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23.04.11 / Am Puls einer Sprache / Germanist zeichnet die Geschichte des Deutschen nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Am Puls einer Sprache
Germanist zeichnet die Geschichte des Deutschen nach

Da behaupte noch einmal jemand, Professoren wüssten nur gelehrte, dickleibige und schwer lesbare Werke zu produzieren. Der Kölner Germanist Karl-Heinz Göttert beweist einmal mehr das Gegenteil. Neben seinen fachwissenschaftlichen Arbeiten verfasste er eine Reihe von historischen Kriminalromanen, die neben einer spannenden Handlung auch äußerst geschickt Wissen transportieren. Nun hat Göttert mit „Deutsch – Biographie einer Sprache“ ein Buch geschrieben, welches in bester didaktischer Manier die Geschichte der deutschen Sprache vermittelt. Sachkundig ist das Buch fraglos, mit 400 Seiten auch nicht unbedingt schmal – aber eben hervorragend lesbar und lesenswert.

Unaufdringlich belehrend, immer wieder mit unterhaltsamen Anekdoten durchsetzt, führt Göttert durch die Entstehung und Entwicklung der Sprache, die nachweislich im Jahre 786 erstmals als „deutsch“ bezeichnet wurde. Allerdings ist dieser Beleg lateinisch verfasst. Es handelt sich um den Bericht eines päpstlichen Legaten, dass auf einer Synode die Beschlüsse laut verlesen worden seien. Und zwar in zwei Sprachen: Sowohl auf Latein als auch auf Deutsch („tam latine quam theodisce“).

Viel gibt es bei Göttert zu entdecken und wiederzuentdecken, wobei Sprach- und Literaturgeschichte natürlich auf das Engste miteinander verwoben sind. Auf die Rolle des Benediktinermönchs Notker wird verwiesen, der den Beinamen „der Deutsche“ erhielt. Eine große Anzahl von Werken übertrug er aus dem Lateinischen.

Groß war der Einfluss der Rechtssprache. Dies ist bis auf den heutigen Tag erkennbar. So wird bei Gericht noch immer eine „Klage“ eingereicht. Ihren Ursprung hat diese Bezeichnung darin, dass in früherer Zeit „Klagen“ mündlich und entsprechend emotional verstärkt vorgetragen wurden.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erarbeitete Eike von Repgow den „Sachsenspiegel“. Ungewöhnlich war dieses Rechtsbuch gleich in mehrfacher Hinsicht: Zum einen war es auf Deutsch (in diesem Falle Niederdeutsch) und nicht auf Latein  geschrieben, zum anderen in Prosa und nicht, wie zu dieser Zeit üblich, in Reimen. Übrigens berief sich das Reichsgericht 1932 zum letzten Mal auf dieses Werk.

Wir begegnen den Epikern Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach. In der Minnelyrik tat sich Heinrich von Morungen hervor, wegen der von ihm vielfach thematisierten unglück-lichen Liebe heute auch gern als „Heulboje des Mittelalters“ bezeichnet.

Bekannt ist die große Bedeutung der Luther-Bibel für die deutsche Sprache. Ein Zentrum, welches die Sprachentwicklung steuerte, gab es allerdings nicht. Natürlich waren da immer wieder Versuche, verbindliche Standards festzulegen, etwa wenn es darum ging, den Einfluss anderer Sprachen abzuwehren. Hier tat sich beispielsweise Johann Heinrich Campe zu Beginn des 19. Jahrhunderts hervor. Ihm gelang es etwa, das Wort „Erdgeschoss“ für „Parterre“ zu etablieren. Mit den Begriffen „Zwangsgläubiger“ (statt „Katholik“) und „Freigläubiger“ (statt „Protestant“) war ihm weniger Erfolg beschieden.

Sprachpurismus ist nicht die Sache von Karl-Heinz Göttert. Auf die Zukunft des Deutschen blickt er sehr gelassen, er betont, dass sich Sprachen immer entwickeln und auf Austausch angewiesen sind. Insofern ist sein Werk auch ein wenig als Streitschrift gegen Jutta Limbachs Buch „Hat Deutsch eine Zukunft?“ von 2008 zu verstehen. Aber selbst wenn man dazu neigt, die diesbezüglichen Sorgen der ehemaligen Präsidentin des Goethe-Instituts zu teilen, so hat die deutsche Sprache doch mit Göttert einen guten Biographen gefunden.        Erik Lommatzsch

Karl-Heinz Göttert: „Deutsch – Biographie einer Sprache“, Ullstein, Berlin 2010, geb., 400 Seiten, 19,95 Euro


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