen dürften. Was ich nicht verstehen kann, da ich doch seine Mutter bin und zwischen uns nie ein böses Wort gefallen ist.“

Soweit die Mutter des heute 55-Jährigen, der sich in seiner eigenen Welt verschanzt hat und niemanden aus seiner Familie an sich heran lässt, denn er ruft auch bei seiner Schwester nicht mehr an. Frau Dahlke-von Terzi, die sich vor einigen Jahren einer Herzoperation unterziehen musste, leidet unter schlaflosen Nächten. Und gibt die Hoffnung nicht auf, noch einmal ihren Sohn wiedersehen zu können. Deshalb wendet sie sich an uns, was man auf den ersten Blick wohl kaum verstehen kann, denn wie sollte es unserer Ostpreußischen Familie gelingen, Sven-Wulf zu finden? Nun hatten wir, wie bereits erwähnt, schon einmal nach ihm gesucht. Tatsächlich erfolgte dann später ein Anruf bei seiner Schwester – ob unsere Veröffentlichung dazu beigetragen hat, kann ich nicht sagen, lässt aber hoffen. Da der Sohn lange Jahre Taxi in München gefahren ist – vielleicht auch heute noch –, hat er zu vielen Menschen Kontakt erhalten und ist vielleicht auch mit Ostpreußen ins Gespräch gekommen, denen er von seiner Autotour durch Ostpreußen, der Heimat seiner Mutter, berichtet hat. So meint Frau Dahlke-von Terzi, aber diese Vermutung erscheint mir nicht vielversprechend. Eher kann man da hoffen, dass Sven-Wulf aufgrund der Ostpreußenreise, die er mit einer befreundeten Familie unternahm, Verbindung zu Lesern unserer Zeitung erhielt. Ob es aber seiner Mutter, selbst wenn sie seine derzeitige Anschrift erhielte, gelingen würde, ihn aus dem selber gezogenen Kreidekreis zu holen, ist fraglich, er müsste es freiwillig tun. Falls aber der Sohn durch irgendwelchen Zufall diese Zeilen zu lesen bekommt oder von ihnen erfährt, möchte ich hoffen, dass er den Weg zu seiner Mutter findet. Denn nichts ist schlimmer als ein „Zu spät“. (Susi Dahlke-von Terzi, Siemensstraße 26 in 71636 Ludwigsburg.)

Gefunden haben sich durch unsere Ostpreußische Familie zwei Leserinnen, die weit voneinander entfernt leben, die eine in Deutschland, die andere in Amerika. Die heute in den USA wohnende Irmgard Christina Gilliland gehört zu unserem festen Familienstamm. Die aus Cranz stammende Ostpreußin meldet sich oft zu Wort und greift, wenn die PAZ kommt, zuerst zum Ostpreußenblatt und unserer Familienseite. So las sie auch, dass sich eine alte Bekannte aus ihrer Jugendzeit bei uns gemeldet und nach ihr gefragt hatte, sie hätte jahrzehntelang nichts von ihr gehört – so stand also eine Überraschung ins Haus, und die war es dann auch. Denn Frau Elisabeth Meier aus Gevelsdorf ist ebenfalls Ostpreußin, und sie hatte es nach der Flucht genau wie Irmgard an die Unterelbe verschlagen, wo die beiden jungen Mädchen bei einer Bekleidungsfirma lernten. „Es war eine ereignisreiche Zeit“, schreibt Irmgard Gilliland und dreht ihre Lebensuhr um 60 Jahre zurück. Damals hieß sie Irmgard Pomper, und ihre aus Cranz stammenden Eltern hatten sich nach Flucht und Kriegs­ende ein Haus in Cadenberge gebaut. Die Tochter hatte ihre Schulzeit in Hamburg abgebrochen, weil im Kaufhaus Langner in Cadenberge eine Lehrstelle frei war, und solche Ausbildungsplätze waren damals nicht leicht zu bekommen. Auch Elisabeth Wischniewski, die es in ein Dorf bei Cadenberge verschlagen hatte, war froh, dass sie dort arbeiten konnte, denn die Familie Langner betrieb nicht nur das Kaufhaus, sondern auch einen Großhandel. Bei der Ela-Bekleidung waren über 200 Mitarbeiter tätig, die Mäntel aus Militär-Decken fertigten. Irmgard war vorwiegend in der Buchhaltung beschäftigt und sehr an einer Weiterbildung interessiert, die ihr die Business/Tech/Trade School im Cadenberger Gutspark bot. Sie hängte nach der Lehrzeit noch ein halbes Jahr an, um mehr über Unternehmensführung zu lernen. Es war eine ereignisreiche Zeit, und Irmgard ergriff alle Möglichkeiten, die sich ihr boten. Auf sportlichem Gebiet war es vor allem die Gymnastik, die sie nicht nur zu Meisterschaften in Bremerhaven führte, sondern auch nach England zum Summercamp. Es entstanden internationale Freundschaften wie die mit Rita Singleton von der kleinen Insel Cawsand bei Plymouth, die Irmgard später in Deutschland besuchte und die – einen Cadenberger heiratete! Diese Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen hat Irmgard dann auch nach Amerika geführt, wo sie sich in Texas ihren Lebens- und Wirkungskreis schuf, der Heimat aber immer verbunden blieb. Nun wird zu den vielen auch sichtbaren Erinnerungen in ihrem Haus in Dallas wohl das alte Foto vom Kaufhaus Langner aus Cadenberge hinzukommen, das Elisabeth Meier ihr zusandte. „Unsere Wege trennten sich damals“, schrieb Frau Meier bei ihrer Anfrage. Und nun haben sie sich wiedergefunden dank unserer Ostpreußischen Familie.

Wenn ich hier etwas ausführlicher auf diese Lebensstationen einer Ostpreußin in der Nachkriegszeit eingegangen bin, erfülle ich damit den Wunsch eines Lesers, auch die Schicksale der Vertriebenen nach Flucht und Kriegsende zu schildern. Was ja nicht ganz einfach ist, weil die Zuschriften immer vielfältiger werden, wie ja auch unsere heutige Kolumne beweist. Nur drei Themen – aber welche Spannbreite!

Eure Ruth Geede


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