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07.05.11 / Ältester Ordensbesitz auf deutschem Boden / Thüringen gehörte zu den wichtigsten Provinzen des Deutschen Ordens im Reichsgebiet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-11 vom 07. Mai 2011

Ältester Ordensbesitz auf deutschem Boden
Thüringen gehörte zu den wichtigsten Provinzen des Deutschen Ordens im Reichsgebiet

Der Deutsche Orden war in Verwaltungsbezirke, so genannte Balleien, unterteilt. Eine der wichtigsten war die Ballei Thüringen, die schon in den Anfangsjahren des Ordens eine bedeutende Rolle spielte. Im Laufe ihres Bestehens umfasste sie an die 100 Kommenden (Ordensniederlassungen mit selbstständiger Verwaltung) und Patronatskirchen, die in den heutigen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie in der heutigen Tschechischen Republik liegen.

Entscheidend war Thüringen auch am Aufbau des Ordens im Preußenland beteiligt und stellte mehrere hervorragende Hochmeister wie Hermann von Salza (1209-1239), Konrad von Thüringen (1239-1240), Anno von Sangershausen (1256-1273), Hartmann von Heldrungen (1273-1282), Dietrich von Altenburg (1335-1341), Heinrich von Plauen (1410-1413) und Heinrich Reuß von Plauen (1469-1470). Mit der vom Orden initiierten Besiedlung kamen auch thüringische Siedler ins Preußenland, die neben ihrem thüringischen/mitteldeutschen Dialekt auch die Namen ihrer Heimatorte, wie Saalfeld und Mühlhausen, mitbrachten.

Die Geschichte des Deutschen Ordens in dieser Region begann im Jahr 1200 mit der Schenkung eines Grundstückes bei Halle a. S. zur Errichtung eines Spitals. Dieses ist damit der älteste urkundlich belegte Ordensbesitz auf deutschem Boden und bildete den Grundstock der späteren Ballei Thüringen. Daher wird in der ordenseigenen Tradition die Ballei Thüringen als die älteste in Deutschland angesehen. Nach weiteren Schenkungen wurde 1236, wahrscheinlich auf dem Generalkapitel (Versammlung der Amtsträger) in Marburg, die Ballei Thüringen-Sachsen geschaffen. Sie bestand aus den Kommenden Halle, Altenburg mit Nennewitz, Zwätzen, Nägelstedt, Plauen, Mühlhausen, Griefstedt und Bremen. Daneben gab es Besitzungen in Magdeburg, Elmsburg, Langeln, Dommitzsch und Dahnsdorf sowie ein Hospital in Goslar. Die Ballei umfasste somit Besitzungen von der Unterweser bis ins Vogtland. Diese bedeutende Entfaltung des Ordens lag vor allem bei den Thüringer Landesfürsten begründet, die dem Orden besonderen Schutz gewährten. Mitglieder des Landgrafenhauses bekleideten hohe Ordensämter, wie Hochmeister Konrad von Thüringen. Seine Schwägerin, die heilig gesprochene Elisabeth, wurde eine Schutzpatronin des Ordens.

An der Spitze der Ballei stand ein Landkomtur, der im Fall Thüringens dem Deutschmeister (Stellvertreter des Hochmeisters in den Reichsgebieten) unterstellt war. Der erste urkundlich nachweisbare Landkomtur mit vollem Namen war Eckehard von Trebsen, welcher in Urkunden aus der Mitte des 13. Jahrhunderts als „commendator … in partibus Thuringie et Saxonie“ erscheint. Als Sitz wurde die Kommende Zwätzen gewählt (heute Vorort von Jena). Bis zur Auflösung der Ballei Thüringen wurde von hier aus die gesamte Provinz verwaltet. Auf dem Generalkapitel des Ordens im Mai 1287 in Frankfurt a. M. wurde die Teilung der Ballei in die Provinzen Thüringen und Sachsen angeregt und durchgesetzt. Seit diesem Zeitpunkt existierten die Balleien getrennt voneinander. Die Kommenden und Besitzungen in Thüringen und im Vogtland bildeten fortan die Ballei Thüringen, während die Häuser von der mittleren Elbe bis ins welfische Gebiet die Ballei Sachsen ausmachten.

Die ordenseigene Tradition und vorerst auch das alte Amtssiegel gingen auf die neu geschaffene Ballei Thüringen über. Die Aufgaben der thüringischen Häuser waren nicht, wie die im Preußenland militärischer Natur, sondern lagen hier in der Mission, Seelsorge, Pflegedienst und im Schulwesen. Für adelige Herren war es deshalb anziehend, hier ihren Lebensabend zu verbringen.

Als dann im beginnenden 16. Jahrhundert in Thüringen und Sachsen die Reformation eingeführt wurde, fand der Deutsche Orden bei seinen Abwehrversuchen lediglich Unterstützung bei den Vögten von Weida, Gera und Plauen und bei der Reichsstadt Mühlhausen. Doch letztlich setzten sich die wettinischen Landesherren mit der Einführung der Reformation durch und säkularisierten geistliche Einrichtungen. Güter der einzelnen Kommenden wurden beschlagnahmt und Brüder mussten zum Luthertum übertreten, jedoch blieb die Ballei bestehen. Der Deutsche Orden verlor dadurch in Thüringen die meisten seiner Häuser und Einrichtungen. Bis zur Aufhebung des Ordens im Jahr 1809 verblieben ihm nur die Häuser Zwätzen, Liebstedt und Nägelstedt.

Der Orden hatte auch Besitzungen in Erfurt, so ein Haus in der Nähe der Lehmannsbrücke, zwischen der Kirche St. Nikolai und dem Augustinerkloster. Dort erhielt der Orden durch Kauf vom Kloster Reinhardsbrunn im Jahr 1251 ein Gelände, auf welchem er den sogenannten Comthurhof errichtete. Er bildete den Grundstock für weitere Besitzungen in Erfurt. Eine selbstständige Kommende muss aber hier nur kurz bestanden haben, da die Erfurter Besitzungen später der Kommende zu Griefstedt unterstellt waren, welche 1284/85 an die Ballei Marburg/Hessen fiel. Zur Hauskirche wurde die Kirche St. Nikolai bestimmt, wovon heute nur noch der Turm erhalten geblieben ist. Bis 1790 besaß der Orden das Patronatsrecht an der Kirche, das dann auf die Kurfürsten von Mainz überging. 

Das jetzige Gebäude des Comthurhofes wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts im Renaissance-Stil erbaut und ging 1787 in den Besitz der kurfürstlich-mainzischen Regierung, dann 1855 in Privathand über.Enrico Göllner


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