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11.06.11 / Berührungsstelle Christi / Kardinal Meisner auf der 65. Ermländerwallfahrt in Werl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Berührungsstelle Christi
Kardinal Meisner auf der 65. Ermländerwallfahrt in Werl

Selten erwies sich die Anreise zur Ermländerwallfahrt nach Werl als so schwierig wie am 15. Mai, denn Borussia Dortmund war gerade Deutscher Meister geworden und die B1, die an der Westfalenhalle vorbeiführt, war vollständig gesperrt. Mancher Werl-Pilgerer musste lange Umwege durch unschöne Dortmunder Stadtviertel auf sich nehmen. Grölende, angetrunkene Fußballfans hatten anscheinend die Nacht durchgefeiert.

Die Ermländer hingegen feierten etwas anderes: Sie freuten sich, ihre alten Freunde und Bekannten wiederzusehen, aber begaben sich vor allem zu einem Fest des Glaubens in die Hellwegstadt Werl, die in diesem Jahr das 350-jährige Jubiläum der Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten begehen kann. Hauptzelebrant und Prediger war um 10 Uhr der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, ein Mann, den die Heimatvertriebenen ins Herz geschlossen haben und der sich immer wieder traut, die Missstände der heutigen Gesellschaft beim Namen zu nennen und anzuprangern. In Werl ist man es schon gewohnt, dass die Basilika fast bis zum letzten Stehplatz gefüllt ist, dass mehr als 30 Priester am Altar stehen, dass Pater Dr. Werner Brahtz als Zeremoniar mitwirkt und dass Kanonikus Josef Sickart alle Register der Orgel zieht, um die heimatlichen Messgesänge zu begleiten. Kardinal Meisner zog mit dem Hirtenstab Bischof Kallers ein und wer genau hinsah, der nahm wahr, dass der Metropolit der Kölner Kirchenprovinz über seinem weißen Gewand nicht nur ein goldenes Brustkreuz trug, sondern auch das ermländische Distinctorium, das ihm kürzlich verliehen worden war. Darauf nahm der Kardinal am Anfang der Eucharistiefeier sofort Bezug und erklärte: „Wie Sie alle wissen, hat Kennedy damals bei seinem Berlin-Besuch geäußert: Ich bin ein Berliner. Genauso kann ich heute zu Ihnen sagen: Ich bin ein Ermländer!“ Viele hundert Wallfahrer applaudierten, da sie durch diesen Ausspruch wiederum eine Bestätigung für die Verbundenheit des Kardinals mit ihrer Heimat erhielten. In seiner Predigt erläuterte der gebürtige Schlesier, weshalb die Gläubigen aus dem ersten Territorium, das die Rote Armee betrat, gerade bei Maria ihre Zuflucht gesucht hatten: „Maria musste nämlich auch eine Katastrophe erleiden und zwar die Katastrophe von Golgotha. Der Leib ihres Sohnes wird nicht in einer kalten, gefühllosen Materie vergraben, sondern in ihren Schoß gelegt. Im Wort Materie finden wir Mater, die Mutter, wieder, und so sprechen wir zum Beispiel auch von Muttererde. Bei Maria haben wir unsere Heimat gefunden und einmal jährlich versammeln wir uns nicht in irgendwelchen Stadien oder Kongresssälen, sondern bei ihr. Über sie steht geschrieben: Sie bewahrte alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach. In unserer Wegwerfgesellschaft dagegen wirft der Mensch nahezu alles von sich, was ihn überholt, wie der Hans im Glück aus dem Märchen. Der Mensch hat das Schwerere eingetauscht gegen das Leichtere. Er hat Gott über Bord geworfen und fiel unter die Räuber. So ist er der Willkür ausgeliefert und Dinge wie Genmanipulation, Abtreibung und Euthanasie haben schlechthin mit Gottlosigkeit zu tun!“

Joachim Kardinal Meisner lobte dagegen die Ermländer, die Chris-tus und den Wert des Menschen bewahrt haben. „Wie sähe die Kirche ohne Ermländer und Heimatvertriebene aus?“ fragte der Erzbischof aus der rheinischen Domstadt, aber er erteilte den anwesenden Pilgern auch einen Auftrag: „So wie Maria ihren Sohn im Mutterleib zu Elisabeth getragen hat, sind auch wir berufen, Chris-tus in die Welt hinein zu tragen. Der Echtheitschrist sollte in seinem Leben wenigstens einen Menschen zu Christus gebracht haben!“

Der Kardinal erzählte von seiner Tante Anna aus Waldensee bei Seeburg, die in Thüringen die evangelische Kirche für katholische Gottesdienste vorbereitet hatte und die vielen eine große Freude am Glauben vermitteln konnte. Meisner: „Als sie starb, gaben ihr acht Priester das Grabgeleit, und ihr folgten mehr Menschen als dem zuvor verstorbenen Bürgermeister! Unser Leben hat sich nur dann gelohnt, wenn wir die Berührungsstelle Christi für diese Welt geworden sind. Schließlich haben wir es nicht mit einem Hoppe-Hoppe-Reiter-Christus zu tun, der von uns nur geschaukelt werden will, sondern mit einem Wege-Christus, für den wir so manchen Weg zurückzulegen bereit sein sollten!“ Kardinal Meisner betonte, Christus habe die Welt nicht durch Leid erlöst, sondern durch Liebe und nichts habe die Welt mehr verändert als die Liebe Jesu. Nach dem Mittagessen, an dem im Refektorium des Franzis-kanerklosters alle Priester und Ehrengardisten teilnahmen, wünschte der Erzbischof nochmals die Nachbildung der Monstranz von Heiligelinde zu sehen, und Visitator Msgr. Dr. Lothar Schlegel bedauerte es, dass an dem Tag, an dem solch ein hoher Gast in Werl sei, der Seligsprechungsprozess für Bischof Maximilian Kaller noch nicht abgeschlossen sein könnte, da es noch an einem Wunder fehle. Sofort versicherte der Kardinal, auf alle Fälle wiederzukommen, wenn es so weit sei. „Notfalls komme ich sogar zu Fuß“, ließ der Purpurträger verlauten, bevor er sich von den Ermländern wieder verabschiedete und nochmals das gute Zusammenspiel von Chiesa und Cuisina, von Kirche und Küche, das sich ihm in Werl geboten hatte, hervorhob.  Martin Grote


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