29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.05.11 / Geriebenen Dachziegel aufs Haar / Schönheits- und Reinlichkeitsrituale aus mehreren Jahrhunderten geben Einblick in die tägliche Hygiene

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-11 vom 14. Mai 2011

Geriebenen Dachziegel aufs Haar
Schönheits- und Reinlichkeitsrituale aus mehreren Jahrhunderten geben Einblick in die tägliche Hygiene

Wenn Kaiser und Könige sich der Körperpflege hingaben, dann taten sie es mit Stil. Wenn … Man ist lange davon ausgegangen, dass die hochgestellten Persönlichkeiten vergangener Jahrhunderte mehr auf Puder und Parfüm gaben als auf Wasser und Seife. Dass diese Vorstellung nicht immer richtig ist, zeigen derzeit zwei Ausstellungen, die das Thema Reinlichkeit von verschiedenen Seiten beleuchten.

In seiner Jahresausstellung 2011 zeigt das Napoleonmuseum Thurgau auf Schloss Arenenberg Exponate aus eigenen Beständen und Originale aus verschiedenen europäischen Ausstellungshäusern. Diese werden erstmals nicht nur im Napoleonmuseum, sondern auch im neu renovierten „Prinzenflügel“, der ehemaligen Kaiserwohnung auf Schloss Arenenberg, präsentiert. Unter dem Titel „Eau & Toilette – Waschen, Kleiden, Duften …“ dreht sich alles um Schönheit, Hygiene und Mode. Die Entdeckung eines frühen Wellness-Tempels im renovierten Prinzenflügel des Schlosses gab den Anstoß zu dieser Schau, in der ein fortlaufender Film in die Geschichte des Napoleonmuseums einführt. Das 1906 gegründete Museum, nur zehn Autominuten von Konstanz entfernt, ist das einzige deutschsprachige zur napoleonischen Geschichte. Es beschäftigt sich mit dem Zeitraum von der französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg. Mit jährlich rund 40000 Besuchern zählt das Museum zu den Anziehungspunkten des Bodenseegebietes.

Die neue Jahresausstellung mit ihren seltenen Exponaten ist eine besondere Attraktion in diesem Gebiet. Das exklusive Tauchbad Napoleons III. mit seinen weiß glasierten Keramikfliesen und dem vergoldeten Herrschaftssymbol des Adlers erweckt den Neid so manchen Besuchers. „Die Jahresausstellung auf Schloss Arenenberg blickt durch die Schlüssellöcher der Séparées und Waschräume von der ausgehenden Renaissance bis zum beginnenden 20. Jahrhundert“, so die Veranstalter. „Wer könnte dabei besser aus dem Nähkästchen plaudern als die Kammerzofen und Kammerdiener der hohen Gesellschaft? Wie es dem Sonnenkönig Louis XIV. und seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz am Hof von Versailles erging, erfährt der Besucher der Ausstellung dabei ebenso wie Details der kuriosen Schönheitsrituale von Marie-Antoinette. Die Gemahlin Louis XVI. gilt bis heute als eine der schillerndsten Figuren der französischen Revolution.“ Nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen ist ein Rezept aus der Zeit von Kaiserin Eugénie, der Gemahlin Napoleons III.: Damen von Welt mischten Wasserstoffperoxid mit einem Schuss Salmiakgeist und geriebenem Dachziegel. Auf das Haar gebracht, erhielten sie die gewünschte Farbe: Rotblond à la Kaiserin Eugénie. Während das Napoleonmuseum Thurgau sich den Waschgewohnheiten seit der Renaissance annimmt, zeigt das Museum für Archäologie des Kantons Thurgau ab dem 3. Juli begleitend, welche Rolle die Themen Schönheit, Hygiene und Mode zwischen Steinzeit und Mittelalter spielten.

Nicht ganz soweit zurück führt die Jahresausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Auch hier wird der Besucher mit einem Thema des Alltags konfrontiert, einem Thema, das man auch heute nur hinter vorgehaltener Hand anspricht. „Das Stille Örtchen – Tabu und Reinlichkeit bey Hofe“ widmet sich Menschlichem, allzu Menschlichen: dem Bedürfnis und wie man damit umging. Die Verfasserin stammt aus einer Zeit, da man dieses Bedürfnis noch vornehm umschrieb – man ging sich mal die Hände waschen oder wie der Franzose sagt: „téléphoner avec ma tante“ (mit der Tante telefonieren). Es gab aber Zeiten, da ging man mit dem menschlichen Be-dürfnis und dem Örtchen viel zwangloser um. Die alten Römer hatten neben vielen anderen Errungenschaften schon das wassergespülte Klosett erfunden, allerdings auch die Gemeinschaftslatrine. Man fand nichts dabei, nebeneinander zu sitzen und zu plauschen, vielleicht auch Ge-schäfte zu vereinbaren. Wenn man sich heute über Schmierereien in öffentlichen Toiletten erregt, dann sei darauf hingewiesen, dass an der Wand einer Latrine in Herculaneum, einer antiken Stadt, die beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. unterging, ein Graffito zu lesen war, das heute durchaus peinlich anmutet: „Apollinaris, Leibarzt des Kaisers Titus, hat hier gut gekackt.“ Und war es nicht auch Kaiser Vespasian, der die Einnahmen aus der gewerblichen Nutzung von Inhalten öffentlich aufgestellter Urinale mit einer Steuer belegte? – „Pecunia non olet“, Geld stinkt nicht, dieser Ausspruch soll von ihm stammen. – Urin brauchten Goldschmiede, Gerber und Wollfärber wegen des enthaltenen Ammoniaks. Was sich alles hinter dem Begriff „Toilette bei Hofe“ verbirgt, welche Einrichtungen den Burg- und Schlossbewohnern zur Verfügung standen, darauf macht die Ausstellung im Kloster Schussenried (zwischen Sigmaringen und Biberach gelegen) aufmerksam. Die Vielfalt der Objekte reicht vom Abort bis zur Zahnbürste und lässt sich auf vier große Themenschwerpunkte verteilen: Zimmeraborte und Nachttöpfe, Waschen und Baden, Körperpflege auf Reisen sowie Frisieren, Schminken und Parfümieren. Der Katalog enthält ebenso informative wie unterhaltsame Beiträge – für alle, die nicht nach Schussenried reisen können. Im kommenden Jahr wird die Schau im Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim zu sehen sein. Da wird sich der geneigte Leser erinnern, dass „die alten Rittersleut‘“ auch schon mit dem „stillen Örtchen“ umzugehen wussten und etwas von Wasserspülung verstanden. Schließlich befanden sich die Aborte einer Ordensburg in einem Turm über einem fließenden Gewässer.

            Silke Osman

Schloss und Park Arenenberg mit Napoleonmuseum Thurgau, CH-8268 Salenstein, sind während der Ausstellung „Eau & Toilette“ bis zum 23. Ok-tober Montag von 13 bis 17 Uhr, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

Die Ausstellung „Das stille Örtchen“ in Kloster Schussenried ist bis zum 18. September Dienstag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 5 / 2,50 Euro. Katalog aus dem Deutschen Kunstverlag, 288 Seiten, broschiert, 24,90 Euro.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren