20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.06.11 / Cui bono, Moody’s?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-11 vom 04. Juni 2011

Moment mal!
Cui bono, Moody’s?
von Klaus Rainer Röhl

Die heute in Deutschland aufwachsenden Kinder und Jugendlichen wissen nur noch vage, was links ist. Die meisten von ihnen denken bei „links“ sofort ans Internet. Links ist da die Mehrzahl von „link“, und das ist ein Verweis, ein Fingerzeig zu einem weiteren Internet-Text. Wir Älteren wissen noch sehr genau und aus schmerzlicher Erfahrung, was links ist. Linke sind Anhänger von Utopien über die Wirtschaft und die Gesellschaft, in der wir leben. In der Studentenzeit sind fast alle jungen Menschen irgendwie links oder grün-links. Später, nach zunächst mühsamem, aber dann doch einträglichem Marsch durch die Institutionen und Ergreifung eines Berufs bleibt wenigstens das links reden. Langer Rede kurzer Sinn – kürzer geht es nicht – die Fernsehsendung „Frontal 21“ im ZDF ist eine ziemlich linke Sendung. Sie ist Propaganda. Ohne je von Lenin mehr zu kennen als eine Zitaten-Sammlung aus Google, handeln die Genossen Journalisten nach dem Spruch des Altmeisters: „Journalismus ist Agitation mit Tatsachen“. Auch die „BILD“ handelt nach diesem Grundprinzip.

Ich nun, in meiner Jugend Empörungs-Kommunist, aber mit nachwachsendem Verstand, weiß Bescheid über linke Propaganda und habe nichts vergessen. Als ich einen Zehn-Minuten-Beitrag von „Frontal 21“ über die Ursachen der Euro-Krise sah, wurde ich sehr stutzig: Hat Karl Marx am Ende doch noch recht? Es ging um die sogenannten Rating-Agenturen in den USA, von denen in letzter Zeit schon manchmal die Rede war, obwohl sie die Öffentlichkeit meiden wie der Teufel das Weihwasser. Und diese Rating-Agenturen (rating = Einschätzung, Bewertung) schätzen von New York aus die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens oder Landes ein, ihr Wort in Gottes Ohr. Und die Finanzwelt glaubt ihnen – mehr oder weniger blind. Wenn sie den Daumen nach unten halten, bedeutet es Absturz. Wenn sie ein Land, sagen wir Griechenland oder Portugal, mit der Note BB- einstufen, also mies, oder ganz mies, CC, ist dort Feierabend, Staatsbankrott, ist der Ofen aus. Wenn sich ein Land jedoch innerhalb des Euro-Zone befindet und der Ofen dort also nicht aus sein darf, weil die griechische Währung – ohne die Deutschen groß zu befragen – eines Tages mit der D-Mark zusammengekoppelt wurde und mit vielen anderen europäischen Währungen. So dass der Euro wackelig wird, sobald ein Land pleite ist – deshalb helfen die Euro-Länder den Griechen und Portugiesen mit unvorstellbar riesigen Summen, solange der Vorrat reicht. Aber die Bürger sind sauer. Nicht auf die internationalen Finanzjongleure, sondern auf die Portugiesen und Griechen.

In den letzten Monaten wurde in Deutschland, unter Führung der „Bild“, des „Stern“ und des „Focus“ mächtig auf die Griechen geschimpft. Die könnten oder wollten nicht ordentlich arbeiten und wirtschaften, lebten nur auf Pump und verdaddelten unser schönes Geld, und selbst die 110 Milliarden Euro, die sie bekommen haben, reichten nicht mal von Zwölf bis Mitternacht. „Bild“ und die Stammtische waren sich einig: Die viele Sonne, das ewig gute Wetter, die Faulheit und der Schlendrian, klar! Aber was ist mit den Iren? Bei denen regnet es doch ständig.

Etwas stimmt da nicht, und etwas gibt zu denken: Jedes Mal, wenn Griechenland tatsächlich Geld einspart, natürlich nicht bei Onassis und den anderen Milliardären, sondern bei den kleinen Einkommen und Pensionen und Sozialbeiträgen – nur das bringt echt Geld –, wenn das Land, wie Deutschland es schon vor 15 Jahren getan hat, sein Tafelsilber verhökert, große Staatsbetriebe verkauft oder verpachtet, die Steuern erhöht und die auch wirklich eintreibt, jedes Mal, wenn das Land sich ein bisschen aufrappelt und seine Schulden abzahlen und international wieder Geld leihen könnte, kommt eine neues „Rating“ von einer der drei aus dem Dunkel operierenden Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch in den USA, und am gleichen Tag schnellen die Zinsen, also die Kosten für Staatsanleihen, ins Unermessliche, und das Land steht wieder kurz vor dem Staatsbankrott. Merkel und Sarkozy und die anderen europäischen Regierungschefs müssen noch einmal eine Garantie von weiteren Milliarden Euro zusagen. (Nur zur Erinnerung: Eine Milliarde sind 1000 Millionen, in Worten: eintausend, die findet man nicht mehr auf der Straße.) Und das Spiel geht weiter.

Was wird da gespielt, und wer gewinnt bei diesem Spiel? Spekuliert da einer gegen den Euro? Doch jedes Mal, wenn in der Öffentlichkeit solche Fragen gestellt werden, fällt das Wort „Verschwörungstheorie“. Was ist eine Verschwörungstheorie? Eine Wahnidee, die irgendwelche finsteren Mächte für das ganz Elend der Welt verantwortlich macht, einfach und monokausal – in der NS-Zeit waren es die Juden und die Freimaurer, heute sind es die Öl-Konzerne und die „Atomlobby“ und die Lieferanten von „genverseuchten“ Nahrungsmitteln und tödlichen Gurken. Immer ist einer schuld an allem. In der DDR herrschte zeitweise eine solche Misswirtschaft, dass selbst Zwiebeln und Kartoffeln „Schwerpunkt“, das heißt, nicht vorhanden, waren. Und uns ahnungslosen Jugendlichen erzählte ein sächsisch sprechender Parteifunktionär, aus dem Westen kämen Leute mit einem ganzen Koffer voll Kartoffelkäfern, um die Versorgung der DDR mit Kartoffeln zu sabotieren. Ulkig, aber selbst erlebt. Die Grundlage jeder Verschwörungstheorie ist eine bestimmte Wahnvorstellung, eine fixe Idee. Und die ist mit gesundem Menschenverstand leicht zu durchschauen.

Allerdings gibt es auch Nachrichten, die sind so ungeheuerlich, dass man sie glatt für das Produkt einer Verschwörungstheorie halten möchte, und die sind leider wahr. Die Erschießung von Benno Ohnesorge durch einen Polizisten war ein Ereignis, das unabsehbare Folgen für Deutschland hatte, vom Terrorismus bis zur Machtergreifung der 68er als rot-grüne Regierung. Wenn damals einer behauptet hätte, dass der Todesschütze Stasi-Agent sei, hätte man ihn für verrückt erklärt oder eben für einen Verschwörungstheoretiker. Wenn uns beim amerikanischen Einmarsch in den Irak gleich jemand gesagt hätte, dass es gar nicht um die Befreiung des irakischen Volkes, sondern, wie heute in Libyen, schlicht um die riesigen Ölvorräte des Landes ginge, weshalb die Bombenangriffe der Nato seit zwei Monaten schon weit mehr Zivilisten getötet haben als Gaddafis Truppen – hätten wir das damals geglaubt, glauben wir heute unserem Misstrauen? Von den sicheren Dingen das sicherste ist der Zweifel.

Jetzt wurde bekannt, dass die Rating-Agenturen weitere Länder der Euro-Zone aufs Korn genommen haben und jetzt zum Rating – oder soll man doch besser sagen, Angriff? – auf Spanien, Italien und Belgien ansetzen.

Frage: An alle Banker und Journalisten, die sie vertreten, mit und ohne Tatsachen: Ihr sprecht immer davon, dass „die Märkte“ so und so reagieren, Länder einstufen und abstufen. Frage eines lesenden Normalverbrauchers: Wer sind die Märkte eigentlich? Wohnen sie in einem Haus, schlafen sie in einem Bett, haben sie Farbe und Geruch, Telefon und Adresse? Sind es am Ende, verzeiht mir alle diese einfache Frage, die Ratingagenturen selbst, Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch? Was, wenn es einfach Menschen mit Interessen sind und wenn einige Menschen nun das Interesse hätten, den ganzen Euro abzustufen, abzuwerten, kaputtzumachen? Im eigenen spekulativen oder sogar im übergeordneten Interesse? Da nenne ich hier nur mal einen Namen zum Weiter-Recherchieren: Warren Buffet, der drittreichste Mann der Welt, ist der größte Einzelaktionär bei der Rating Agentur Moody’s.

Cui bono, Moody’s? Fragen wird doch noch erlaubt sein.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren