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16.04.11 / Nachhilfe in DDR-Unrecht verweigert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Nachhilfe in DDR-Unrecht verweigert
von Vera Lengsfeld

Es war eine ganz besondere Veranstaltung, die Anfang April im Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses stattfand. Auf Einladung des Parlamentspräsidenten Walter Momper führten 15 ehemalige Stasi-Häftlinge ein Stück des Hans-Otto-Theaters auf, das aus ihren Erlebnissen während der Haft entstanden war. Lea Rosh, von der die Idee zu diesem Unternehmen stammt, konnte während ihrer Begrüßungsrede darauf verweisen, dass es sich um die 31. Vorstellung handelte. 

Ursprünglich waren nur drei geplant. Außer in Potsdam war das Stück in Heidelberg, Düsseldorf, Chemnitz, Leipzig, Frankfurt und nun eben auch in Berlin zu sehen. Das Plenum war bis auf den letzten Platz gefüllt, selbst die Zuschauertribüne hatte kaum noch Raum zu bieten. Für die Darbietenden war es eine besondere Herausforderung, mitten unter den Zuschauern zu spielen, keine Rückzugsmöglichkeit in den Spielpausen zu haben. Wie sich herausstellte, erhöhte das die Intensität des Stückes. 

Von der Verhaftung, dem Transport, der Einlieferung ins Gefängnis, dem Alltag in der Isolationshaft bis hin zum Verhör, dem Prozess, dem Strafvollzug und schließlich der Entlassung erfuhren die Besucher zahlreiche unter die Haut gehende Einzelheiten des Schicksals politischer Häftlinge in der DDR. Der älteste Darsteller, 83 Jahre alt, der acht Jahre Haft in den 50er Jahren verbüßt hatte, konnte wegen eines Schlaganfalls nicht mehr mitmachen. Sein Part wurde auf der

Leinwand eingespielt. Als der alte Mann am Ende seines Monologs ein Shakespeare-Sonett, das er sich während seiner Haft hunderte Male vorgesprochen hatte, rezitierte, gab es spontanen Zwischenapplaus für den Abwesenden. Ansonsten konnte man die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören. So aufmerksam ist in diesem Raum selten zugehört worden.

Am Ende wurden die Darsteller mit viel Beifall bedacht. Leider waren nur sehr wenige Abgeordnete unter den Zuschauern. CDU und SPD brachten es auf jeweils drei, die Grünen auf zwei, die Linke auf einen, die FDP glänzte durch Abwesenheit. Das war peinlich für die Volksvertreter, denen etwas Nachhilfe in Sachen DDR-Unrecht nicht geschadet hätte. Wenigstens wurde dem Abgeordneten der Linken, der sich während der Vorstellung demonstrativ lässig auf seinen Sitz gefläzt und auch mal gegähnt hatte, von den Zuschauern anschließend heftig die Meinung gesagt. Er zog es dann vor, laut vor sich hin pfeifend, den anschließenden Empfang zügig zu verlassen. Was keine schlechte Idee war, denn auf ein Abtreten der Linken müssen wir schon viel zu lange warten.


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