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18.06.11 / Die Parteibasis bröckelt / In der CDU mehrt sich Kritik an Inhalten und der Führung – Jahrelange Versäumnisse rächen sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Die Parteibasis bröckelt
In der CDU mehrt sich Kritik an Inhalten und der Führung – Jahrelange Versäumnisse rächen sich

Wirklich zufrieden ist derzeit niemand mit der CDU. Das Ausland nicht, der Koalitionspartner nicht und ihre Mitglieder sind es schon gar nicht. Programmatische Orientierungslosigkeit, mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflexion, schlechte Kommunikation und eine fehlende innerparteiliche Dis­kussionskultur sind die Hauptkritikpunkte. Der Ärger fokussiert sich auf die Parteivorsitzende Angela Merkel. An der Parteibasis gärt es.

„Der Fisch stinkt vom Kopf her.“ Diese alte Weisheit wird derzeit von vielen frustrierten CDU-Mitgliedern bemüht, die Merkel als das zentrale Problem ihrer Partei betrachten. An der Parteibasis machen sich Wut, Ratlosigkeit und Verzweiflung breit. Darüber, dass die Partei beispielsweise bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg den Sieg durch das Gehabe von der „modernen Großstadtpartei“ verspielt hat. Dass sie in ihrem einstigen Stammland Baden-Württemberg durch Hochmütigkeit und fehlende Sensibilität beim Thema Stuttgart 21 die Macht verloren hat. Dass sie nach der Wahlschlappe in Bremen einfach zur Tagesordnung übergegangen ist. Darüber, dass die Partei an sozialer und ökonomischer Kompetenz verloren hat. Dass die Energiewende nicht glaubhaft ist. Dass sich ihre Programmatik nur noch nach dem Zeitgeist und dem vermeintlichen Druck der Öffentlichkeit richtet. Darüber, dass man der schwarz-gelben Koalition nicht mehr zutraut, die Probleme der Zeit in den Griff zu bekommen. Und darüber, dass über all das in der CDU nicht offen gesprochen wird.

Diejenigen, die im Wahlkampf bei Wind und Wetter Plakate kleben, Handzettel verteilen und sich an Infoständen die Füße platt stehen, haben viele Fragen an ihre Parteioberen. Doch statt fundierter Antworten bekommen sie Ausflüchte und Allgemeinplätze geboten. Ein Hamburger CDU-Mitglied, das mit den Antworten seines Kreisvorsitzenden nicht zufrieden war, bekam zu hören, dann hätte er die Fragen eben falsch gestellt. Viele bleiben Veranstaltungen, bei denen Parteiprominenz auftritt, genervt fern. „Die sprechen doch schon lange nicht mehr unsere Sprache“, bringt es einer auf den Punkt.

So einfach können es sich diejenigen, die durch die Arbeit der eif­rigen Mitglieder an der Basis zu Ämtern, Mandaten, Geld und politischer Macht gelangt sind, in Zukunft nicht mehr machen. Das hat auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen erkannt, wenn er einräumt: „Wir haben uns mit Argumentationsschablonen abgefunden, und dann sind wir irgendwann von der Realität eingeholt worden.“ Die edle Selbsterkenntnis reicht jedoch nicht, nun muss auch der kritische Dialog mit der Basis folgen. „Ich will, dass man in der CDU über alle Themen, auch die unangenehmen, offen und frei diskutieren kann“, fordert ein Mitglied eines Hamburger CDU-Ortsvorstandes, mit 90 Lebenjahren einer der ältesten Wahlkampfhelfer der Partei und dennoch unermüdlich bei allen Aktivitäten dabei. Ein Austritt ist kein Thema: „Damit würde ich ja nichts ändern. Wir müssen kämpfen, auch wenn es denen da oben nicht gefällt.“

Die Möglichkeiten dazu waren bislang in der CDU eher beschränkt, hat die Parteidisziplin doch stets bestens gegriffen. Wenn die Basis zusammenkommt, ist die Stimmung geladen. Unzufriedenheit mit der Partei und Zweifel an der Regierungskoalition eint die Dis­kutanten. Ist man unter sich, ziehen alle ordentlich vom Leder. Sowie aber ein Orts- oder gar Kreisvorsitzender dabei ist, hält man sich lieber bedeckt. Denn schnell gibt es einen Rüffel und die Drohung, beizeiten bei der Kandidatenkür Nachteile zu haben. Einem erst im vergangenen Jahr in die baden-württembergische CDU eingetretenen Mitglied wurde auf eine kritische Frage nach der Wahlschlappe entgegengehalten, er sei noch neu und hätte daher gar nichts zu sagen. Die Reaktion des so gescholtenen Mitgliedes: „Ich bin ausgetreten, denn in einer Partei, in der Rederecht nach dem Anciennitätsprinzip vergeben wird, bin ich falsch.“

„Warum wundern? Merkel zeigt doch, wie es geht. Wer nicht spurt, wird kaltgestellt und abserviert. Und die Funktionäre machen es ihr nach.“ Kein gutes Zeichen, wenn ein Mitglied so über die Streitkultur in seiner Partei spricht. Die Blüte der innerparteilichen Demokratie muss in der CDU erst noch aufgehen. Dafür muss aber noch kräftig gegossen werden.     Jan Heitmann


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