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30.04.11 / Breslau: Metropole mit Selbstbewusstsein / Die Stadt pflegt ihre deutsche Vergangenheit − Neben alten Traditionen entstanden neue wie das legendäre Festival »Jazz an der Oder«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-11 vom 30. April 2011

Breslau: Metropole mit Selbstbewusstsein
Die Stadt pflegt ihre deutsche Vergangenheit − Neben alten Traditionen entstanden neue wie das legendäre Festival »Jazz an der Oder«

Breslau, Wrocqław, Vratislav, Prassel – alles abgeleitet vom Namen des böhmischen Herzogs Vratislav I., der die Stadt ums Jahr 900 gegründet haben soll. Städtische Keimzelle ist die Dominsel, polnisch Ostrow Tumski, nördlich des Zentrums, und wie sich die Stadt bis 1226, als die gotische Magdalenenkirche gemauert wurde, entwickelte, will seit 2007 im Stadtmuseum Breslau, auf deutsche Anregung hin und zu „Lehrzwecken“, ein polnisch-deutsches Team von Architekten und Kunsthistorikern per Computeranimation herausfinden.

Der jüngsten Geschichte sind Pionier-Soldaten auf der Spur, die mit Breslau ständige Mühe haben. Pro Jahr müssen sie rund 400 mal ausrücken, um Blindgänger der Kämpfe vom Frühjahr 1945 zu räumen, als die „Festung Breslau“ verbissen verteidigt wurde. Die halbe Stadt lag in Trümmern und musste mühevoll wieder aufgebaut werden, wobei ab 1990 das deutsche „Erbe“ liebevoll gepflegt wurde.

In Breslau steht auch das „Schulungszentrum der Ingenieurstruppen“, das seit Jahren im Härtetest steht: 2012 wird Polen Mitausrichter der Fußball-Europameisterschaft sein und die Pioniere sollen mögliche Anschläge von vornherein verhindern.

Ganz zivil sind die Universität und die Technische Hochschule der Stadt, die sich mit jeder europäischen Hochschule messen können, dabei Traditionen der eigenen Art pflegen: Die Universität wurde 1702 vom Habsburger Kaiser Leopold I. gegründet, die TH am 29. November 1910 vom deutschen Kaiser Wilhelm II. Beide betrachten sich als Fortsetzer der einstigen polnischen Hochschulen von Lemberg, das Stalin samt umliegender Westukraine bereits 1939 raubte. Das weiß jeder Pole, weswegen es bei akademischen Feiern nur gestreift wird. Lieber erinnert man sich an die zehn deutschen Nobelpreisträger, die aus Breslau hervorgingen.

Breslau liebt seine Traditionen, egal welcher Art sie sind und von wem sie stammen. Mitte April 2011 klirrten polnische und ungarische Musketiere um das städtische Arsenal herum, um eine historische Schlacht aus der Zeit des polnisch-schwedisch-litauischen Herrschers Sigismund III. Wasa nachzustellen. Derartige Soldatenspiele sind seit Jahren das Hobby der Breslauer und der Niederschlesier überhaupt, alle vereint in dem „Verband der südlichen Stämme“, der wiederum zur „Federation Silesiae“ gehört. Breslau ist das Zentrum derer, die sich ganz ernsthaft mit altem Militär, Handwerk, Musik, Tanz, Sport etc. befassen und dabei selbst ihre Frauen und Kinder mit einbeziehen.

Ständig bringt die Stadt neue Traditionen hervor, beispielweise „Jazz an der Oder“, das legendäre Breslauer Jazzfestival, das Anfang März zum 47. Mal stattfand. Längst ist es weltberühmt und ein „Magnet“ für Jazzgrößen aus Europa und Übersee. Gerade ist die Siegerlis-te des Wettbewerbs der Lokalreporter „So lebt die Stadt“ herausgekommen. Gewonnen hat einer, der der Frage nachging „Woher Breslauer Straßen ihre Namen haben“, zum Beispiel „ulica Psie Budy“, deutsch „Hundehüttenstraße“. Noch im Gang ist die Aktion „Nenne die sieben Wunder Breslaus“, die interessante Ergebnisse verspricht.  

Mitmachen ist überhaupt gute Breslauer Art, etwa im August 2009, als die Bürger die Farbgebung der neuen „Tramwaj Plus“ bestimmen sollten. Die Bahn wird das Paradestück des klugen Verkehrssystems sein, das Breslau sich ausdachte und für das Warschau und Brüssel bereitwillig Millionen herausrückten. Und die Bahn wird dunkelblau lackiert, wie die Breslauer mehrheitlich entschieden hat. Gebaut wird sie im Skoda-Werk im tschechischen Pilsen und seit Dezember 2010 werden die Züge per Tieflader herangekarrt. Ende 2011 sollen alle bestellten 31 Züge in Breslau vor Ort sein, bis dahin will Verkehrschef Witold Turzanski auch zwei neue Bahntrassen fertig haben.

Die erste Tramwai Plus hat ihre Breslauer Probefahrt absolviert – unter Umständen, wie sie nur Polen erdenken können. Im Jahr 1957 schick­ten die Russen die Hündin Laika in den Weltraum, am 11. März 2011 fuhr die polnische Hündin Jojka allein durch Breslau. Wenigstens eine kurze Strecke, dann enterten Bürgermeister Dutkiewicz samt Journalisten die Bahn und stahlen Jojka die Show.            Wolf Oschlies


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