25.04.2024

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16.04.11 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-11 vom 16. April 2011

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Auf der Geisterbahn / Wer hat Angst vor Oskar Lafontaine? / Wie man Bürger umfruchtet / Warum Guttenberg kein Zauberlehrling ist

Bange machen gilt nicht, Herr Gysi. Wer gerade mitten durch die Geisterbahn rast, der ist nicht mehr zusätzlich zu erschrecken, wenn das Gespenst des roten Oskar an die Wand projiziert wird. Vermutlich hatte Gregor Gysi folgende Überlegung angestellt: Wenn das Personalkarussell überall so toll in Schwung ist, wenn überall Abschied und hoffnungsvoller Neubeginn ist, dann müsste meine Linke vielleicht auch mal ein bisschen ihr Personal wechseln. Mangels eines zu Hoffnungen berechtigenden roten Jungtriebes fiel ihm dann sein alter Freund und Genosse Oskar Lafontaine ein. Der müsste sich da unten im Saarland doch inzwischen ausreichend erholt haben? Gysi dachte es – und malte prompt beim Frühstück mit Presseleuten den roten Oskar an die Wand. Für den Notfall, wie er einschränkend hinzufügte. Jeder hat eben so seine Nothelfer. Dass die amtierenden Vorsitzenden der Linken ob dieser Personalidee erst einmal vom Hocker fielen, das focht den Urheber der Idee nicht an, schließlich hat Gregor Gysi aus seiner Vergangenheit einschlägige Erfahrung damit, willkürlich über das Leben der anderen zu bestimmen.

Nicht, dass Klaus Ernst und Gesine Lötzsch zu bedauern wären. Bewahre! Als Vorsitzende der Partei „Die Linke“ gehören sie zum Inventar der Geisterbahn, sie haben uns schon genug erschreckt. Klaus Ernst, das ist der, der rastlos mit dem Porsche durch die Gegend rast, um in jedem Winkel schlimme soziale Ungerechtigkeit zu entdecken. Davon zutiefst erschüttert, sucht er sein inneres Gleichgewicht auf seiner Alm zu finden. Gesine Lötzsch hat sich auch auf den Weg gemacht. Zwar weiß sie, wohin sie will, aber noch nicht so genau, wie sie auf den Weg zum Kommunismus kommen kann. Leider hilft ihr dabei kein Navi. Deshalb will sie sich „auf den Weg machen und ausprobieren“. Dabei lässt sie sich auch gerne schon mal von der ehemaligen RAF-Terroristin Inge Viett beraten, die immer noch von einer „kämpferischen Praxis“ auf dem Weg zum Kommunismus faselt. Das sei nur deshalb in Erinnerung gerufen, weil Klaus Ernst jüngst auf seiner Alm eine neue Wählerschicht entdeckte: Er will sich dem „sozial denkenden, aufgeklärten Bürgertum stärker zuwenden“. In der vergangenen Woche hatten wir an dieser Stelle den Grünen-Trittin zitiert mit seiner Erkenntnis: „Ich kenne nur noch bürgerliche Parteien.“

Die kreative Lebensmittelindustrie hat einen neuen Begriff geprägt: Umfruchten. Dabei werden billige, massenhaft geerntete Moosbeeren mittels Presse zu Kirschen oder Himbeeren geformt und mittels Aromastoffen auf den entsprechenden Geschmack getrimmt. Offenbar ist jetzt das Bürgertum an der Reihe, umgefruchtet zu werden. Umgeformt und mit der passenden Geschmacksvariante versehen, erfreut sich der vielgeschmähte Bürger als Fruchtzwerg einer Wiederentdeckung nach dem Motto: Erschrecken ist die erste Bürgerpflicht. Wenn so viele Geisterfahrer unterwegs sind, wird das nicht schwerfallen. Wenn Oskar Lafontaine dann noch dazu kommt, dann fällt das auch nicht weiter auf.

Der gute zu Guttenberg wird die Geister nicht los, die er rief. Ihm ergeht es wie weiland Goethes Zauberlehrling. Dem gelang es nicht, jenen alten Besen zu stoppen, den er mit einem Zauberspruch zum Zwecke der Arbeitserleichterung zu Leben erweckt hatte. Der alte Besen schöpfte Wasser und schleppte es heran, bis das Haus absoff; zu Guttenberg schöpfte Wissen ab, bis der Krug brach. Dafür musste er als Verteidigungsminister zurücktreten und gut wäre es gewesen. Ist es aber gar nicht, denn nun behaupten die gefoppten Professoren der Universität Bayreuth, der zu Guttenberg, der habe ganz bewusst abgeschrieben. Ja, was denn sonst? Wenn einer bei einer Klassenarbeit abschreibt und anschließend behauptet, das habe er nicht bewusst getan, das sei ihm einfach so ins Auge geflattert, setzt der auf einen Schwindel noch einen weiteren obendrauf. Freiherr von und zu Guttenberg jedenfalls setzt Anwälte in Marsch, damit die Professoren in Bayreuth nicht offiziell feststellen, der Freiherr habe gewusst, was er tat, als er sich mit fremden Federn schmückte. Ob er sich auch über die möglichen Schlussfolgerungen im Klaren ist, wenn festgestellt wird, er habe noch nicht einmal bewusst abgekupfert? Weil er nicht einmal wusste, worum es ging? Bei Goethe ist in diesem Fall kein Rat nachzuschlagen. Da konnte der Zauberlehrling in seiner Verzweiflung nach dem Meister rufen: „Herr, die Not ist groß, die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!“ Und der Meister stoppt den aus dem Ruder gelaufenen Besen: „In die Ecke, Besen, Nesen! Seid’s gewesen!“ Damit herrscht Ruhe. Bei den Professoren in Bayreuth klappt das mit diesem Spruch ganz bestimmt nicht. Zudem endet der Bannspruch bei Goethe so: „Denn als Geister ruft euch nur, zu seinem Zwecke erst hervor der alte Meister.“ Die alten Meister aber, die haben eine Professur in Bayreuth.

So einen schönen Bannspruch wünscht Umweltminister Norbert Röttgen sich ebenfalls. Ab in die Ecke, Besen, Nesen! Seid’s gewesen, ihr Atommeiler. Weil das aber so nicht funktioniert, fordert er aktuell: Schluss mit der Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke. Union und FDP müssten „klar sagen: Wir korrigieren unsere Beschlüsse vom vergangenen Herbst!“ Über Nacht heckte Norbert Röttgen mit Rainer Brüderle einen Sechs-Punkte-Plan aus, wie schon morgen aus jeder Steckdose nur noch erneuerbare Energie fließen kann. Mit Rainer Brüderle von der FDP! War das nicht der, der noch gestern den Kumpels von den Atommeilern versichert hatte, nichts werde so heiß gegessen, wie vor der Wahl gekocht? Wenn das mit der Wende in der Energiepolitik in diesem Tempo so weiter geht, dann entsteht eine Reibungshitze, die vorerst genügend Energie liefern dürfte, um nach vollständiger Abschaltung der Kernkraftwerke über die Runden zu kommen. Neue Verbündete strömen in Scharen zu, niemand will sich vorhalten lassen, nicht rechtzeitig auf den Gegenzug aufgesprungen zu sein. Nur die vier großen Atomkonzernen RWE, E.on, EnBW und Vattenfall, die wollen nicht abschalten, die schalten auf stur. Sie machen den Geldhahn zu, mit dem der Ökofonds für erneuerbare Energie gespeist werden soll. Wieso Brennelementesteuer zahlen ohne Brennelemente, fragen die Bosse von Brokdorf und Isar. Diese Bockigkeit empört im politischen Berlin. Schließlich wurde die Sektsteuer einst zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte eingeführt – und nun haben wir weder einen Kaiser noch eine kaiserliche Flotte. Aber die Sektsteuer, die haben wir noch. Und den Solidaritätszuschlag, den haben wir auch noch, obgleich 20 Jahre nach der Wiedervereinigung von der Solidarität nur noch der Zuschlag geblieben ist. Merke: Eine glücklich eingeführte Steuer braucht keinen erklärten Verwendungszweck. Deshalb braucht eine Brennelementesteuer auch keine Brennelemente. Wer das heute noch nicht versteht, der wird es auch nicht mehr lernen.

Falls es jemanden gibt, dem diese Logik dauerhaft verschlossen bleibt, macht das auch nichts. In der Panik, die Fukushima hierzulande auslöst, wird alles und jedes verdächtig, was auch nur in die Nähe der Kernkraft zu rücken ist. Zum Beispiel die Suche nach 2285 radioaktiven Kugeln, die angeblich aus den Forschungsreaktor Jülich verschwunden waren. Fieberhaft wurde von der rot-grünen Regierung in Düsseldorf nach dem Verbleib der Kugeln gesucht, die exakt dort lagerten, wo sie nach den Unterlagen der Forschungsanstalt auch sein sollten, nämlich in der Anlage selbst. Soviel Ordnung ist im Prinzip zwar lobenswert, aber so gar nicht im Sinne der Programmierer auf der Geisterbahn. Da fehlt der Gruseleffekt. Weil man den aber braucht und gegenwärtig grundsätzlich jedem zu misstrauen ist, der irgendwie irgendwas mit Kernkraft zu tun hat, wurde von nordrhein-westfälischen AntiatomPolitikern weiter nach etwas gesucht, was gar nicht verschwunden war. Damit es dem verängstigten Publikum auf der Geisterbahn so richtig schön gruslig werden konnte, rechnete ein grüner Experte flugs vor, wie viele schmutzige Bomben aus dem verschwundenen Uran samt Thorium zu basteln seien. Doch letztendlich wurde aus der Bastelstunde nichts, weil im Kernforschungszentrum Jülich nichts abhanden gekommen war. Aber es hätte ja sein können, sagen die Antiatom-Experten, schon das allein beweise nachdrücklich und unbestreitbar, wie gefährlich die Atomspalterei sei.

Hans Heckel ist im Urlaub.


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