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14.05.11 / Taufe als Protest / Iraner in Deutschland wenden sich dem Christentum zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-11 vom 14. Mai 2011

Taufe als Protest
Iraner in Deutschland wenden sich dem Christentum zu

Dieses Jahr feiert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) das Jahr der Taufe. Während das Ritual der Aufnahme in die christliche Gemeinschaft bei Kindern nach neuesten Zahlen seit Jahren erstmals wieder leicht gestiegen ist, stagniert die Zahl protestantischer Erwachsenentaufen. Bisher suchten vor allem Bürger aus den neuen Ländern im Erwachsenenalter Aufnahme in den Kreis der Protestanten.

Seit neuestem kommen Exil-Iraner hinzu. Sie treten in wachsender Zahl zum Christentum über, aus unterschiedlichen, meist ernsten Motiven, so die Erfahrungen aus Kirchenkreisen. „Vor vier Jahren waren es etwa 60, vor drei Jahren etwa 100, vor zwei Jahren dann 150 bis 180, vor einem Jahr über 200 und in diesem Jahr um die 400“, sagte Pastor Hans-Jürgen Kutzner dem Sender „Hit-Radio Antenne Niedersachsen“ über die von ihm betreuten Täuflinge iranischer Herkunft. Der Seelsorger der hannoverschen Landeskirche nimmt bis zu 60 dieser Täuflinge zusammen in einem Gottesdienst auf. Eine solche Zeremonie kann leicht drei Stunden dauern. Kutzner vertritt den Anspruch, keine schnelle Massenabfertigung durchzuführen. Jeder werde in den Arm genommen und „als Mitglied der weltweiten Familie von Jesus Christus“ willkommen geheißen, so der Pastor.

Kutzner, Jahrgang 1951, schrieb 2009 ein Buch über „Liturgie als Performance“, war vor seinem Theologie-Studium freier Bildhauer und ist seit 2003 Beauftragter der Hannoverschen Landeskirche für die Seelsorge an Iranern. Eine aktive Mission ist ihm zufolge unter den persischstämmigen Christussuchenden nicht nötig. Sie werde auch nicht betrieben, versichert er. Die Tauf-Kandidaten kämen von allein aus ganz Deutschland nach Hannover. Bei vielen sei das Motiv „negative Erfahrungen mit der Form von Islam, die sie im Iran kennengelernt haben“, so Kutzner. Oft hätten Taufwillige als Teilnehmer studentischer und regimekritischer Demonstrationen in ihrer Heimat die dunklen Seiten des iranischen Systems durchlitten. „Sie sind ohne Verfahren verhaftet worden, viele sind auch gefoltert worden – das alles geschieht im Iran dann immer auch ausdrück­lich im Namen Allahs, des Allbarmherzigen“, so der Pastor.

Die Taufentscheidung bekommt vor diesem Hintergrund den Stellenwert eines politischen Signals. Sie kann als Bekenntnis zur Opposition oder zu einem anderen Umgang mit Glauben gedeutet werden. Die Täuflinge sind nach Erfahrungen der Landeskirche mehrheitlich gut ausgebildete Männer von 25 bis 45 Jahren. Aber auch Akademikerinnen verlassen ihre Heimat, um sich hier dem Christentum zuzuwenden. Es ist ein riskanter Schritt, den manche nicht einmal ihren Freunden und Mit-Exilanten mitteilen, aus Angst vor dem iranischen Geheimdienst. Im Iran droht denen, die sich vom Islam abwenden, die Todesstrafe. „Bei manchen kann es gut gehen, bei anderen kann es so sein, dass sie dann plötzlich verschwunden sind“ sagt Kutzner über die Zurückgekehrten. Der Übertritt schützt nicht vor einer Abschiebung aus Deutschland. Dennoch hoffen vereinzelt Exil-Iraner mit laufenden Asylverfahren, durch die Taufe in Deutschland bleiben zu dürfen. Sie stellen laut Kutzner nicht das Gros der Täuflinge. Dass sich ihre Chance zu bleiben so nicht erhöht, muss er ihnen dann mitteilen.    SV


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