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16.04.11 / Bedrängende Wirklichkeit / Franz Radziwill im Norden: Fünf Ausstellungen widmen sich dem Meister des »Magischen Realismus«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Bedrängende Wirklichkeit
Franz Radziwill im Norden: Fünf Ausstellungen widmen sich dem Meister des »Magischen Realismus«

Der Maler Franz Radziwill (1895–1983) hat anscheinend kein Fettnäpfchen ausgelassen. Die unterschiedlichsten Gruppen haben seine (künstlerischen) Aktivitäten beargwöhnt. Er diente sich den Nazis an. Doch die lehnten ihn als Schöpfer von „Verfallskunst“ ab. Auch in der von der abstrakten Kunst begeisterten bundesdeutschen Nachkriegszeit war seine figurative Malerei nicht gefragt, fand aber immerhin in der DDR wohlwollendes Interesse.  Die Figuration war im Westen erst wieder in den 1960er Jahren gern gesehen – und Radziwill galt als einer ihrer bedeutendsten Vertreter.

Beargwöhnt wird jedoch nach wie vor seine „braune Periode“. Die ist jetzt erstmals Ausstellungsthema, unter dem Titel „Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus“ präsentiert in der Kunsthalle Wilhelmshaven und im Franz-Radziwill-Haus Dangast. Drei Ausstellungshäuser in Emden und Oldenburg haben sich angeschlossen, so dass nun unter dem Titel „Radziwill im Norden“ anhand von weit mehr als 200 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken das Gesamtwerk des „Magischen Realisten“ im Blickpunkt steht.

Die Kunsthalle Emden wartet mit Werken aus allen Schaffensphasen auf. Der gelernte Maurer Radziwill begann seine künstlerische Laufbahn als Expressionist, wie etwa der ins grotesk Komische gehende „Spaziergang in der Stadt“ (1920) veranschaulicht. Mitte der 1920er Jahre wandte er sich einer atemberaubend detailrealistischen Malerei mit wundersamen Lichteffekten zu.

Das Landesmuseum Oldenburg ermöglicht die vertiefende Be-trachtung von Radziwills Kunst der 1920er Jahre. Dortiges Hauptwerk ist der „Strand von Dangast mit Flugboot“ (1929). Das von links majestätisch heranschwebende Flugboot veranschaulicht das zwiespältige Verhältnis des Künstlers zur modernen Technik. Für Weltuntergangsstimmung sorgt ein tief stehender, glühend orangefarbener Himmelskörper. Der und manch anderes im Bild sind später von Radziwill ergänzte Zutaten. Solche oft erst viele Jahre später erfolgten Überarbeitungen betreffen zahlreiche Gemälde. Sie gelten den Kunstwissenschaftlern als heikles, längst noch nicht erforschtes Feld. Radziwill hingegen fand das nicht weiter problematisch. Er sprach von „weitermalen“, wie seine Tochter Konstanze berichtet. Oft ging damit eine Änderung des Bildtitels einher.

Im Dangaster Franz-Radziwill-Haus, das 60 Jahre lang das Domizil des Künstlers war, ist eines der rätselhaftetsten dieser „weitergemalten“ Bilder ausgestellt. Es trägt die Titel „Revolution / Dämonen / Im Lichte der Staatsideen“ (1933/34 und später). Rechts in der Ecke liegt vor einer Backsteinfassade, an der zwei Leichen hängen, ein blutüberströmter SA-Mann. Die durchs Bild schwebenden Dämonen sind eine spätere Zutat. Diese gespenstische Szene hatte Radziwill in seinem Atelier der Düsseldorfer Kunstakademie hängen. Er war 1933 in die NSDAP eingetreten und hatte das Lehramt des entlassenen Paul Klee übernommen. Studenten machten Radziwills expressionistisches frühes Schaffen publik, brachen überdies in sein Atelier ein und fotografierten das dort hängende Gemälde. Es gab den Ausschlag, dass er 1935 aus seinem Lehramt entlassen wurde. Radziwill zog sich nach Dangast zurück. Obwohl über 50 seiner Werke als „entartet“ aus öffentlichen Sammlungen entfernt worden waren, konnte er als ein wohlgelittenes NSDAP-Mitglied von seiner Malerei gut leben.

„Alles, was ich erlebt habe, hat seinen Niederschlag in meinen Bildern gefunden, darin habe ich mir meine Bedrängnis von der Seele gemalt“, hat Radziwill einmal gesagt. Und doch wunderte er sich über seine Bilder: „Seltsam, dass das durch mich hindurchgegangen ist ...“          Veit-Mario Thiede

„Franz Radziwill – 111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen“, Kunsthalle Emden, bis 19. Juni dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, am Wochenende von 11 bis 17 Uhr, Katalog (Wienand Verlag) 25 Euro im Museum. „Franz Radziwill – Expressionismus und Neue Sachlichkeit“, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Galerie Neue Meister, Oldenburg, bis 22. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.  „Die Schönheit des Alleinseins – Werke nach 1945“, Stadtmuseum Oldenburg, bis 22. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. „Der Maler Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus“,  Kunsthalle Wilhelmshaven, bis 22. Mai dienstags von 14 bis 20 Uhr, mittwochs bis sonntags von 11 bis 17 Uhr und bis 15. Januar 2012 im Franz-Radziwill-Haus, Varel / Dangast, dienstags und mittwochs von 10 bis 12 Uhr, donnerstags bis sonnabends von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr, Katalog (Kerber Verlag) 29,50 Euro.


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