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11.06.11 / Auf dem Weg in »gerechtfertigte« Kriege / Bundesverteidigungsminister will Einsätze der Bundeswehr von nationalen Interessen abkoppeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Auf dem Weg in »gerechtfertigte« Kriege
Bundesverteidigungsminister will Einsätze der Bundeswehr von nationalen Interessen abkoppeln

Auf dem Kirchentag in Dresden hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière eine gute Figur gemacht. In einer Diskussion mit dem EKD-Vorsitzenden Nikolaus Schneider rang er um die Vereinbarkeit von Bundeswehr-Einsätzen und christlicher Friedensethik. Schneider hatte ihm zuvor vorgeworfen, durch die Neuausrichtung der Streitkräfte zur Einsatzarmee „Kanonenbootpolitik in neuer Form“ zu betreiben. Auslöser der Debatte waren de Maizières Äußerungen über die mögliche Ausweitung der Auslandseinsätze.

Dass die Bundeswehr mit weiteren Einsätzen im Ausland rechnen muss, hatte der Minister bereits Ende Mai in seiner Regierungserklärung angekündigt. Es müsse  selbstverständlich sein, dass Deutschland die internationale Verantwortung übernehme, „die wir uns zutrauen, die man uns zutraut und die man von uns erwartet“. Das sei „Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität“ und „mehr, als bisher in Deutschland bekannt und wohl auch akzeptiert“ sei. Deutschland habe den Anspruch, ein verlässlicher Partner in Europa und der Welt zu sein. Wer das Maß deutscher Verantwortung festlegt und wer bestimmt, wodurch diese Verlässlichkeit bewiesen wird – die Bundesregierung, Wa­shington, die EU oder die Vereinten Nationen –, ließ der Minister allerdings offen.

Was auf die deutschen Soldaten zukommen könnte, machte de Maizière in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ deutlich. Wegen der Rolle Deutschlands in der Welt könne es auch zu Einsätzen in Ländern kommen, wo Deutschland keine unmittelbare Interessen habe. Er kann sich sogar vorstellen, wo das demnächst sein könnte: im Sudan, im Jemen, in Somalia oder auch in Pakistan. Die Erfahrungen in Afghanistan seien kein Grund, solche Einsätze auszuschließen. Gerade die Nennung Pakistans als möglicher Einsatzort lässt aufhorchen, denn ein dortiger Konflikt könnte schnell internationale Ausmaße annehmen. Offensichtlich hat de Maizière vergessen, dass China dem Land zugesagt hat, es zu verteidigen, sollte es, unter welchen Umständen auch immer, angegriffen werden. Damit könnte sich die Bundeswehr, sollte das vom Verteidigungsminister ausgemalte Einsatzszenario Wirklichkeit werden, unversehens in einem Krieg wiederfinden, der diese Bezeichnung in jedem Fall verdient und ungeahnte Folgen für Deutschland haben würde. Dementsprechend verwundert zeigt sich auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch. Er warnt davor, mögliche Einsatzländer konkret anzusprechen und dabei „den Bogen zu Afghanistan zu spannen“. Denn, so Kirsch weiter, das Ergebnis in Afghanistan sei „ja nicht so ganz gut“. Außerdem fordert er, Auslandseinsätze, die nicht im nationalen Interesse lägen, ausgiebig zu debattieren.

Die ambitionierten Vorstellungen des Ministers von den zukünftigen Einsatzszenarien stehen jedoch kaum in Einklang mit der Bundeswehrplanung. Nicht mehr Geld und mehr Soldaten sollen die Streitkräfte bekommen, sondern sie sollen sparen und reduzieren. De Maizière setzt das fort, was sein Vorgänger angeschoben hat. Allerdings vermeidet er dabei das Wort Reform, denn er weiß, dass die Soldaten, für die der stete Wandel in den vergangenen Jahren Alltag war, darauf mittlerweile allergisch reagieren. So spricht de Maizière lieber von einer „Neuausrichtung“ der Bundeswehr. Viel Neues ist in seiner Beschreibung der Herausforderungen und Aufgaben der Bundeswehr indes nicht zu finden. Vielmehr stehen die Richtlinien zur Reduzierung der Truppe in Kontinuität zu früheren Grundsatzdokumenten. Neu ist dagegen der Stil, in dem de Maizière den Umbau der Bundeswehr angeht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der mit kühnen Vorschlägen schnell bei der Hand war, ohne Machbarkeit oder Konsequenzen zu bedenken, steht de Maizière eher für bedächtiges Verwaltungshandeln. Statt unrealistische Wunschvorstellungen zu verfolgen, will er solide Strukturen schaffen.

Dennoch hat er die Etatfolgen vermehrter Einsätze nicht bedacht und es versäumt, für die solide Finanzierung einer Bundeswehr im Dauereinsatz zu sorgen. Er konnte oder wollte nicht durchsetzen, dass die Streitkräfte zusätzliche Mittel bekommen, wenn Regierung und Parlament weitere Einsätze beschließen. So muss die Truppe diese zusätzlichen Belastungen aus dem Bestand finanzieren. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hält das Sparziel von 8,3 Milliarden Euro daher für nicht realisierbar. Er kritisiert, dass der Minister nicht darlege, wie er dieses „fiskalische Loch“ aufzulösen gedenke.

Beim Kirchentag in Dresden gab sich der bekennende Christ de Maizière friedliebend, ohne dabei von seinen Positionen abzuweichen. Als wichtiges Land in der Welt, das seinen Wohlstand aus der Welt und im Handel mit ihr verdiene, müsse Deutschland auch Verantwortung in internationalen Konflikten übernehmen, so der Minister auf den Vorwurf der „Kanonenbootpolitik“. Ein militärisches Eingreifen könne er sich aber nur unter Einhaltung strenger Kriterien bei Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorstellen. Man dürfe nicht von einem „gerechten“ Krieg, sondern nur von einem „gerechtfertigten“ Krieg sprechen. Man habe es mit Entscheidungen zu tun, „wo keiner mit sauberen Händen herauskommt“. Am Ende der Veranstaltung bekam de Maizière tosenden Applaus. Noch vor wenigen Jahren hätte man ihn hier vom Podium gepfiffen, jetzt gefiel den Kirchentagsbesuchern, was er sagte und wie er es sagte. Allein die Tatsache, dass de Maizière vor diesem Publikum seine Perspektive von Politik darlegen konnte, kann er als Erfolg verbuchen.         Jan Heitmann


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