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04.06.11 / Dreiaußenministertreffen in Königsberg / Deutsch-russisch-polnische Gespräche über Verteidigung, Energiesicherheit und Visaerleichterungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-11 vom 04. Juni 2011

Dreiaußenministertreffen in Königsberg
Deutsch-russisch-polnische Gespräche über Verteidigung, Energiesicherheit und Visaerleichterungen

Sieben Jahre ist es her, dass der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer der russischen Exklave einen Besuch abstattete. Nun kam erstmals Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit seinen Amtskollegen Sergej

Lawrow aus Russland und Radoslaw Sikorski aus Polen in der Pregelmetropole zusammen. Begleitet wurden die Minister jeweils von einer großen Delegation und Journalisten.

Erster Programmpunkt war ein Termin der Außenminister mit Gouverneur Nikolaj Zukanow. Der Gebietschef berichtete den Ministern von den wichtigsten Ent­wick­lungen im Gebiet. Der Gouverneur nannte das Baltische Atomkraftwerk, das der Exklave einerseits Unabhängigkeit in der Energieversorgung sichern soll und andererseits Einnahmen durch Stromexport. Als drückendes Problem bezeichnete Zukanow die derzeitige Visaregelung, die nicht nur privat Reisenden, sondern auch Geschäftsleuten das Leben erschwert. Er appellierte an die Minister, sich für eine baldige Erleichterung einzusetzen. Die Regionalregierung würde es begrüßen, wenn die Visaregelung sowohl für Heimatbesucher als auch für Bewohner des Gebiets, die russische Staatsbürger sind, erleichtert würde, so seine Botschaft.

Nach dieser Einführung begaben sich die Gäste zum „Mahnmal der 1200 Gardisten“ zur Kranzniederlegung. Der offizielle Teil des Außenminister-Treffens fand im Kulturzentrum „Fischerbörse“, das zum Komplex „Fischdorf“ gehört, statt. Hinter verschlossenen Türen tauschten die Minister Meinungen zu aktuellen Fragen der Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union aus, erörterten den Stand der Zusammenarbeit in internationalen und regionalen Organisationen, planten den weiteren Ausbau der Dreiländer-Beziehung. Dabei standen vor allem die Themen Sicherheit Europas und Abrüstung bei gleichzeitiger Garantie der strategischen Stabilität auf der Tagesordnung.

Das wichtigste Thema war für die russische Seite jedoch die Visafrage. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die schon länger diskutierte Notwendigkeit eines kleinen Grenzverkehrs zwischen Polen und Russland. Die bereits ausgearbeitete polnisch-russische Vereinbarung über einen kleinen Grenzverkehr umfasst das gesamte grenznahe Gebiet der Exklave und einen vergleichbar großen Teil Polens.

Nach dem offiziellen Teil gaben Lawrow, Westerwelle und Sikorski eine Pressekonferenz, auf der sie über die bisherigen Ergebnisse ihres Treffens sprachen. Lawrow sagte, dass „Deutschland einer der wichtigsten strategischen Partner in der globalen Politik“ sei. Beide Seiten hätten vereinbart, zusätzliche Initiativen zur Entwicklung des Königsberger Gebiets anzustoßen. Einen besonderen Platz habe hier die Aufgabe, einen rechtlichen Rahmen für den kleinen Grenzverkehr zu schaffen. Die von Russland und Polen ausgearbeitete Vereinbarung bedürfe nun noch der Zustimmung Brüssels. Er sprach Westerwelle Dank für die Unterstützung aus, die Deutschland russischen Appellen an die EU-Kommission ständig erweise. Mit Blick auf die Zukunft vertrat Lawrow die Ansicht: „Wir haben Grund zu der Annahme, dass in nächster Zukunft, in einigen Monaten, dieser Prozess (die Lösung der bürokratischen Formalitäten auf dem Weg zur Vereinbarung eines kleinen Grenzverkehrs) erfolgreich vollzogen wird.“ Er fügte hinzu, dass es Russland und Europa gelungen sei, sich in der Visafrage aufeinander zu zubewegen.

Westerwelle betonte, dass Deutschland sich für die Idee des grenzfreien Verkehrs für Bewohner grenznaher Regionen Russlands und der EU einsetzen werde. Er sagte: „Wir unterstützen den visafreien Verkehr mit den Nachbarn der EU. Wir werden unseren Einfluss in der Europäischen Union geltend machen, damit das Projekt des visafreien Verkehrs eine Chance hat.“

Anschließend trafen die Außenminister sich mit Studenten und Lehrenden der Kant-Universität. Es war das erste Mal, dass die Universität hohen Besuch von gleich drei Außenministern erhielt. Vor den Studenten sagte Law­row, dass das stattfindende Treffen Signalwirkung für die Ent­wick­lung der Partnerschaft zwischen Russland, Deutschland und Polen haben müsse. Westerwelle sprach über die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit für den Erhalt des Friedens und die Entwicklung internationaler Beziehungen. Er sagte, Königsberg sei ein „Ort, an dem Deutschland und Russland schicksalhaft miteinander verbunden“ seien.

Die Studenten interessierten sich vor allem für eine weitere Annäherung der Länder bei der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen und die Erweiterung ihrer Mobilität durch die Möglichkeit, ein Schengen-Visum mit längerer Frist zu erhalten. Auch Investitionen im Königsberger Gebiet waren Diskussionsgegenstand.

Ein Student schlug sogar vor, Königsberg in die Liste der Städte aufzunehmen, an denen 2013 Richard-Wagner-Festspiele stattfinden sollen. Sikorski und Westerwelle versprachen, darüber nachzudenken. Fast die Hälfte der Fragen kam von deutschen Studenten oder Koordinatoren deutscher Bildungsprogramme im Königsberger Gebiet. Das überraschte die Minister, zeugt dies doch vom Erfolg der Bildungs- und Kulturbeziehungen zwischen beiden Ländern.

Das Treffen hat gezeigt, dass es zwischen den Ländern mehr Verbindendes als Trennendes gibt. Westerwelle unterstrich, dass die Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Kultur im Ausland zu den wichtigsten Ausrichtungen der deutschen Außenpolitik zählten. Er hoffe, dass das nächste trilaterale Treffen in der Bundesrepublik stattfinden werde. Zum Abschluss trugen die drei Politiker sich ins Gästebuch der Universität ein. Jurij Tschernyschew

Foto: Trugen sich ins Gästebuch der Universität ein: Guido Westerwelle und Sergej Lawrow (sitzend von links)


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