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23.04.11 / Ideales Feld für Ethnologen / Hans Magnus Enzensberger nimmt auf amüsante Weise die EU aufs Korn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Ideales Feld für Ethnologen
Hans Magnus Enzensberger nimmt auf amüsante Weise die EU aufs Korn

„Für was steht EUGöd?“ Die Frau in der U-Bahn neben mir, der Rezensentin, blickt mich fragend an. „Und für was steht ACER, CEPOL, CPVO und so weiter?“ Sie nimmt mir das Buch „Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas“ von Hans Magnus Enzensberger aus der Hand, liest den Titel und den Namen des Autors und gibt mir das Buch zurück. „Ich arbeite in der Verwaltung, kenne also viele Abkürzungen, nur das sagte mir eben nichts, als ich ihnen beim Lesen über die Schulter blickte“, erklärt sie ihre Frage und blickt dann prompt wieder aus dem U-Bahn-Fenster. An einer Antwort auf ihre Frage scheint sie nicht mehr interessiert, denn was bitte hat die EU mit ihrem Alltagsleben zu tun? Sehr viel, wie der Schriftsteller Enzensberger in dem vorliegenden Buch ausführt.

In dem nur 67 Seiten umfassenden Büchlein gelingt es dem Autor hervorragend, kurz, knapp und bündig all das an Brüssel aufzuzählen, was einen normalen Bürger zur Weißglut bringen könnte, wenn er denn überhaupt von all den Missständen wüsste. Doch nicht nur, dass kaum ein Bürger weiß, was EUGöd ist, auch das EuroparlTV, in dem es vielleicht Berichte über die Arbeit der EU gibt und das die EU-Bürger pro Jahr zehn Millionen Euro kostet, kennt kaum jemand. Doch der Autor meint, dass die Politiker und Beamten in Brüssel gar nicht wollen, dass die EU-Bürger im Detail wissen, was dort geschieht. Als Beleg für seine These verweist er auf den Umstand, dass es in Brüssel Widerstand dagegen gibt, die jeweiligen Nettobeiträge der Länder zu veröffentlichen, da die „antieuropäische Lobby“ diese Zahlen gegen die EU verwenden könnte. Auch sei es schwer nachvollziehbar, wie viele Mitarbeiter die EU hat und wie viel diese verdienen. Presseberichten zufolge schwanke die Zahl der Beamten und Beschäftigen zwischen 15000 und 40000. Auch beschreibt der Autor die Personalauswahl der EU und bedauert amüsiert, dass es die „meisten Ethnologen eher nach Papua-Neuguinea als nach Brüssel zieht; denn dort würde sich der Forschung ein besonders eigentümliches Feld eröffnen.“

Enzensberger mokiert sich über das Brüsseler Streben nach totaler Vereinheitlichung: „Müssen nicht überall, ganz ohne

Rücksicht auf Klima und Erfahrung, überall die gleichen Baustoffe verwendet werden? Kann es jedem Land überlassen bleiben, wie es in seinen Universitäten und Schulen zugeht? Wer sonst als die Kommission soll darüber befinden, wie der europäische Zahnersatz oder die europäische Kloschüssel auszusehen haben? Wäre nicht ein heilloses Durcheinander zu befürchten, wenn über solche Fragen in Stockholm oder London statt in Brüssel entschieden würde?“

Am Ende seiner Ausführungen verweist der Autor auf den preußischen General Clausewitz, der den Rückzug als die schwierigste aller Operationen ansah. Doch genau das sollte die EU wagen, denn „wer sich in eine Sackgasse verrennt und nicht umkehren kann, fordert der nicht seine eigene Niederlage heraus?“ Bel

Hans Magnus Enzensberger: „Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas“, Edition Suhrkamp, Berlin 2011, broschiert, 67 Seiten, 7 Euro


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