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16.04.11 / Unsichtbare Kriegsverletzung / Bundeswehr: Seelische Folgen der Auslandseinsätze untersucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Unsichtbare Kriegsverletzung
Bundeswehr: Seelische Folgen der Auslandseinsätze untersucht

Dieser Tage wird die passive Haltung der deutschen Bundeskanzlerin bezüglich des Militäreinsatzes in Libyen von vielen Seiten kritisch beäugt. Sollte Deutschland sich nicht doch an einem Militäreinsatz gegen den libyschen Herrscher Muammar al-Gaddafi beteiligen, also Kampfflugzeuge, Waffen und – natürlich nicht zu vergessen – Soldaten dorthin entsenden?

Was viele bei dieser Debatte außer Acht lassen, wenn Sie von „Truppen entsenden“ sprechen, ist, dass es sich bei den Soldaten der Bundeswehr zwar um ausgebildete, aber nichts desto trotz um normale Männer und Frauen handelt. In dem Buch „Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle – Kriegsheimkehrer der Bundeswehr“ berichtet Ute Susanne Werner von ihren Interviews mit Kriegsheimkehrern, Bundeswehsoldaten, die ihre Einsätze im ehemaligen Jugoslawien und Afghanistan und die Gefühle nach der Heimkehr noch mal Revue passieren ließen.

Besonders wichtig ist es der Autorin, in und mit diesem Buch die Sicht der Betroffenen darzustellen und diese auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da ihr gleich zu Beginn ihrer Recherchen diverse Steine seitens der Bundeswehr in den Weg gelegt wurden und sich die seltsamen Zufälle häuften, ist es ihr wichtig, folgenden Verdacht bereits im Vorwort zu benennen: „Was in Auslandseinsätzen passiert, welche Folgen das Erlebte für die Soldaten noch lange Zeit nach ihrer Rückkehr haben kann und wie es ihr Leben verändert – das alles soll anscheinend nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Deshalb will dieses Buch einen Eindruck davon vermitteln, womit deutsche Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen konfrontiert sind. Und zwar in Zeiten, in denen offenbar seitens der Bundeswehr Vorbehalte bestehen, die Öffentlichkeit an dieser Wirklichkeit in all ihren Facetten teilhaben zu lassen. Eine öffentlich Diskussion ist – offensichtlich – unerwünscht.“

Eine dieser Facetten, mit denen viele der Kriegsheimkehrer zu kämpfen haben, lautet PTBS. Das ist die Abkürzung für Posttraumatische Belastungsstörung und beschreibt die zeitlich verzögerten Folgen, welche ein traumatisches Erlebnis, in diesem Falle die Kriegserfahrung, auf die Psyche haben kann. Symptome für eine solche PTBS sind klassischerweise die sich immer wieder aufdrängenden Erinnerungen und Bilder an das das Trauma auslösende Ereignis, sogenannte Flashbacks, sowie Teilnahmslosigkeit, Freudlosigkeit und das Vermeiden von Situationen, die das Trauma wieder wachrufen könnten. Diesem einer Depression ähnlichen Zustand, sind die Soldaten häufig hilflos ausgeliefert. Erst in den letzten Jahren hat die Bundeswehr hier Maßnahmen zur Vermeidung und Nachsorge entwickelt.

1996 kam es nach dem Bosnienkrieg durch Beschluss der Nato im Rahmen der Ifor erstmalig wieder zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Danach folgten ab 1999 Einsätze im Kosovo (Kfor) und ab 2001 in Afghanistan (Isaf). Befasst man sich mit den einzelnen Einsätzen, so fällt auf, dass nicht nur die Quantität der Auslandseinsätze sich verändert hat, sondern auch die Qualität der Einsätze in Afghanistan eine deutlich andere ist als jene damals im Rahmen der Ifor.

Werner zeigt anhand der Berichte von unter anderem einem Bundeswehrlogistiker, einem Infanteristen und einem Rettungsassistenten, wie die Soldaten nach der Heimkehr mit ihren Erlebnissen umgingen, wie sie sich veränderten und was dies für ihre Zukunft und ihre Familien und Freunde bedeutete und bedeutet.

„Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle – Kriegsheimkehrer der Bundeswehr“ bietet nicht nur einen interessanten, sondern auch wichtigen Blick hinter die Kulissen der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Denn in Zeiten, in denen die Reformen und Kosten der Bundeswehr im Vordergrund zu stehen scheinen, sollte sich die Politik vielmehr die Frage stellen, wie man die Soldaten der Bundeswehr noch besser auf Auslandseinsätze vorbereiten kann, und wie man sie nach der Heimkehr, sofern erforderlich, wieder bestmöglich in den häufig fremd gewordenen Alltag integriert.        Vanessa Ney

Ute Susanne Werner (Hrsg.): „Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle – Kriegsheimkehrer der Bundeswehr“, Fackelträger Verlag, Köln 2010, geb., 288 Seiten, 19,95 Euro


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