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23.04.11 / Recht versus Macht / Vor 150 Jahren reklamierten die US-amerikanischen Südstaaten ihre Souveränitätsrechte – Die Strafe folgte auf dem Fuße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Recht versus Macht
Vor 150 Jahren reklamierten die US-amerikanischen Südstaaten ihre Souveränitätsrechte – Die Strafe folgte auf dem Fuße

Befürworter einer Weiterent­wicklung der Europäischen Union zu den Vereinigten Staaten von Europa verweisen gern auf das „Erfolgsmodell“ USA. Dabei wird übersehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht als ein homogenes Staatengebilde, sondern als eine Union souveräner Einzelstaaten gegründet wurden. Als die Südstaaten vor 150 Jahren auf ihre verfassungsmäßigen Souveränitätsrechte pochten, kam es zum blutigen Sezessionskrieg.

Ursache für die Sezessionsbestrebungen des Südens war eine tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und politische Spaltung, die ab etwa 1830 offen zu Tage trat. Der industriell geprägte Norden war dem Süden, in dem die mit Sklavenarbeit betriebene Plantagenwirtschaft der wichtigste Wirtschaftsfaktor war, an Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft weit überlegen. Während die Industriearbeiter im Norden zu Konsum und Wachstum beitrugen und Schutzzölle den Absatz der im Norden produzierten Industriegüter förderten, konnte die Wirtschaft des Südens angesichts der zunehmenden Technisierung in der weiterverarbeitenden Industrie nur durch die Beschäftigung von billigen Sklaven konkurrenzfähig bleiben. So hatten sich im Laufe der Jahre zwei unterschiedliche Gesellschaften in den USA herausgebildet und die Interessen der beiden völlig gegensätzlichen Wirtschaftssysteme ließen sich kaum noch in Einklang bringen.

Immer häufiger kam es zu Konflikten, die die Nation auch politisch in Nord und Süd polarisierten. Vor allem in der Sklavenfrage gab es regelmäßig Auseinandersetzungen. Dort, wo sie bereits existierte, war die Sklaverei durch die Verfassung geschützt. Gleichwohl mehrten sich die von den Abolitionisten im Norden forcierten Angriffe auf die Sklavenhaltung. Diese Kritik wurde von den Südstaaten als Bedrohung der eigenen Kultur, Wirtschaft und Lebensart und als Eingriff in das Eigentumsrecht ihrer Bürger empfunden.

Anlass, wenn auch nicht Ursache für den Bruch war die Wahl Abraham Lincolns zum ersten republikanischen Präsidenten der USA im November 1860. Obwohl Lincoln nicht ausdrücklich für die Abschaffung, sondern lediglich für die Beschränkung der Sklaverei eintrat, spitzte sich der Konflikt im Laufe der folgenden Monate zu. Aus Sicht der Südstaaten ging es nun nicht mehr allein um die Sklavenfrage, sondern vor allem um die Durchsetzung der Rechte der Einzelstaaten, die ihre Souveränität mit dem Beitritt zur Union nicht aufgegeben hätten. Auch dürfe, so die Überzeugung der Konföderierten, die Union keinem Staat ein bestimmtes Gesellschaftssystem aufzwingen. Jeder Bundesstaat habe das Recht, die Union zu verlassen, wenn deren Gesetzgebung und Handlungen gegen seine Interessen verstießen.

Am 20. Dezember 1860 erklärte South Carolina als erster Staat seinen Austritt aus der Union, dem innerhalb weniger Wochen sechs weitere folgten. Der provisorische Kongress eines nunmehr von den USA unabhängigen Staatenbundes wählte den früheren Kriegsminister Jefferson Davis am 9. Februar 1861 in Montgomery, Alabama zum Präsidenten der Konföderierten Staaten von Amerika (CSA).

Obwohl sich Lincoln bei seiner Amtseinführung am 4. März dem Süden gegenüber versöhnlich gab, entsandte er Truppen zur Verstärkung der Besatzung des Forts Sumter in Charleston, South Carolina. Damit waren die Würfel zum Krieg gefallen, denn diese Provokation wollten die Konföderierten nicht hinnehmen. Am 12. April griffen sie das Fort an und nahmen die Besatzung ohne Verluste gefangen. Während dieser militärische Erfolg drei weitere Staaten des Südens zum Abfall von der Union bewog, herrschte im Norden Kriegsstimmung. Die Öffentlichkeit forderte ein hartes Vorgehen gegen die „Rebellen“, da Washington keine Verfassung eines Einzelstaates verletzt habe und es somit keinen Sezessionsgrund gäbe. Nun sah sich Davis gezwungen, vor der Welt die Auslösung des „Bruderkrieges“ zu rechtfertigen. Der Konföderierten-Präsident galt weniger als dogmatischer Verfechter der Sezession, sondern eher als gemäßigter Südstaaten-Nationalist, dem es einzig auf eine Stärkung der Rechte der Einzelstaaten ankam. Als der Bruch mit der Union allerdings vollzogen war, trat er unbeirrbar für den einmal eingeschlagenen Weg ein. In seiner berühmten „War Message“ erläuterte er am 29. April 1861 vor dem CSA-Kongress die Gründe für die Sezession und die Notwendigkeit, diese auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Dabei berief er sich immer wieder auf die US-amerikanische Verfassung von 1787. Sie garantiere den Einzelstaaten ihre Freiheit und Unabhängigkeit und eine eigene Rechtsordnung und Regierungsgewalt, sofern diese nicht ausdrücklich an den US-Kongress abgetreten worden seien. Im Norden habe sich aber die Überzeugung verfestigt, die Regierung vertrete keinen Pakt zwischen den Bundesstaaten, sondern sie stehe über diesen. So sei die Union von einem Bündnis zur gemeinsamen Bewahrung von Freiheit und Unabhängigkeit zu einem Apparat zur Kontrolle der inneren Angelegenheiten der Einzelstaaten pervertiert. Regierung und Kongress hätten die Rechte, die ihnen die Bundesstaaten übertragen hätten, seit einem halben Jahrhundert zum Nachteil des Südens missbraucht. Bei der Sezession gehe es also nicht um die Sklavenfrage und die Besitzstandswahrung des Südens, sondern um dessen Souveränität und Freiheit. Nun sei es an der Zeit, die Verbindung mit den anderen Staaten der Union zu lösen.

In Washington stieß Davis mit seiner Rechtfertigungsrede und der Berufung auf die verfassungsmäßigen Rechte der Südstaaten auf taube Ohren. Sein Widersacher Lincoln war entschlossen, die Union mit allen Mitteln zu erhalten. Es begann ein blutiger Bürgerkrieg, der vier Jahre währen sollte. Obwohl der bevölkerungsreiche und wirtschaftsstarke Norden dem Süden von Anfang an überlegen war, kämpfte die Konförderation mit dem Mut der Verzweiflung für ihre Sache. Selbst als diese schon verloren war, rief Davis seine Landsleute zu noch mehr Anstrengungen und Opfern auf, denn Frieden mit den brutalen Eindringlingen aus dem Norden könne es nicht geben. Doch am Ende siegte der Stärkere. Mit über 600000 Toten bleibt der amerikanische Bürgerkrieg der blutigste Konflikt in der Geschichte der USA.

In der US-amerikanischen Rezeption gilt er als die eigentliche Geburtsstunde der Nation, deren Einheit und Stärke mit dem Blut ihrer Bürger geschmiedet wurde. Nach 1865 setzte die bis 1877 andauernde Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union ein. Sie umfasste nicht nur die Wiederherstellung des Status quo ante, sondern auch die gesellschaftliche und strafrechtliche Behandlung der Protagonisten der Sezession. Und schließlich führte sie zur Aufhebung der Sklaverei und zu einem Schutz aller Bürger unabhängig von der Rasse.

Abraham Lincoln genießt bis heute als Bewahrer der Union höchstes Ansehen. Jefferson Davis hingegen ist weitgehend vergessen.  Wegen Verrats angeklagt, wurde er 1867 gegen Kaution entlassen und verbrachte viele Jahre in Europa.  Die US-Staatsbürgerschaft wurde ihm erst 1978 posthum wieder zuerkannt.         Jan Heitmann


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