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07.05.11 / Charme statt Nervenkitzel / Ein Gauner auf Mörderjagd

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-11 vom 07. Mai 2011

Charme statt Nervenkitzel
Ein Gauner auf Mörderjagd

Man nehme einen abgebrannten Lebemann Anfang 40 als Ermittler, seinen guatemaltekischen Diener als Gehilfen, eine liebestolle Millionärstochter, einen Kunstdiebstahl und den Mord an einem Antiquitätenhändler – schon hat man die Zutaten für Martin Suters ersten Kriminalroman. In „Allmen und Libellen“ kehrt der Schweizer Bestsellerautor und Werbetexter die Logik von Detektiv und Assistent um. Während Johann Friedrich von Allmen das gesamte Familienerbe mit seinem ausschweifenden Lebensstil verprasst hat und aus der modernen Medienwelt lieber in seine Bibliothek zwischen Balzac und Simenon, in die Oper zu Mozarts Zauberflöte und Puccinis Madame Butterfly oder in die nächste Edelbar flüchtet, führt sein treuer Butler Carlos de Leon nicht nur den Haushalt. Er steht seinem Herrn als Gärtner, Koch, Hausmeister, Schuhputzer, Internet-Rechercheur und als lebenskluger Berater zur Seite. Zusammen leben die beiden im Gartenhaus der ehemaligen Allmen-Villa, für das der verarmte Aristokrat lebenslanges Wohnrecht genießt.

Trotz knapper Kasse ist Allmen weder gewillt auf Luxus zu verzichten noch einer Arbeit nachzugehen. Doch für gemütliche Teestunden bleibt bald keine Zeit mehr. Nach einem Opernbesuch landet Allmen im Haus der reichen, geschiedenen Joëlle Hirt, die ihn nach allen Künsten verführt. Während Joëlle schläft, entdeckt er wertvolle Glasschalen mit Libellenmotiven des französischen Jugendstilkünstlers Émile Gallé: „Es waren fünf Schalen in der Form von weit geöffneten, breiten Kelchen. Jede von ihnen schmückte eine große Libelle, jede mit goldenen Augen, jede anders, aber so, als wären sie mitten im Flug von diesem Glas eingeschlossen worden, als es noch flüssig war.“

Allmen, der sich mit kleinen Kunstdiebstählen über Wasser hält, ergreift die Gelegenheit und lässt eine der Schalen mitgehen. Vom Schwarzhändler seines Vertrauens Jack Tanner erhält er dafür 20000 Franken. Der heruntergekommene Dandy beschließt, ein zweites Mal zuzuschlagen, und verabredet sich mit Joëlle zu einem äußerst kostspieligen Abendessen. Angelangt beim Objekt seiner Begierde wundert er sich, dass plötzlich wieder fünf Schalen in der Vitrine stehen, nimmt sie jedoch alle mit. Zum Verkauf des Diebesgutes kommt es allerdings nicht mehr, denn Allmen findet Tanner erschossen in dessen Antiquitätengeschäft vor. Bald wird er selbst Opfer eines Anschlags. Gemeinsam mit seinem listigen Diener Carlos begibt er sich auf die Suche nach den Tätern, führt Polizei und hohe Gesellschaft hinters Licht und wirtschaftet sich nebenbei in die eigene Tasche.

Suter zaubert eine charmante Gaunerkomödie alter Schule auf den Buchmarkt. Statt Nervenkitzel und rasanter Action serviert der Autor klassische Krimikost à la Sherlock Holmes, Jerry Cotton und Arsène Lupin ohne sprachliche Würze. Das eigenwillige Ermittlerduo wird dem Leser bald in zwei weiteren Bänden „Allmen und der rosa Diamant“ und „Allmen und Delfinsuite“ begegnen. Kurios: Die echten Gallé-Schalen sind 2004 tatsächlich aus einer Ausstellung im Chateau Gingins in der Schweiz gestohlen worden und bis heute nicht wieder aufgetaucht. Sophia E. Gerber

Martin Suter: „Allmen und die Libellen“, Diogenes, Zürich 2010, geb., 208 Seiten, 18,90 Euro


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