© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Parallelwelt
Nur an Oberfläche gekratzt

Das Thema ist durchaus reizvoll, das sich Sophie Albers, Kultur-Redakteurin beim „Stern“, für ihren Debütroman „Wunderland“ ausgesucht hat: Die 35-jährige Journalistin Hanna Persson recherchiert für einen Artikel über Migranten in Berlin und gerät dabei in den Bann ihres Untersuchungsobjektes. Tamer, 25 Jahre alt und Sohn einer Deutschen und eines Palästinensers, lässt sich von Hanna interviewen, doch statt klarer Antworten erhält sie einen Blick in seine Lebenswirklichkeit, die sich als Parallelwelt entpuppt. Leider gelingt es der Autorin nicht, die Faszination, die der Macho Tamer auf Hanna ausübt, auch den Leser spüren zu lassen. Dieser ist genauso wie Freunde und Kollegen der Journalistin von ihrer Passion abgestoßen. Tamer, der stets und ständig über andere abfällig redet, Deutsche als „Opfer“ und Frauen als „Schlampen“ bezeichnet, bleibt für den Leser ein asoziales Ekel. Sein „Schick-sal“, dass er, obwohl in Deutschland geboren und aufgewachsen, für seine Umwelt immer nur der Ausländer war, berührt angesichts seines Verhaltens nicht. Dass Hanna  versucht, Tamer zum „edlen Wilden“ zu stilisieren, wird ihr nicht von ungefähr vorgeworfen. Und dass sie sich in seiner Gegenwart ihm automatisch unterwirft, ist genauso ärgerlich wie der Umstand, dass Hanna von der Autorin zur Jüdin gemacht wird: Halb-Palästinenser trifft auf Jüdin, diese Konstellation wirkt hier einfach zu konstruiert.

Und obwohl Albers einige gute Beobachtungen über die Unterschiede der deutschen und Migrations-Lebenswelten Berlins in ihrem Roman verarbeitet hat, kratzt „Wunderland“ nur an der Oberfläche, ohne zu den wirklichen Problemen vorzudringen. Und so bleibt am Ende das Gefühl, dass eher die orientierungslose Hanna und nicht so sehr der offenbar kriminelle Tamer ein Fall für den Therapeuten ist.            Bel

Sophie Albers: „Wunderland“, Knaus, München 2011, gebunden, 166 Seiten, 14,99 Euro