16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.05.11 / Statistik statt Wirtschaftswunder / Griechische Zahlen sind unzuverlässig und fördern Wunschdenken der EU – Von Wachstum keine Spur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

Statistik statt Wirtschaftswunder
Griechische Zahlen sind unzuverlässig und fördern Wunschdenken der EU – Von Wachstum keine Spur

Unerwartet meldet Griechenland für das erste Quartal 2011 ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. An der Aussagekraft der Zahlen der griechischen Statistikbehörde ELSTAT sind allerdings Zweifel angebracht. Obwohl das Amt selbst zur Vorsicht bei der Bewertung der Daten auffordert, feiern Medien und Politiker die Nachricht als Vorboten einer wirtschaftlichen Wende.

Fast euphorisch kann man die Reaktion von EU-Währungskommissar Olli Rehn auf die Meldung eines Wirtschaftswachstums in Griechenland im ersten Quartal 2011 nennen. „Was die Wirtschaftsentwicklung in Griechenland anbelangt, ist es ermutigend“, kommentierte er die Nachricht. Die EU-Kommission sieht die vorgelegten Zahlen als Teil einer Entwicklung, bei der sich die Kluft zwischen Deutschland und anderen exportorientierten Ländern auf der einen Seite und den hoch verschuldeten Krisenstaaten der Währungsunion auf der anderen Seite  langsam schließt.

Im Gegensatz zu derartigem Wunschdenken beim Führungspersonal der Europäischen Union muss man der griechischen Statistik-Behörde sogar  anrechnen, dass sie sich neuerdings um Ehrlichkeit bemüht. So teilt ELSTAT in einer Pressemitteilung ausdrücklich mit, dass die veröffentlichten Daten zunächst mit Vorsicht beurteilt werden müssen. In den letzten Jahren stand der Begriff „greek statistics“ als Synonym für notorisch unzuverlässige Statistiken und „kreative Buchhaltung“.    Teil des von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds verordneten Reformprogramms ist die Verbesserung der Arbeit der griechischen Statistikbehörden, in deren Folge auch statistische Verfahren geändert werden. So sind denn auch die neuerdings veröffentlichten Daten im Gegensatz zu früheren Datensätzen saisonbereinigt. Dieses Verfahren wird rückwirkend bis auf den Zeitraum 2009 bis 2010 angewendet. Eine realistische Beurteilung der Daten wird erst möglich, wenn längere Zeitreihen mit neuerstellten saisonbe­reinigten Daten bereitstehen, so die, von der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommene, Pressemitteilung  der Statistikbehörde ELSTAT.

Die neue Offenheit der Statistiker in Athen hat allerdings auch ihre Grenzen. Nicht mitgeteilt wurde zum Beispiel, dass die Daten für die Wirtschaftsen­t­wick­lung des vierten Quartals 2010 nachträglich nach unten revidiert wurden. Statt der ursprünglich gemeldeten -1,4 Prozent wurde der Wert auf -2,8 Prozent geändert. Diese niedrige Ausgangsbasis im letzten Quartal 2010 ist dann auch, neben geringen Exporterfolgen, der Hauptgrund für das unerwartete „Wirtschaftswachstum“ Griechenlands im ersten Quartal 2011. Mit der Praxis der nachträglichen Revision von Daten befindet sich ELSTAT allerdings in guter Gesellschaft. Vor allem im angelsächsischen Raum ist diese Methode inzwischen häufiger anzutreffen. Öffentlichkeitswirksam werden zunächst eindrucksvolle Daten präsentiert, die später,  wenig beachtet, revidiert werden. Im griechischen Fall hätte die Schlagzeile demzufolge eigentlich lauten müssen: „Wirtschaft im vierten Quartal 2010 noch stärker eingebrochen als bisher gemeldet“  –  statt der in einigen Medien gemeldeten Nachricht „Wirtschaftsaufschwung erreicht Griechenland“.

Bis belastbare Datenreihen für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung nach dem neuen saisonbereinigten Verfahren vorliegen, lohnt ein Blick auf andere veröffentlichte Werte. die einen ungefähren Einblick geben, was sich derzeit in der griechischen  Wirtschaft abspielt. So sind zum Beispiel die erteilten Baugenehmigungen im Januar im Vergleich zum Vormonat um 62 Prozent gesunken. Der Neuwagenverkauf hat sich im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr halbiert.

Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich nochmals verschlechtert. So erreichte die gemeldete Arbeitslosigkeit im Februar 2011 die Marke von 15,9 Prozent. (15,1 Prozent im Januar 2011). In diesen Daten sind Langzeitarbeitslose und Selbständige ohne Einkommen nicht einmal berücksichtigt. Nahezu dramatisch sind die gemeldeten Zahlen im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, diese beträgt in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen 40 Prozent.

Ebenso deprimierend sind auch die Neuigkeiten des Athener Finanzministeriums. Die Bruttoschulden des griechischen Staates haben im ersten Quartal 2011 die Höhe von 354 Milliarden Euro erreicht. Im Vergleich zum Vorquartal sind die Schulden damit um über 14 Milliarden Euro gestiegen, innerhalb eines Jahres betrug der Zuwachs der Bruttoschulden sogar über 44 Milliarden Euro (+14,23 Prozent). Angesichts des binnen Jahresfrist um 4,9 Prozent gesunkenen Bruttoinlandsprodukts kann die bisherige Sanierungspolitik von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und griechischer Regierung als gescheitert betrachtet werden. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren