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11.06.11 / Seltenheit im Haus Schlesien / Helwigs Schlesienkarte wird 450 Jahre alt − erstmals ausgestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Seltenheit im Haus Schlesien
Helwigs Schlesienkarte wird 450 Jahre alt − erstmals ausgestellt

Über ein Jahrhundert lang diente die handwerklich und ästhetisch herausragende Karte des aus Neiße stammenden Pädagogen und Magisters Martin Helwig (1516−1574) als Vorlage für die nachfolgenden schlesischen Landkarten. Die hohe Zahl der Auflagen spricht auch für die Anerkennung der späteren Karthografen-Generationen für Helwigs Leistung. Die Schlesienkarte von 1561 wurde demnach zu Recht als „die Mutter aller andern Schlesischen Land-Charten“ (Christian Runge, 1738) bezeichnet.

Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott hat das 450. Jubiläum der Erstausgabe zum Anlass genommen und rund um das Runge-Zitat eine interessante Sonderausstellung mit dem Schwerpunkt Kartografie eingerichtet. Der Kurator der Schau, Manfred Spata, Vorstandsmitglied des Vereins Haus Schlesien, hat aus den Beständen des Hauses sowie aus Leihgaben verschiedener Institutionen und Privatsammler eine interessante Landkarten-Präsentation aufgebaut. Der im Haus ehrenamtlich engagierte Manfred Spata gilt als ausgewiesener Kenner der schlesischen Kartografie. Er bot dem Vernissage-Publikum mit seinem Einführungsvortrag zur Ausstellung „die Mutter aller andern Schlesischen Land=Charten“  einen detaillierten Einstieg in die Thematik.

Höhepunkt des Rundganges durch den großen Museumsraum ist zweifelsohne der heute einzig erhaltene Farbdruck der Erstausgabe aus dem Jahre 1561, der aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe stammt. Es soll übrigens das erste Mal sein, dass die seltene Schlesienkarte längerfristig ausgeliehen und der breiten Öffentlichkeit in einer Ausstellung zugänglich gemacht wird. In einer temperatur- und feuchtigkeitsgeregelten Vitrine mit herunterfahrbarer Beleuchtung ist das begehrte Stück zu sehen. Martin Helwig hat für die Vorarbeit, die Reisen durch Schlesien sowie für die messtechnischen Beobachtungen und Berechnungen drei Jahre gebraucht. Der Kartenentwurf wurde von dem Breslauer H. Kron in Holz geschnitten und 1561 bei dem Buchdrucker Johannes Creutziger in Neisse gedruckt. Die Maße der Karte betragen einschließlich Rahmen 816 x 669 Millimeter, das Kartenfeld selbst beträgt 728 x 575 Millimeter. Die obere große Kartusche enthält eine Widmung von Helwig an seinen Förderer, den Breslauer Patrizier Nikolaus Rehdinger.

Interessant ist, dass der Autor die Karte bewusst nach Süden orientiert hat, so dass die Oder von oben nach unten fließt. In der unteren rechten Kartenecke ist ein Längenmaßstab von 20 „gemeinen Landmeilen“ eingezeichnet, was einem Verhältnis von etwa 1: 546000 entspricht. Bis 1889 sind insgesamt elf Auflagen dieser ers-ten Karte erschienen. Sie wurde erst im Jahre 1635 von der Schlesien-Karte des Jonas Scultetus als Vorbild abgelöst. Die Karten des Helwig- und Scultetus-Typs wurden von den Kartenverlagen in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, England und Italien vielfach kopiert.  Auch Haus Schlesien besitzt in seiner umfangreichen Karthografie-Sammlung eine spätere Ausgabe der Helwig-Karte.

Besonderheiten der Präsentation stellen auch die frühe Germania-Karte von Henricus Martellus Germanus aus der Zeit vor 1490 und die Karte des Nürnberger Arztes und Kosmografen Hieronymus Münzer (1437 – 1508) dar. Letztere gilt als die erste im Buchdruck erschienene Deutschland-Landkarte.

Um den Besuchern die Bedeutung der Helwig-Karte für die schlesische Geschichte und Kultur besser zu vermitteln und die damals herrschenden technischen Möglichkeiten und Kenntnisse deutlich zu machen, wird auch das Umfeld des berühmten Breslauer Pädagogen anhand von verschiedenen Exponaten wie Büchern, Malereien, Dokumenten und Objekten dargestellt. Dazu gehören unter anderem der „Atlas Minor Gerardi Mercatoris à I. Hondio aus dem Jahre 1607, der Kupferstich „Silesia Ducatus“ (Herzogtum Schlesien) datiert 1672, und die Porzellanfigur „Landkartenhändler“, die in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen im Jahre 2010 nach einem Entwurf aus dem Jahre 1760 geschaffen wurde. Die Landkarten-Schau ist im Haus Schlesien bis zum 18. September 2011 zu besichtigen.     D. Göllner


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