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23.04.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Schnelle Hasen / Welchem Tier unsere Politiker nacheifern, wie mal wieder alles alternativlos wurde, und wie uns Philipp Röslers Mitgefühl tröstet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Schnelle Hasen / Welchem Tier unsere Politiker nacheifern, wie mal wieder alles alternativlos wurde, und wie uns Philipp Röslers Mitgefühl tröstet

Zu Ostern blicken uns von allen Bildern niedliche Hasen an: Schlau sehen die aus, und sind dabei atemberaubend schnell und wendig. Auf bis zu 70 Kilometer pro Stunde kann Meister Lampe beschleunigen und dabei Haken schlagen, dass es jedem Jagdhund die Lunge aus dem Hals treibt.

Tolle Tiere, da sind sich alle einig. Und wie seit jeher ist der Mensch bemüht, von den Tieren zu lernen. Der sehnsüchtige Blick zu den Vögeln war es schließlich, der unsere Vorfahren das Fliegen lehrte. Ohne die Gefiederten wären wir vermutlich nie drauf gekommen, dass wir uns auch durch die Luft fortbewegen könnten.

Während die Flugzeugpioniere  den Vögeln nachgeschmachtet haben, blickten unsere Politiker sehnsuchtsvoll den Hasen hinterher. Uns kommt im Traum der Politiker die Rolle des erschöpften Dackels zu: Gern würden wir die Langohren einholen und an einer Stelle fixieren, doch bei den Haken und der Geschwindigkeit können wir nur staunend hinterher hecheln.

Es ist ja erst Wochen her, dass die Kanzlerin ihren Atomkurs um 180 Grad abwinkelte, nachdem in Fukushima die deutsche Welt untergangen war: Raus, nur raus aus der Kernkraft, hieß der neue Kurs, dem der Rest der Hasenbande parteiübergreifend folgte. Und nicht genug, die Schau geht weiter: Schon zeichnet sich die nächste Wende ab.

In der SPD breitet sich nämlich die Furcht aus, über die eigenen Vorderläufe zu stolpern und darauf vom bösen Wolf des Volkszorns gerissen zu werden. Wieso? Na ja: Noch sind die Deutschen ja ganz begeistert vom „sofortigen Ausstieg“ aus dem Teufelskram. Schließlich haben uns die Fachleute versprochen, dass der Ausstieg nicht nur kaum etwas kostet, sondern sogar noch Geld einbringt – ist doch wunderbar!

Indes: Es sind dieselben Fachleute, die uns vor Jahren vorgeschwärmt haben, dass uns unsere Hundert-Milliarden-Subvention für die Solarwirtschaft am Ende alle reich machen würde, weil dann drei Viertel der Welt unsere Solargeräte kaufen müsse. Die Sache kam etwas anders: Ausländische Hersteller haben sich drei Viertel des deutschen Marktes an Solaranlagen gegriffen und so ordentlich an der „Solarstromvergütung“ verdient, kurz: Wir haben vor allem Chinesen subventioniert. Mit der Erfahrung im Genick sind manche Deutsche miss­trauisch geworden und fragen (aber erst, nachdem ihre Köpfe einen Teil der Empörungs-Restwärme von Fukushima wieder abgegeben haben) nach den Kosten der neuerlichen „Energiewende“.

Was die SPD damit zu tun hat? Nun, die Sozialdemokraten muss kürzlich jemand daran erinnert haben, dass sie die „Partei der kleinen Leute“ sein will, weshalb ihr die Frage nach der Rechnung besonders gefährlich werden könnte. Ihr Fraktionsvorsitzender Steinmeier barmte daher vergangenes Wochenende, bei den Kosten doch wenigstens an die Industrie zu denken, kurzum: ein wenig auf die Bremse zu treten.

Für Schwarz-Gelb gar nicht so einfach, weil für Union und FDP der jüngste Haken der schärfste war. So kurz danach noch eine solche Biege hinzulegen und vom knalligen Anti-Atom-Kurs nun schon wieder auf einen pragmatischen Weg zu wechseln, das könnte selbst den gelenkigsten Rammler aus der Kurve schmeißen.

So verlegt man sich auf die Baldriantherapie: Wirtschaftsminister Brüderle schätzt die Kosten für den Turbo-Ausstieg öffentlich auf nur zwei Milliarden. Glaubt er das selber? Vermutlich nicht. Moderate Stimmen gehen von um 20 Prozent höheren Strompreisen aus, weniger nette gar von 30 bis 50 Prozent.

Daher reden die Politiker am liebsten gar nicht über Zahlen, weichen konkreten Auskünften über Kosten soweit es geht aus. Ihre Antworten erinnern dabei stark an jene, welche die skeptischen Stimmen erhielten, die einst nach den Kosten des Euro fragten: Das sei alles noch gar nicht abzusehen. Und außerdem: Nur nach den Kosten zu fragen, lenke vom großen Ziel ab. Das wunderbare Reformwerk sei historisch alternativlos und außerdem seien wir es unseren Kindern schuldig.

Himmel, was wir denen schon alles schuldig sind! Die Begleichung von Staatsschulden in Höhe von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Reparatur eines Jahr für Jahr maroderen Straßennetzes und der modernden Schulen und Universitäten samt dem dahinsiechenden Bildungssystem, die Grundsanierung eines erwiesenermaßen ineffizienten Sozialstaats und nun auch noch die Rettung von Griechenland, Irland, Portugal und wer da sonst noch kommt.

Da kommt es auf eine Ad-hoc-Energiewende mit „möglicherweise“ desaströsen Folgen für die Strompreise in der Industrie gar nicht an: Immer druff, das wird schon. In 20 Jahren sollen die anderen Völker, die uns heute auslachen wegen unserer Selbstausweidung, mal sehen: Dann haben wir das gute Gewissen und ihr bloß Industrie, Wohlstand und Geld für Schulen und Straßen!

Die dramatisch forcierte Energiewende wird nämlich bestimmt dabei helfen, jene schrecklichen Ungleichgewichte zu beseitigen, welche Deutschland so aufreizend gut durch die jüngste Weltwirtschaftskrise haben gleiten lassen. Das habe auch daran gelegen, dass die Deutschen immer noch eine ziemliche große und irritierend konkurrenzfähige Industrie besäßen, schimpfen unsere Freunde.

Indes: Ein Großteil der Produktionskosten fällt heute nicht mehr in die Lohntüten der Beschäftigten, sondern verschwindet durch die Stromleitung. Mit ökologisch aufgeblähten Strompreisen könnten Produktionsverlagerungen ins Ausland im ganz großen Stil befördert werden, sodass sich dieser für das Ausland inakzeptable deutsche Vorteil ganz schnell erledigen könnte.

Was wir unseren Kindern schuldig sind? Vor diesem Hintergrund vor allem eines: Mitgefühl. Dass eine Generation die materielle Basis der nächsten ohne Kriegseinwirkung in solcher Geschwindigkeit verballert, das hat es nämlich noch nie gegeben.

Philipp Rösler hat das als erster erkannt und den „mitfühlenden Liberalismus“ zu Wasser gelassen in das Meer der Tränen unserer Rührung über das Schicksal unserer Nachkommen. Schluss soll sein mit der „Verengung auf wirtschaftliche Themen“ in der FDP. Wer kann sich auch für so etwas Schnödes wie Wirtschaft interessieren, wenn es „um die Zukunft unserer Kinder“ geht. Und sollen die zwischen Kupferhütten und Atomkraftwerken, neben Autofabriken und Hochspannungsleitungen leben? Nein, und das werden sie auch nicht, wenn wir unsere erfolgreiche, von menschlicher Wärme statt kalter Faktenhuberei gestaltete Politik nur konsequent fortsetzen.

Es geht auf allen Ebene voran: Wie viel menschlicher wir bereits geworden sind, sieht man nicht bloß an den Wahlergebnissen der Grünen oder der neuen Herzlichkeit der Liberalen. Das verraten sogar sprachliche Nuancen. In den 80ern wurde eine junge grüne Bundestagsabgeordnete noch Opfer dröhnenden Gelächters, weil sie einen Satz mit „Ich finde ...“ begann. Nicht deine kindischen Empfindsamkeiten interessieren hier in der Volksvertretung, sondern Fakten und hart zu verteidigende Auffassungen – so die eiseskalte Botschaft der belustigten Parlamentarier.

Über diese frostige Epoche sind wir weit hinausgewachsen. Heute „findet“ sogar die CDU-Kanzlerin jeden Tag alles Mögliche. Die Politiker haben eben begriffen, dass wir viel lieber geknuddelt werden wollen als regiert, dass unsere Stimmungen uns weitaus wertvoller sind als „faktenorientierte Staatsführung“. Deshalb mögen wir den hakenschlagenden, wuscheligen Hasen auch viel lieber als die grauen Leitwölfe von einst, die grimmig den Kurs vorgaben. Zwar hatten die ein Ziel und man konnte sie packen und festnageln, wenn’s einem nicht gefiel, während einem der hakenschlagende Hase beständig davonglitscht. Doch dafür sieht der Hase viel mitfühlender aus, finde ich.


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