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16.04.11 / Zusammenspiel von Literatur und Fotografie / Erstmals fand im Hamburger Ziviljustizgebäude eine Vernissage mit gleichzeitiger Lesung zweier bekannter Ostpreußen statt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Zusammenspiel von Literatur und Fotografie
Erstmals fand im Hamburger Ziviljustizgebäude eine Vernissage mit gleichzeitiger Lesung zweier bekannter Ostpreußen statt

Wer an diesem Abend im Rund der denkmalgeschützten Grundbuchhalle im Ziviljustizgebäude des Landgerichtes Hamburg dabei sein konnte, erlebte ein Zusammenspiel besonderer Art: Christian Papendicks Fotoausstellung zu seinem  Bilddokumentationsband „Der Norden Ostpreußens − Land zwischen Zerfall und Hoffnung“ und Arno Surminskis Lesung aus seinem Ostpreußenroman „Sommer vierundvierzig − oder Wie lange fährt man von Deutschland nach Ostpreußen?“ ergänzten sich mühelos, weshalb Arno Surminski resümierte: „Die Bilder im Kopf aus den Buchkapiteln und die an der Wand plazierten stimmen überein, sind harmonisch.“ Der sechsundsiebzigjährige Schriftsteller und Journalist aus Jäglack bei Rastenburg und der aus Königsberg gebürtige vierundachtzigjährige Architekt und passionierte Fotograf hatten die außergewöhnliche Idee des Arbeitskreises „Kultur und Justiz“ des Richtervereins Hamburg, Christian Papendicks große Fotoausstellung mit einer Auswahl seiner faszinierenden und zugleich erschütternden Bilder aus dem nördlichen Ostpreußen gemeinsam zu eröffnen, mit Interesse begrüßt. Ein Novum, das auch beim Hamburger Publikum gut ankam.

Für Christian Papendick, der nach Kriegsende in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste Architektur studierte, sich bereits 1960 als freischaffender Architekt selbstständig machte, in den achtziger Jahren von der Hamburgischen Architektenkammer zum Landschaftsarchitekten ernannt wurde und jetzt als Fotograf und Buchautor in Hamburg lebt, bedeutete es zunächst einen Kraftakt. Seit Mai 2009 ist sein großformatiges Buch mit einem Umfang von 488 Seiten und 1057 farbigen sowie 170 historischen schwarzweißen Abbildungen erhältlich. In der Bilddokumentation hat er Zustand, Verfall, aber auch Wiederaufbau der Kulturdenkmäler im nördlichen Ostpreußen in den Jahren 1992 bis 2008 in eindrucksvollen und aufrüttelnden Fotos festgehalten. Um die historischen Baudenkmäler im Königsberger Gebiet, der heutigen Oblast Kaliningrad, zu retten, zieht er auf seinen von ihm geleiteten kulturhistorischen Reisen gegen eine Mischung aus Lethargie und Unwissenheit zu Felde. In einer gemeinsam konzipierten Ausstellung präsentierte das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg vor wenigen Monaten eine Auswahl seiner schönsten und eindrücklichsten Bilddokumente als Großfotos, die das kulturell verarmte Nachkriegs-Ostpreußen zeigen, jedoch den anspruchsvollen Aufbruch Königsbergs mit inzwischen einer Reihe restaurierter Königsberger Bawerke nicht aussparen.

Für Papendick war die Ausstellung in der Hansestadt in der von dem berühmten Hamburger Baudirektor Fritz Schumacher konzipierten und ausgeführten Grundbuchhalle eine besondere Herausforderung. Mit großem Elan erweiterte Papendick die Bildergalerie um weitere aktuelle Fotografien sowie bisher nicht verfügbar gewesene historische Schwarzweißaufnahmen vom alten Königsberg, die er einem russischen Kalender entnehmen konnte, auf mehr als hundert Bilder und plazierte sie in der Publikumshalle mit ihren zwei hohen Galerien auf zwei Ebenen.

Angesichts des großen Besucherinteresses sah sich der Hausherr und Gastgeber, Gerhard Schaberg, Vorsitzender des Vereins „Freunde der Grundbuchhalle“ sowie des Arbeitskreises „Kultur und Justiz“ in seinem Anliegen, bildende Kunst, Fotokunst und Literatur zu verbinden, bestätigt. Hierbei sei Ostpreußen eine interessante Region, dessen Norden er bereits 1994 habe kennen lernen dürfen. Es müsse ein Anliegen bleiben, Brücken zwischen dem Gestern und Heute zu schlagen. Christian Papendick sei hier ein Vorbild, so wie als Ziel im Mittelpunkt des bedeutenden Schaffens von Arno Surminski Erinnerung erhalten und Versöhnen stünden. Dr. Joachim Mähnert, Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg, begrüßte es, dass die Fotoausstellung Papendicks, die ihren Ausgang in Lüneburg genommen hatte, sich in Hamburg wieder finde. Wer heute nach Ostpreußen reise, so referierte Mähnert, staune über die imponierende Wiederaufbauleistung im südlichen, heute polnischen Ostpreußen und im alten Memelland, heute Litauen. „Aus verfallenen Gutshäusern, aus Kirchenruinen und traurigen Resten der Burgen des Deutschen Ordens sind wieder Leuchttürme einzigartiger, so eindrucksvoller Baukunst erwachsen.“ Für das nördliche Ostpreußen gelte das leider nur partiell. Ohne baldiges Handeln werde so eine jahrhundertealte Architektur in absehbarer Zeit fast vollständig verschwunden sein. Das Landesmuseum thematisiere und präsentiere, was mit der deutschen Kulturtradition nach 1945 geschah und geschieht, im Positiven wie im Negativem.

Christian Papendick berichtete von seiner ersten frühen Reise nach der Öffnung des Ostens nach Königsberg, „Zuerst war es ein Schock. Doch ich staunte, man begann mit dem Wiederaufbau des Domes... In mir reifte der Entschluss, für dieses Land etwas zu tun.“ Papendick verfolgte und dokumentierte den langen Prozess von 1992 bis 2008 des in deutsch-russischer Zusammenarbeit wieder erstandenen Königsberger Doms  und begleitete die auf deutsche Initiativen und Spenden zurückgehenden Restaurierungen  der kunsthistorisch bedeutsamen, kleineren, Ordenskirchen wie Mühlhausen, Heiligenwalde, Arnau, Neuhausen, Friedland und Groß-Legitten in Bildern.

Arno Surminski war der erste namhafte Schriftsteller, der sich der Vertreibungsthematik annahm. Die Hälfte seiner rund dreißig herausgegebenen Bücher hat etwas mit Ostpreußen zu tun. „Sommer vierundvierzig“ ist einer seiner bedeutendsten Romane, aus dem er an diesem Tag las. Arno Surminski trug so ruhig vor wie er schreibt. Der Autor las von der Hochzeit an der Minge, die Fritz Kurat und Huschke feiern, und vom Nehrungsdorf,  von Rauschen an der viel gerühmten Steilküste des Samlands, dem mondänen Kurort Cranz, den malerischen Fischerdörfern am Fuße der Kurischen Nehrung von Sarkau bis  Sandkrug, und der Hohen Düne. „Der Sand leuchtete, der Himmel leuchtete, und die Sonne brachte sogar das unbewegte Haff zum Leuchten. Eine unerhörte Feierlichkeit.“

Arno Surminskis literarische Bilder, lebensnah, von großer Tiefe und vermittelnder Stimmung, korrespondierten mit den wunderbaren Fotos an der Wand: den meisterhaft eingefangenen Dünenlandschaften, den Küsten, den malerischen Häusern an den Wassern. Er las weiter über den August im Sommer vierundvierzig. Auch für dieses Kapitel vom Untergang Königsbergs durch alliierte Bomber standen die eindrucksvollen Fotografien Christian Papendicks vom heutigen Königsberg und die Schwarzweißaufnahmen des alten wunderbaren Königsbergs heute Pate.

Zum Abschluss bedanke Gerhard Schaberg, ehemaliger Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins und heute dessen Ehrenvorsitzender, sich bei Fotograf und Autor, die beide heute in Hamburg leben, für das harmonische Zusammenwirken. Ihr Schaffen vermittle und bewahre eine vielhundertjährige Geschichte und Kultur, und bringe sie gleichzeitig auch den heutigen Bewohnern Ostpreußens nahe.

            Anita Motzkus

Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 27. April im Ziviljustizgebäude des Landgerichts Hamburg, Sievekingplatz 1.


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