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09.04.11 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-11 vom 09. April 2011

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Geplatzte Seifenblasen / Der unglaubliche Guido patzt / Warum nicht alle im Boot rudern / Vorbereitungskurs für die Steinzeit

Für den Bundesaußenminister reicht es noch? Aber nicht für den Vorsitz einer Partei, die bundesweit gerade mal auf 72000 Mitglieder kommt? Diese Differenzierung zwischen Voraussetzungen und Ansprüchen gibt Rätsel auf. Doch Anspruch und Wirklichkeit trennen bei der Partei der Freien Demokraten seit einiger Zeit Welten, warum also nicht auch bei der Frage, weshalb für ein höchstes Staatsamt gut ist, wer für die Partei nicht taugt.

Sein oder Schein, das ist hier die Frage. Schon länger ist sie das. Auch jetzt, wenn es darum geht, wer diese Partei künftig zu neuen anspruchsvollen Höhenflügen führen soll, nachdem der Überflieger Westerwelle die Reißleine ziehen musste. Sanfter wird sein Abflug dadurch nicht.

Und nun? Nun kommt ein anderer, der alles anders und besser machen wird. Und der sich bewähren kann, wenn er so schöne schillernde Seifenblasen fabriziert, wie es einst Guido Westerwelle vorgemacht hat.

Bei Seifenblasen, das weiß man schließlich, kommt es überhaupt nicht auf den Inhalt an, Seifenblasen haben keinen. Wichtig ist allein die blinkende Hülle, damit kann man mächtig Eindruck schinden. So viel, dass es offenbar noch für einen netten Posten als Außenminister der Bundesrepublik ausreicht. Soviel Abfederung des Absturzes wird man doch wohl noch erwarten dürfen nach all den aufopferungsvollen Jahren am großen Gebläse der Seifenblasenfabrikation.

Diese hohe Kunst der Schaumschlägerei sollte ersteinmal einer Guido Westerwelle nachmachen. Einen wie ihn, den finden sie alsbald nicht mehr, das wissen die jungen Freien Radikalen. Von Guidos Boys wollte darum keiner den Dolch zücken. Jeder duckte sich weg, als in den Medien die Namen möglicher Nachfolger Westerwelles längst munter gewürfelt wurden. Rösler? Lindner? Bahr? Einer wie der andere. Leutheusser-Schnarrenberger? Immerhin kein Geschöpf des Guido. Letztendlich aber geht es immer nur um Namen, keinesfalls um unterscheidbare Standpunkte, die mit einem dieser Namen verbunden sein könnten. Könnte es sein, dass es diese festen Standpunkte gar nicht gibt? Oder dass sie aus nachvollziehbaren Überlegungen verdeckt gehalten werden? Heute vertritt man keinen Standpunkt, sondern steht für Inhalte. Das sei so ziemlich das gleiche, wird uns gesagt, aber das stimmt nicht. Ein Inhalt ist leichter auszutauschen als ein Standpunkt. Aber egal, bei dem munteren Namenwürfeln der Freien Demokraten geht es schließlich nicht einmal um Inhalte.

Fest standen sie also um ihren in China weilenden Meister der Luftnummern. Bis ein etwas kräftigerer Windstoß sie umfegte, allesamt. Von wegen, es interessiere hierzulande niemanden, wenn in China ein Sack Reis umfalle. Mag schon sein. Aber wenn einer beim Besuch in China hört, wie zuhause seine Anhänger purzeln, dann dürfte er bei seinem pflichtschuldigen Lob des demokratischen Systems nicht eben überzeugend auf seine Gastgeber gewirkt haben.

Immerhin, die Erde brennt und die FDP hat hierzulande die Schlagzeilen. In Libyen reduzieren Gaddafis Söldner das Staatsvolk, und bei uns wird gefragt, was der Westerwelle macht. Im Jemen und in Syrien werden Demonstranten gejagt wie die Hasen, und bei uns wird gefragt, ob sich der Rösler erklärt. An der Elfenbeinküste schlagen die Krieger eines Dunkelmannes den Kriegern eines anderen Dunkelmannes die Köpfe blutig, und bei uns wird gefragt, ob Leutheusser-Schnarrenberger einen Versuch wagt. In Japan rast der Zeiger der Katastrophenuhr immer schneller auf  High Noon zu, und bei uns wird gefragt, ob der Lindner nicht allzu forsch das Aus für alte Kernkraftwerke gefordert hat. Aus dieser Aufstellung ist manches zu ersehen, vor allem die universelle Bedeutung der genannten freidemokratischen Politiker. Wer so viel Bedeutung hat, der muss nicht mehr kleinlich nach unterscheidbaren Inhalten oder Standpunkten befragt werden.

Im Zweifelsfall ist es sowieso schädlich, einen eigenen Standpunkt zu haben. Ganz besonders schädlich ist es sogar, einen abweichenden Standpunkt zu haben. Das ist oft genug an dieser Stelle beklagt worden und trotzdem gibt es immer wieder Leute, die meinen, sich einen eigenen und abweichenden Standpunkt leisten zu können. Innenminister Hans-Peter Friedrich zum Beispiel. Er wird schon noch sehen, was er davon hat, den Islam nicht zum deutschen Kulturgut zu zählen. Ordentlich eins auf die Mütze hat er schon bekommen – von den üblichen Haudraufs. Und als der Mann dann auch noch den Vorschlag machte, durch eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Muslimen und deutschen Sicherheitsbehörden islamistische Extremisten frühzeitig zu erkennen, da war es vollends aus. Sicherheitspartnerschaft, so etwas dürfen wir am Hindukusch machen, dort dürfen wir eine angebliche gemeinsame Freiheit verteidigen. Aber hier, in diesem unserem Land? Allah bewahre! Wer solch einen Vorschlag macht, der fördert „eine bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter den Muslimen“, dem wird schlicht die Fähigkeit abgesprochen, die Deutsche Islamkonferenz zu leiten. Offenbar ist schon der Gedanke verwerflich, ein gemeinsam besetztes Boot könne auch getrost gemeinsam gerudert werden.

Die Kanzlerin allerdings möchte gemeinsam rudern. Alle möchte sie ins Boot holen, wenn sie auf Kurs Energiewende steuert. Ein richtig großer Dampfer soll das werden. Dagegen sitzt die „Ethikkommission für sichere Energieversorgung“, die in dieser Woche erstmals zusammenkam, allenfalls in einer Nussschale als Lotsenboot. Angesichts der „gefühlten Sicherheitslage“ der Nation wird das Harmoniebedürfnis schier grenzenlos. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) möchte gar Seit an Seit mit der SPD und den Grünen schreiten und „binnen weniger Monate den Atomkampf beenden, der die Republik über Jahrzehnte gespalten hat“. So eine Rolle rück-wärts verschlägt den Atem, sogar den umworbenen Sozialdemokraten und Grünen. Die Rolle als errötende Jungfrau gefällt SPD-Gabriel und Grünen-Özdemir so gut, dass sie sich noch eine ganze Weile zieren werden. Die Bittsteller werden kaum umhin kommen, das Büßerhemd anzulegen.

Angesichts des „nationalen Energiekonsens“, nach dem Norbert Röttgen im Auftrag der Kanzlerin strebt, wird auch manche rätselhafte bis befremdliche Entscheidung der vergangenen Wochen verständlich. Zwar hat Angela Merkel ihr Wort vom schwarz-grünen Hirngespinst noch nicht zurückgenommen (obwohl das sehr schnell gehen kann, wie wir nahezu täglich erfahren), aber eine Rücknahme ist auch gar nicht notwendig, da die Kanzlerin offenbar ein sehr viel größeres Ziel im Auge hat. Ein schwarz-gelb-rot-grünes Bündnis, das wäre es! Die ganz Roten, die dürften nicht mitspielen (jedenfalls vorerst, nicht auf Bundesebene), einer muss schließlich übrigbleiben zum Meckern. Ein nationales Bündnis, die Bürger in einem breiten Strom der Mehrheit, das ist der politische Auftrag für Notzeiten. Und ist nicht gerade Notzeit, wenn gerade alle Sicherungen durchknallen? Sogar Jürgen Trittin hat schließlich gesagt: „Ich kenne nur noch bürgerliche Parteien.“ Wenn das keine Annäherung ist. Es ist Frühling, die Liebe erblüht, da knallen bekanntlich ein paar Sicherungen mehr durch.

Wenn infolge dessen dann die Lichter ausgehen, sollte man besser auf das einfache Leben nach der Energiewende vorbereitet sein. Wer weiß denn, ob diese Energiewende nicht erst in der Steinzeit endet? Schließlich erleben wir, wie radikal eine Rolle rückwärts sein kann. Verantwortungsvolle Pädagogen bereiten die ihnen anvertrauten Kinder schon auf den Fall der Fälle vor. In der kleinen Gemeinde Ratekau im schönen Kreis Ostholstein haben Lehrer dafür  ein Projekt „Steinzeit“ organisiert. Da durfte zehn- und elfjährige Kinder ein Kaninchen erst streicheln und dann durfte sie zusehen, wie das Kuscheltier mit einem Hammer erschlagen wurde. Abgezogen und ausgenommen wurde das Tier schließlich auf dem Schulhof gegrillt und gemeinsam verspeist. Einige Leute haben sich darüber aufgeregt. Es gab aber auch etliche Leute, die die Form der Erlebnisgastronomie richtig gut fanden. Die sind wohl allen anderen auf dem Weg in die Steinzeit schon ein ordentliches Stück voraus.

Hans Heckel ist derzeit im Urlaub.


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