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30.04.11 / Zimmer zum Nulltarif / Der Wohnungssuchende schlug die Wirtin mit ihren eigenen Waffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-11 vom 30. April 2011

Zimmer zum Nulltarif
Der Wohnungssuchende schlug die Wirtin mit ihren eigenen Waffen

Das waren Zeiten, wenn man auf Wohnungs- oder Zimmersuche ging. Nun ja, es war wirklich ein schönes Zimmer. Endlich hatte ich es also geschafft. Nur noch der finanzielle Teil war zu regeln. „Bitte sehr“, sagte ich und zog meine Brieftasche. „Was soll dieses Zimmer kosten?“ – „Der Grundpreis“, sagte meine künftige Wirtin, „beträgt 20 Mark.“ 20 Mark? Wer hätte das gedacht? „Gut“, sagte ich und öffnete die Brieftasche. „Sie müssen mich erst zu Ende reden lassen“, sagte die Frau und stemmte ihre Arme in die Hüften. „Grundpreis 20 Mark, das ist richtig. Aber ich nehme an, dass Sie auch die Toilette draußen auf dem Gang mitbenutzen möchten, oder?“ „Ja“, sagte ich, „natürlich, gern.“ „Dann muss ich 40 berechnen. Und vermutlich wollen Sie auch einen Schlüssel für dieses Zimmer haben?“ „Ja“, sagte ich, „natürlich.“ „Dann muss ich 60 nehmen. Wünschen Sie Frühstück?“ „Ja, gern.“ „Also jeden Morgen ein Brötchen, fünf Gramm Butter, 20 Gramm Marmelade, ein kleines Kännchen Kaffee, ein großes Stück Zucker – macht 20 Mark mehr.“  „80 demnach?“ erkundigte ich mich. „Ja, genau. Übrigens – vermutlich wollen Sie sich im Hause waschen. Nun gut, ich bin kein Unmensch. Sie dürfen jenes Waschbecken dort in der Ecke benutzen. Einmal morgens, einmal abends. Macht 20 Mark mehr. Also 100 insgesamt.“ – „Gut“, sage ich, „hier sind 100 ...“

„Einen Augenblick noch! Brauchen Sie Licht?“ Ich sah mich um. Eine Deckenbeleuchtung, eine Nachttischlampe und ein Lämpchen über dem Wandspiegel beim Waschbecken. „Ja“, sagte ich, „nach Möglichkeit...“ „Da muss ich natürlich 20 Mark mehr berechnen. Rasieren Sie sich elektrisch? Ich sehe, Sie nicken mit dem Kopf. 20 mehr! Insgesamt 140. Das Klavier dort neben dem Fenster ist übrigens das Piano meines Verblichenen. Er hat es sehr geliebt, Er war das, was man musikalisch nennt. Sind Sie auch musikalisch?“ „Doch, ja ...“  „Schön, Sie dürfen es mitbenutzen. Macht 20 mehr. 160 zusammen. Ach so – machen Sie Ihr Bett selbst?“ – „Danke, ich habe es mir überlegt!“ sagte ich und steckte meine Brieftasche wieder ein. Ich war wütend und enttäuscht. Ich verabschiedete mich und ging.

Am selben Vormittag begab ich mich zum Friseur und ließ mir eine andere Frisur machen. Anschließend zog ich mich völlig um, klebte mir einen Schnurrbart an und probierte eine andere Stimme. Dann machte ich mich auf den Weg, mir dasselbe Zimmer noch einmal anzusehen. Ich sah mich flüchtig um und sagte: „Also 160 Mark. Wo sind denn die Toiletten?“ „Draußen auf dem Gang“, antwortete die Wirtin. „Schön, nicht nötig. Ich besitze ein eigenes Plastiktöpfchen. Ziehen wir also 20 ab. Und da es bei mir kaum etwas zu stehlen gibt, außer besagtem Töpfchen, brauche ich auch keinen Zimmerschlüssel. Dafür ziehen wir ebenfalls 20 ab. Bleiben 120. Geben Sie Frühstück?“ „Selbstverständlich!“  „Nicht nötig, ich will abnehmen! 20 weniger! Waschen werde ich mich in der Firma. Ebenfalls 20 ab. Bleiben 80. Auf Licht verzichte ich. Bleiben 60. Und da ich mich nicht elektrisch rasiere, bleiben 40. Außerdem bin ich unmusikalisch, Sie können das Klavier hinausschieben. Bleiben 20. Das ist, wenn ich richtig orientiert bin, der Grundpreis, nicht wahr? Der Preis für die nächtliche Benutzung des Bettes, gewissermaßen.“ „Ja, aber.“ „Sehen Sie“, sagte ich, „dann werden wir uns schon einig. Da ich nämlich eine Stellung als Nachtwächter habe, fällt auch die nächtliche Benutzung des Bettes weg. Somit kostet das Zimmer nichts.“ „Und was wollen Sie damit sagen?“ – „Dass ich das Zimmer für diesen Preis nehme!“ Willi Wegner


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