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11.06.11 / Mit Worten Mut machen / In Bremerhaven gibt es die einzige Frau im seelsorgerischen Dienst der Marine

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Mit Worten Mut machen
In Bremerhaven gibt es die einzige Frau im seelsorgerischen Dienst der Marine

Sie gehört zu den wenigen in der Bundeswehr, vor denen Soldaten nicht Haltung annehmen müssen. Beatrix Kurth ist evangelische Militärpfarrerin in der Marine-operationsschule Bremerhaven und einzige Frau im seelsorgerischen Dienst der Marine.

Das Amtszimmer von Beatrix Kurth könnte in jedem evangelischen Gemeindehaus irgendwo in der Republik stehen. Ein großer Schreibtisch, ein Bücherschrank mit theologischer Literatur, eine Sitzecke mit Stühlen und Sofa, die Möbel mit Buchenfurnier. Zu-

rückhaltend, schlicht und zweck-mäßig ist die Einrichtung – gewissermaßen das Signal dafür, dass hier innere Werte mehr zählen als Äußerlichkeiten.

Auf den ersten Blick irritierend ist jedoch an der Wand das halbe Dutzend leicht verblichener Fotografien von grauen Marineschiffen. Der Blick aus dem Fenster macht zudem deutlich: Das Zimmer befindet sich innerhalb eines militärischen Areals. Kaserne, Kriegsschiffe und Kirche? Für Beatrix Kurth ist dies zum einen Alltag, zum anderen kein Widerspruch: „Gerade für junge Soldatinnen und Soldaten ist Seelsorge sehr wichtig, denn sie bewegen sich in einer für sie zunächst fremden Welt, die zudem durch die aktuellen Einsätze der Bundeswehr zusätzlich belastet ist.“

Beatrix Kurth ist seit fünf Jahren Militärpfarrerin in der Marine­operationsschule Bremerhaven, die mit Platz für mehr als 1000 Lehrgangsteilnehmer zu den größten Ausbildungseinrichtungen der Deutschen Marine zählt. Anders als die Seelsorger in den militärischen Verbänden anderer Nationen trägt Beatrix Kurth keine Uniform. Und im Gespräch wird auch schnell deutlich, dass sie in ihrer mit Symbolen voll gestellten Umgebung keine goldenen Streifen, Litzen oder Tressen braucht, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Ein leises Wort, ein aufmerksames Ohr, das sind die sanften Stärken, mit denen sich Beatrix Kurth im manchmal rauen und lauten Kasernenalltag Zugang zu den Menschen um sie herum verschafft.

„Menschen, die zuhören. Gedanken, die herausfordern. Worte, die Mut machen. Gottesdienste, die guttun. Menschen, die tatkräftig helfen wollen. Gott, der nicht nur sonntags ansprechbar ist.“ So definiert sie evangelische Militärseelsorge, die die Kirche unter den Soldaten ist. Ihr beruflicher Weg hat zwar bei der Bundeswehr begonnen, dennoch hat er Beatrix Kurth nicht auf direktem Weg aus ihrer Heimatstadt Neumünster über eine erste Station bei der Marine auf Sylt zur Marineoperationsschule nach Bremerhaven geführt. „Ich war zwar immer schon in der evangelischen Kirche engagiert und im Gemeindeleben aktiv“, erzählt sie. Nach dem Abitur entschied sie sich aber zunächst, die gehobene Beamtenlaufbahn in der Bundeswehrverwaltung einzuschlagen.

Nach einiger Zeit jedoch stellte sie fest, dass der Alltag in der Amtsstube auf Dauer nicht ihr Lebensinhalt wäre. Stattdessen nahm sie ihren Glauben als Orientierung und studierte Theologie.

Dass sie der Weg dann zurück zur Bundeswehr und auf die Pfarrstelle in der Marineoperationsschule führte, liegt an den seelsorgerischen Interessen von Beatrix Kurth: „Hier trifft man auf eine Altersgruppe, der man im normalen Kirchenalltag ja leider nur noch selten begegnet.“ Dabei betrachtet die Pfarrerin die Arbeit mit jungen Menschen nicht nur als Chance, ihnen eher beiläufig und fernab von missionarischem Eifer christliche Grundwerte und Einstellungen nahezubringen: „Die Arbeit mit Menschen, die teilweise ja kirchenfern sind, bedeutet auch, sich immer wieder mit neuen Gedanken auseinanderzusetzen und die eigene Haltung immer wieder neu zu formulieren.“

Zum einen tut Beatrix Kurth dies im „lebenskundlichen Unterricht“, der für die Soldatinnen und Soldaten auf dem Lehrplan in der Marineoperationsschule steht. Vor allem aber tut sie es in den zahlreichen Gesprächen, zu denen sie den jungen Menschen innerhalb der Kaserne zur Verfügung steht.

Ganz häufig ist es eine einfache, aber einleuchtende Motivation, die die jungen Menschen antreibt: „Sie möchten sich einfach mal aussprechen.“

Die Bandbreite der Themen, mit denen sie sich auseinandersetzen muss, ähnelt zwar der im zivilen Leben. Doch über Beziehungsprobleme, Familienfragen oder einfach tatkräftige Unterstützung und Halt-Geben hinaus gibt es auch Militärspezifisches: „Bis zum Eintritt in die Bundeswehr haben die wenigsten ja etwas mit der Kette von Befehl und Gehorsam zu tun gehabt.“

Hierarchien, Kommandos, Gehorsam mit reglementierten Möglichkeiten des Widerspruchs sind im Zivilleben eher die Ausnahme.

Nicht selten sehen die jungen Soldaten, die sich nur in einem formalisierten Verfahren an ihre Vorgesetzten wenden können, bei Problemen in der Militärpfarrerin die Hoffnungsträgerin. Wo es geht, versucht Beatrix Kurth, den Hilfesuchenden innerhalb der Bundeswehr-Struktur zu helfen, schließlich kann sie Offiziere und Vorgesetzte direkt und ohne Orientierung am Dienstweg ansprechen. Doch in erster Linie versteht sich die Theologin als Seelsorgerin: „Ich möchte eine Anlaufstelle sein, den Ratsuchenden den Rü­cken stärken. Am Ende eines Gespräches sollte stehen, dass der Ratsuchende selbst aktiv werden kann.“

Auch wenn die Marineoperationsschule eine Ausbildungseinheit ist, sind die Auswirkungen der Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hierhin zu spüren. Die Sorgen, Ängste und Gedanken der jungen Soldaten spiegeln sich auch in den Gesprächen wider, die sie mit der Militärpfarrerin führen. Auch hier sieht sie sich in erster Linie als Seelsorgerin und als Gesprächspartnerin, jedoch nicht als ausführendes Organ innerhalb der Bundeswehr-Struktur.

Mit gewisser Bestürzung nahm Beatrix Kurth deswegen auch zur Kenntnis, dass Feldgeistliche anderer Nationen ihre Aufgabe durchaus darin sehen, „die Kampfkraft wieder herzustellen“. Die Bremerhavener Pfarrerin lässt dagegen keinen Zweifel daran, jungen Soldaten mit erkennbar schweren inneren Konflikten auch zur Kriegsdienstverweigerung zu raten. „Mir kommt es auf den einzelnen Menschen an“, betont sie.

Welchen Belastungen junge Soldaten ausgesetzt sind, weiß Beatrix Kurth dabei nicht nur aus dem Kasernenalltag. Drei Monate begleitete sie den Ausbildungs- und Einsatzverband der Marine bei dessen Fahrt durchs Mittelmeer, lebte wie die übrigen Besatzungsmitglieder unter den besonderen Bedingungen des engen Miteinanders an Bord der Militärschiffe, die nicht gerade für ihren Komfort bekannt sind. Die Fotos der grauen Flotte in ihrem Dienstzimmer sind Erinnerungen an diese Fahrt.

Andere Erinnerungen trägt Beatrix Kurth in Herz und Seele mit sich. Zu den stärksten dürfte dabei die Begegnung mit einer jungen Soldatin gehören, die gleich zu Beginn des ersten Gespräches schon fast trotzig ihre Distanz zum Glauben bekannte. Dennoch fanden die beiden den Draht zueinander.

„Irgendwann hat sie mich dann gefragt, ob sie sich taufen lassen kann“, berichtet Beatrix Kurth. Dass sie dies für sich als Erfolg ihrer seelsorgerischen Arbeit verbuchen könnte, ist der Pfarrerin dabei gar nicht so wichtig wie etwas anderes: „Die strahlenden Augen der jungen Frau nach der Taufe werde ich nie vergessen.“ Wolfgang Heumer


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