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16.04.11 / Quittung für Jahre der Misswirtschaft / Trotz EU-Zahlungen verbesserte Portugal seine Wettbewerbsfähigkeit nicht – Eigentlich bleibt nur Insolvenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Quittung für Jahre der Misswirtschaft
Trotz EU-Zahlungen verbesserte Portugal seine Wettbewerbsfähigkeit nicht – Eigentlich bleibt nur Insolvenz

Nach Griechenland und Irland schlüpft nun auch Portugal unter den EU-Rettungsschirm. Das ärmste Land Westeuropas mit nur zehn Millionen Einwohnern soll mit 80 Milliarden Euro vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt werden. Als Gegenleistung für die Notkredite wird von dem Land ein Sparprogramm gefordert, das härter sein wird als das, mit dem die portugiesische Regierung erst vor kurzem gescheitert ist.

Schon bis zum 16. Mai sollen die Verhandlungen über die Hilfszahlungen und das von der EU geforderte Sanierungsprogramm beendet sein. Kurz danach sollen die ersten Gelder aus dem Rettungsfonds fließen – rechtzeitig, bevor am 15. Juni rund sieben Milliarden Euro für auslaufende portugiesische Staatsanleihen und Zinszahlungen fällig werden. Das von Brüssel geforderte Sanierungspaket soll erheblich tiefgreifender sein, als das Sparprogramm, das am 23. März dem Parlament vorgelegt worden war. Die Ablehnung des Sparkurses führte zum Scheitern der Regierung von Ministerpräsident Jose Socrates. Nach seinem Rück-tritt im März wurden Neuwahlen für den 5. Juni angesetzt. Die Verhandlungen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit der bis dahin amtierenden Übergangsregierung werden daher parallel zum Wahlkampf verlaufen. Ein politisches Risiko – die ersten Hilfszahlungen werden fließen, bevor das neu gewählte Parlament die Arbeit aufnimmt und in Lissabon eine handlungsfähige Regierung gebildet wurde.

Aus diesem Grund sollen neben der Übergangsregierung auch die großen Oppositionsparteien an den Verhandlungen mit der EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF eingebunden werden. Trotzdem bleibt die Gefahr, dass von einem künftigen Wahlsieger nach dem 5. Juni Nachverhandlungen gefordert werden. Ausgeschlossen ist auch nicht, dass es bei den Wahlen zu einem Linksruck kommt und eine neue Regierung dem gesamten Hilfspaket die Unterschrift verweigert. Aus diesem Grund gibt es in der EU Überlegungen, zunächst nur die Verhandlungen und Hilfszahlungen für das Jahr 2011 aufzunehmen und das Gesamtpaket für die Folgejahre 2012 und 2013 erst mit der im Juni neu gewählten Regierung zu verhandeln.

Trotz der fast aussichtslosen Lage der portugiesischen Finanzen hatte sich das Land bisher hartnäckig geweigert, den EU-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. Über den Anlass, warum es nun doch zum offiziellen Hilferuf an die EU kam, kursieren unterschiedliche Versionen: Der Chef des portugiesischen Bankenverbandes, Antonio de Sousa, behauptet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Chef Jean-Claude Trichet die portugiesischen Banken aufgefordert haben soll, in einen Käuferstreik für Staatsanleihen des Landes zu treten, falls die Regierung sich weiterhin weigern sollte, ein Hilfegesuch an die EU zu richten.

Vom EZB-Chef Trichet wird diese Darstellung bestritten, sollte es sich aber tatsächlich so zugetragen haben, hätten die portugiesischen Banken, die am Tropf der EZB hängen, kaum eine Chance gehabt, sich einer solchen Aufforderung zu widersetzten.

Ausgeschlossen ist nicht, dass Portugal derart unter Druck gesetzt wurde – in Brüssel ist die Angst vor einem Übergreifen der Krise auf Spanien groß. Aber auch ohne Druck der EZB hat sich Portugal in den letzten Monaten nur noch mit Mühe am Kapitalmarkt halten können. Zuletzt mussten für einjährige Anleihen fast sechs Prozent Zinsen gezahlt werden, für fünfjährige Papiere musste Portugal mehr als neun Prozent anbieten. Zinssätze, die sich kein Staat lange leisten kann. Portugal ist anders als Irland nicht an einem maroden Bankensektor gescheitert, sondern die Krise hat strukturelle Gründe. Das Heimatland des Chefs der EU-Kommission, José Manuel Barroso, gilt nicht als ein Modell für Europa. Nach dem Beitritt zur EWG im Jahr 1986 hat das Land seit mittlerweile 25 Jahren Transferzahlungen aus dem übrigen Europa erhalten, ist aber nicht wettbewerbsfähiger geworden.

Eine industrielle Basis ist in dem Land nahezu nicht vorhanden, daran hat auch das Versagen des Bildungssystems einen Anteil. Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben nur 28 Prozent der Portugiesen zwischen 25 und 64 Jahren eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Reifeprüfung.   

Die Gesamtschulden Portugals sind inzwischen auf 92,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen. Im Jahr 2010 betrug das staatliche Defizit 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. An den angekündigten Notkrediten wird Deutschland voraussichtlich mit 25 Milliarden beteiligt sein. Allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Kredite nur ein Zwischenschritt hin zu einem Schuldenerlass sind. Ähnlich wie im Fall Griechenland geht kaum jemand davon aus, dass Portugal ohne einen solchen Schritt wieder auf die Beine kommen wird. Betroffen wären vor allem die größten Kreditgeber des Landes, die spanischen Banken. Sie sind mit etwa 70 Milliarden Euro in Portugal engagiert und haben selbst mit den Folgen einer Immobilienkrise zu kämpfen. Über den Umweg des EU-Rettungsschirms für Portugal hat Spaniens Bankensektor nochmals eine Gnadenfrist erhalten.  Norman Hanert


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