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07.05.11 / Von der Sensation zur Routine / Was Ärzte heute alles können – und was der Fortschritt kostet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-11 vom 07. Mai 2011

Von der Sensation zur Routine
Was Ärzte heute alles können – und was der Fortschritt kostet

Es ist gerade einmal 44 Jahre her, seit Christiaan Barnard in Kapstadt die erste Herztransplantation wagte. Inzwischen ist die komplizierte Operation fast schon Routine. Die Zahl der Menschen, in deren Brust ein fremdes Herz zum Schlagen gebracht wurde, nähert sich der 100000.

Ebenfalls 1967 wurde in Cleveland/USA das Bypass-Verfahren zur Korrektur lebensbedrohender Verengungen der Herzkranzgefäße entwickelt. Heute werden nach einer Statistik des Deutschen Herzzentrums München allein in Deutschland jährlich über 60000 solcher Operationen durchgeführt. Deutsche Kliniken haben sich auf diesem Gebiet weltweit einen hervorragenden Ruf erworben. Beispielsweise fällt im Klinikum Vogtareuth im oberbayerischen Chiemgau die hohe Zahl arabischer Patienten auf – diese offensichtlich gutbetuchte Klientel ermöglicht eine personelle und technische Ausstattung auf höchstem Niveau.

Für den „Normalverbraucher“ liegen die Kosten einer solchen Operation bei durchschnittlich etwa 12000 Euro. Rechnet man Vorbehandlungen und Untersuchungen (Herzkatheder) sowie Nachbehandlung und Reha hinzu, dürfte der Bypass-Patient das Gesundheitswesen mit durchschnittlich etwa 20000 Euro belasten.

Nicht nur in der Chirurgie, auch in der Diagnostik hat die ärztliche Kunst enorme Fortschritte gemacht. So kann man heute mit Computertomographen dreidimensional in den Körper des Patienten hineinblicken, millimetergenau Krankheitsherde identifizieren und dabei die Strahlenbelastung auf ein nicht mehr relevantes Minimum reduzieren. Dazu bedarf es einer  hochspezialisierten und entsprechend teuren Ausbildung des Arztes, aber auch der Entwick-lung zuverlässiger, technisch extrem aufwändiger Apparate.

Auf diesem Gebiet ist Deutschland weltweit in der Spitzengruppe: Medizintechnik made in Germany ist nach wie vor ein Exportschlager. Ähnliches gilt für die Pharmaindustrie. Zwar ist im Zeitalter der Globalisierung und Fusionierung internationaler Großkonzerne Deutschland nicht mehr wie früher die „Apotheke der Welt“, aber doch noch in der Spitzengruppe. Leider auch bei den Preisen: Deutsche Medikamente sind nirgendwo so teuer wie in Deutschland, was mit hohen Forschungs- und Entwick-lungskosten im Milliardenbereich nur zum Teil zu erklären ist. In Frankreich zum Beispiel ist es üblich, bei neuentwickelten Medikamenten aus Deutschland zunächst die Zulassung beim östlichen Nachbarn abzuwarten und dann für den eigenen Markt die deutschen Preise um rund 20 Prozent zu reduzieren.

Insgesamt hat der medizinische, technische und pharmazeutische Fortschritt bewirkt, dass heute viele Menschen mehr oder weniger beschwerdefrei leben können, die früher keine Chance hatten. Der Preis dafür ist hoch – mehr als eine Viertel Billion Euro im Jahr kostet unser Gesundheitswesen. Die Frage ist, wie viel wir uns noch leisten können – und nicht, was Gesundheit uns wert ist.      H.J.M.


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