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16.04.11 / Dünenritt auf der Nehrung / Gedankenen über Beobachtungen der Naturerscheinungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Dünenritt auf der Nehrung
Gedankenen über Beobachtungen der Naturerscheinungen

Obwohl nur zwei Meilen von Cranz entfernt, das in dem glühenden Dunste ferne auftaucht, glaubt sich der Wanderer hier schon losgelöst von allem, was ihn mit der Welt verbindet. Im Osten erblickt er in weiter Entfernung die Fischerboote der Sarkauer, die bald auf der Haff-, bald auf der Seeseite ihre Angeln und Netze stellen, dahinter erscheint der spärliche Strandwald, der sich von hier noch weiter als eine Meile fortzieht, und darüber ein bleiches, gelbliches Gebilde, das mit dem Nebel verschwimmt − die ersten Dünen.

Ich ritt längs dem Haffstrande. Rechts die Flut, links der tiefe Sand der Heide: es blieb nur der schmale angefeuchtete Saum zwischen beiden.

Vergebens sucht die Phantasie unter den vergangenen Bildern nach einer Parallele. Weder die Schneefelder der Alpen noch die Kreideabhänge des Rügenschen Hochlandes gestatten eine Parallele. Im Nebeldunste wasserblau und atlasglatt; von einem Sonnenstrahle getroffen aufglühend wie flüssiges Gold oder verfließend zu einem elektrischen Gelb; wenn dichte Wolkenschatten über die schillernden Flächen gleiten, tief violett, immer aber durchsichtig, ätherisch, fast körperlos: der tief einsame Wanderer hat Mühe, sich dieser geisterhaften Erscheinung gegenüber zu behaupten.

Anfangs tritt noch eine Pflanze, ein Busch aus dem Sande heraus, sei’s, dass sie versucht haben, in der Düne Wurzeln zu schlagen oder von der wandernden Welle bis auf eine kleine Spitze bedeckt wurden. Später hört jedes vegetative Leben auf. Es reiht sich Hügel an Hügel, Rücken an Rücken zu einer unabsehbaren Kette, zu einem Walle sich schließend, der von der See aus langsam aufsteigt, um nach dem Haff zu abzufallen in hundert und mehr Fuß hohen, steilen Abfällen. Der Wind treibt die Sandkörner die mäßig ansteigende Fläche auf der Seeseite hinauf, bis sie im Schutze des Dünenwalles auf der Haffseite hinab rieseln und so in Tausenden von Sandfällen die Dünenkette weiterschieben, die weiter wandert, gleich einer einzigen Welle. Das Seltsamste aber ist das Fehlen jeden Maßstabes. Wohl stehen am Fuß des Dünenwalles Büsche und Weiden, die letzten Zeugen des einstigen lebhaften Verkehrs auf dieser Nehrung; aber die Sandabhänge selbst sind kahl und einförmig wie die Schneedecke im Winter. Nur der Sand selbst bildet oft Flecken, Adern und Figuren, die an den Marmor erinnern. Auch der kleinste Vogel, eine Schwalbe oder Drossel, ist auf der Sandfläche deutlich zu erkennen, und oft bezeichnet eine feine Spur die Stelle, wo der Vogel gesessen oder spielend weiter gehüpft ist.

Den ganzen vollen Eindruck der Dünenkette empfängt der Wanderer erst vom Möwen-Haken. Sie begleitet ihn unausgesetzt, ununterbrochen weiter; es vergeht Stunde um Stunde, aber es tritt kein anderes Bild vor sein Auge. Zuletzt wirkt sie auf seinen Geist wie eine fixe Idee oder wie ein einziger lang gehaltener Ton, der wohl zuweilen anschwillt oder nachlässt, ihn aber festhält, verfolgt, fast bis zur Erschöpfung.

Mich rettend vor dem vernichtenden Eindruck des Dünenwalles, betrachtete ich das Haff, über dem der Wasserdunst wogte, sichtbar und fühlbar. Stetig wehte der heiße Wind über die Wasserfläche und trieb die Wellen an das Ufer, wo der Schaum in langen Streifen, gleichsam Rollen, sich nebeneinander legte, bis ihn zuletzt der Wind ergriff und die Flocken in das Land wehte. Die Sonne glitzerte nur leicht in dem kräuselnden Wellenspiel; wo aber, von zwei Zungen umschlossen, eine Wasserfläche unbewegt vom Winde dalag, erschien das leuchtende Sonnenbild immer blendend und plötzlich.             Louis Passarge


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