19.04.2024

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16.04.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

morgen am Palmsonntag beginnt die Karwoche, die stille Woche, wie sie auch genannt wird, und so wollen wir uns auch darauf einstellen. Manche Probleme, die an uns herangetragen werden, verlangen eine sehr behutsame Behandlung, wenn sie überhaupt vermittelt werden können. Das betrifft vor allem die Ereignisse aus der Zeit der russischen Okkupation zu Beginn des Jahres 1945. Die in unserer Ostpreußischen Familie allein durch eine kleine Anfrage wieder lebendig wurden und Erinnerungen vor allem bei den Lesern auslösten, die damals zwar noch im Kindesalter waren, aber die grausamen Vorgänge bewusst und oft am eigenen Körper erlebten. Wir hatten in der Folge 11 die Aufzeichnungen von Herrn Siegfried Dankert über seine Fluchterlebnisse als Achtjähriger aus Königsberg gebracht, die auch die Frage enthielten, wann die Russen den Vorort Metgethen erreichten. Damit waren Zeitzeugen gesucht, und die meldeten sich auch bei mir, und ich war nicht überrascht, dass darunter auch Frau Christel Wels war, deren Buch „Der unvergessene Weg“ zu den authentischen Dokumentationen jener furchtbaren Vorgänge gehört. Nun teilte sie mir mit, dass sie in Zusammenarbeit mit ihrer Schwester Alice Skiendziel ein zweites Buch „Wir hatten immer Angst“ geschrieben hat. Der Titel besagt eigentlich zu wenig über den Inhalt, denn Christel Wels legt schonungslos offen, welche Verbrechen damals auch oder gerade an Kindern verübt wurden, die in ihrer Grausamkeit nicht zu übertreffen sind. Es ist für Nichtbetroffene kaum vorstellbar, was die Geschändeten und Gequälten durchleiden mussten. Der Auslöser zu dieser Dokumentation war eine nie gelöschte Erinnerung an einen Vorgang, den sie mir schon vor einigen Jahren – und nur mir – vorgetragen hatte. Sie fragte nach dem Schicksal jenes kleinen Jungen aus dem Lager, der Körperteile seiner getöteten Großmutter im Kuhstall entdeckt hatte. Die Vermutungen, die sie dazu ausführte, konnte ich einfach nicht veröffentlichen, weil unsere Kolumne mit ihren vielschichtigen Fragen, die oft auch heiter interpretiert sind, dafür nicht der richtige Platz ist. Nun hat sie ihn sich selber in ihrem neuen Buch eingeräumt. Christel Wels erklärt das in ihrem Begleitschreiben: „In meinem ersten Buch konnte ich diesen Vorgang nicht unterbringen, niemand hätte ihn uns geglaubt. Dann kam der Tag, an dem ich mit meiner Schwester Alice darüber gesprochen habe. Wir Zwillingsschwestern sind jetzt 81 Jahre alt und die letzte Erlebnisgeneration. Wir wollen dieses abscheuliche Verbrechen, das die Rote Armee an uns begangen hat, nicht mit ins Grab nehmen. So haben wir uns entschlossen, ein zweites Buch herauszubringen. All das grauenvoll Erlebte haben wir beide in diesem Buch niedergeschrieben.“ Auf das Buch, das im Verlag Stramm, St.-Michaelisdonn, erschienen ist, werden wir noch gesondert eingehen.

Auch Herr Dietmar Wrage, Kirchspielvertreter von Pobethen und unermüdlicher Samland-Chronist, hat zu der Frage von Herrn Dankert in größerem Umfange Stellung genommen. So übersandte er uns einen Bericht des Gendarmen Otto Tolksdorf über die Tage vom 29. Januar bis 20. Februar 1945 in Metgethen. Da er selber dort wohnhaft war und auf dem heimischen Polizeirevier als Polizeioberwachtmeis-ter der Reserve fast während des ganzen Krieges Dienst hatte, war er mit den Örtlichkeiten gut vertraut. So ist sein Bericht eine authentische Schilderung der Lage in dem sonst so stillen waldreichen Vorort, in den nun Flüchtlinge und Militär strömten. Vom 27. bis 29. Januar haben die Beamten des Polizei-Posten in Metgethen ununterbrochen ihren Dienst versehen und die Kolonnen der Wehrmacht und Flüchtlinge durch den Wald nach Vierbrüderkrug und Pillau geschleust. Aber schon am 27. Januar gab es die ersten Toten. Der Bahnhof Metgethen war am 29. Januar mit Transportzügen besetzt, auf denen sich vor allem Frauen und Kinder befanden. Sie konnten wegen der Überfüllung der Strecke nicht mehr auslaufen. In einem dieser Züge dürfte sich auch der achtjährige Siegfried befunden haben. So erhält Herr Dankert für seine Fragen allein aus diesem sehr detaillierten Bericht die gewünschten Informationen, für deren Übermittlung wir Herrn Wrage sehr dankbar sind – selten, dass man solch präzisen Informationen bekommt.

Herr Wrage ist aber selber auf der Suche nach einer wichtigen Dokumentation, die nicht auffindbar ist. Er hat schon viele Hebel in Bewegung gesetzt, um an sie zu gelangen, leider bisher vergeblich. Es handelt sich um die Materialsammlung über die Kriegsereignisse im Samland 1945 von Hugo Kaftan aus Pillau, von der Herr Wrage lediglich eine Inhaltsübersicht besitzt, die zeigt, dass es sich um eine Fülle von Aufzeichnungen handelt, die nur zu einem Teil von Herrn Kaftan selber gemacht sind, über 30 kommen von unterschiedlichen Zeitzeugen. Bei der Stadtgemeinschaft Pillau und der Kreisgemeinschaft Fischhausen e. V. in Pinneberg sind diese Berichte über die Ereignisse ab 1944 bis 1948 nicht auffindbar, geschweige denn in einem Verzeichnis aufgeführt. Eine Nachfrage beim Bundesarchiv verlief ergebnislos, eine weitere beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin hat bis jetzt keine Antwort erbracht. Da auch in der Landsmannschaft Ostpreußen diese Sammlung nicht bekannt ist, bittet er um eine Veröffentlichung in unserer Zeitung, denn sie wird ja von vielen Institutionen gelesen. Bleibt also die Frage an unsere Leserschaft: Wo befindet sich die Materialsammlung über die Kriegsereignisse im Samland 1945 von Hugo Kaftan, die mit der Sammlung über die Vertreibung von Spaeth-Meyken beginnt, über die 30 Titel umfassende Eigensammlung von Hugo Kaftan und mehrere Berichte über die letzten Kampfhandlungen der Wehrmacht im Samland bis zu Tatsachenberichten über die Ereignisse während und nach der Eroberung durch die Russen führt. Eine umfangreiche Sammlung also, über deren Auffindung sich Herr Wrage sehr freuen würde. (Dietmar Wrage, Am Steinkreuz 7 in 22941 Bargteheide, Telefon: 04532 / 400910, Fax: 04532 / 400980, E-Mail: pobethen-dietmar@t-online.de)

Um eine andere Sammlung geht es in unserem nächsten Fall – mit dem Unterschied, dass sie nicht gesucht, sondern angeboten wird. Über Jahrzehnte mit großem Engagement von einem Landsmann aus Gumbinnen zusammengetragen, der seit 40 Jahren seiner Sammelleidenschaft für „alles Ostpreußische“ nachgeht und sich dabei auf ostpreußisches Papiergeld spezialisiert hat. Herr Klaus-Jürgen Karpinski aus Ulm-Wiblingen besitzt heute die umfangreichste Sammlung auf diesem Gebiet, denn sie beinhaltet 2300 Scheine – mit 100 Unikaten und etwa 800 Scheinen, die Unikaten ähnlich sind und die bisher nie „auf dem Markt“ waren. Es gibt nach seinen Angaben Einiges an Ostpreußischen Geldscheinen in den Geldmuseen der Bayerischen Hypo-Bank, vor allem der Bundesbank aber auch in Berlin. Seine Sammlung erfasse etwa 98 Prozent des vorhandenen Bestandes, so versichert Herr Karpinski. In einem von ihm herausgegebenen Katalog „Ostpreußisches Papiergeld vom 19. Jahrhundert bis 1923“ beschreibt er detailliert alles, was bis heute an betreffenden Geld/Notscheinen bekannt ist und die in dem 235 Seiten starken Werk zumeist farbig abgebildet sind. Dazu befasst er sich eingehend mit der Geldgeschichte Ostpreußens und mit den 55 Städten und Gemeinden, die damals ihr eigenes Geld ausgegeben haben, bringt ihre Wappen und eine kurzen Abriss über ihre Geschichte. Eine Dokumentation, die ein Spiegelbild der Notzeiten Ostpreußens ist. Nun wendet sich Herr Karpinski an uns mit seinem Anliegen und belegt dieses in seinem Schreiben:

„Da ich leider aus gesundheitlichen Gründen anfangen muss, mit dem Sammeln aufzuhören, habe ich mich mit großen Hoffnungen an die Preußische Kulturstiftung gewandt und ihr die Sammlung angeboten. Es kamen de facto nur negative Antworten. Auch auf einen Hinweis – nach dem Vorschlag eines Museumsleiters – ,dass es schön wäre, wenn diese Sammlung im Lande bliebe und den Kreisgemeinschaften von den betreffenden Städten und Gemeinden, die seinerzeit eigenes Geld ausgegeben haben, diese Dokumente ihrer Geschichte zur Verfügung gestellt würden, kam nicht einmal eine Antwort. Man scheint für die gewachsene ostpreußische Papiergeldgeschichte kein Interesse mehr zu haben.“ So weit die negativen Erfahrungen von Herrn Karpinski, die er auch mit einer anderen Sammlung gemacht hat. Er bot seinem jetzigen Heimsitz Ulm die einzige komplette Sammlung „Ulmer Notgeldscheine“ an. Fehlanzeige! Anders da Schleswig-Holstein. Dort wurde eine ähnlich umfangreiche Papier-Notgeldsammlung sozusagen unter „Denkmalschutz“ gestellt. Der 72-jährige Ostpreuße möchte gerne seine Sammlung, die man schon als „Lebenswerk“ bezeichnet kann, in guten Händen wissen. Nun hat er den Weg über uns gewählt, um eine Lösung zu finden. (Klaus-Jürgen Karpinski, Im Grund 32 in 89079 Ulm-Wiblingen, Telefon: 0731 / 45481, E-Mail: KlausKarpinski@aol.com)

Und jetzt zu einem Thema, das so ganz in diese Zeit passt, denn das Jahr 2011 wurde von der Evangelischen Kirche in Deutschland zum „Jahr der Taufe“ ausgerufen. Wenn es um Fragen geht, die sich auf die Kirchen unserer Heimat beziehen, ist unsere Ostpreußische Familie immer als Mittler gut. Wir sind und bleiben mit unseren Gotteshäusern eng verbunden, auch wenn heute nur noch ein paar Mauerreste vorhanden sind. So war es kein Wunder, dass ein Suchwunsch, der sich auf ostpreußische Kirchen bezog, ein geradezu erstaunliches Echo fand. Die Veröffentlichung ist allerdings schon eine Weile her, sie erfolgte in der Folge 33/2003. Eigentlich hatte ich keine Erfolgsmeldung mehr erwartet, als sie nun doch kam und mich sehr erfreute. Denn auf die Frage von Herrn Dr. Wolfgang Fiedler und Frau Brigitte Becker-Carus, wo sich in ostpreußischen Kirchen Taufengel befänden, erhielten sie so viele Zuschriften, dass sie 75 Taufengel nachweisen können, die sie nach Kreisen aufgelistet haben. Nun möchten sie diese erste Zusammenstellung mit weiteren Angaben vertiefen und fragen, ob dies wieder über unsere Ostpreußische Familie geschehen kann. Das ist nicht so leicht zu realisieren, denn allein die Veröffentlichung der Namen von 75 Kirchen mit Kirchspielen und Kreisen würde unseren Rahmen sprengen. Ich habe Herrn Dr. Fiedler geraten, sich zuerst einmal an die betreffenden Kreisgemeinschaften zu wenden und sie zu bitten, seinen Wunsch nach weiteren Informationen über die angegebenen Kirchen mit ihren Taufengeln in den Heimatbriefen zu veröffentlichen oder nach anderen Möglichkeiten zu fragen. Sollten sich hierbei Schwierigkeiten ergeben oder noch weitere Unterlagen benötigt werden, können wir diese Fälle in unserer Kolumne behandeln. Wie gesagt, dies wäre ein begehbarer Weg. Ich werde mir die Liste anschauen und unsere Möglichkeiten ausloten, aber auch nach weiteren Ansprechpartnern für Frau Becker-Carus und Herrn Dr. Fiedler suchen, denn ein „Engelkatalog Ostpreußen“ ist nicht nur für die Kunstgeschichte sondern auch für die Konfessions- und Landeskunde von Bedeutung. Auch Pommern beziehen die Forschenden in ihre „Engelarbeit“ mit ein und hier kann Frau Becker-Carus eine Unterstützung über die Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte erwarten. Wer von unseren Lesern erst jetzt auf dieses Projekt aufmerksam geworden ist und mit weiteren Angaben über Taufengel in ostpreußischen Kirchen zu diesem Projekt beitragen kann, wende sich bitte an Herrn Dr. Fiedler. Der übrigens in seinem Wohnort Richtenberg in der dortigen Nikolaikirche ehrenamtlich den Küsterdienst versieht und zu den treuesten Gottesdienstbesuchern „unsere ostpreußischen Freunde“ zählt. (Dr. Wolfgang Fiedler, Küsterstraße 7a in 18461 Richtenberg, Telefon: 038322/296, E-Mail: wolfgangfiedler@freenet.de)

Ruth Geede


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