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18.06.11 / Schulterklopfen beim Spargel / Von Aufbruch ist bei den Sozialdemokraten nichts zu merken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Schulterklopfen beim Spargel
Von Aufbruch ist bei den Sozialdemokraten nichts zu merken

Auch nach dem 50. Treffen des Seeheimer Kreises bleibt ein Aufbruch in der SPD aus. Der traditionell eher dem rechten Parteiflügel zugerechnete Kreis umarmt die Parteilinke. Beide feiern die Schwächen der anderen Parteien. Die Genossen vermeiden die Kür eines Kanzlerkandidaten und klare Positionen. Die zehn von der Parteizeitung „Vorwärts“ verlosten Plätze zur „Spargelfahrt des Seeheimer Kreises“ waren dieses Jahr besonders begehrt. Auf dem Wannsee-Dampfer „La Paloma“ erhoffte sich mancher Gast wie Außenstehende den Beginn einer pragmatischen Wende der SPD im Hinblick auf kommende Wahlschlachten. Immerhin kamen rund 100 SPD-Bundestagsabgeordnete zwanglos zusammen.

Ab 2013 will die SPD im Bund auf der Regierungsbank sitzen. Eine Einigung über die künftige Führung steht also an. „Wer, wenn nicht Peer“, heizt das Magazin „Cicero“ Hoffnungen auf eine Kanzlerkandidatur Peer Steinbrücks und damit auf den Siegeszug der pragmatisch-konservativen Strömungen in der SPD an. Diese sind im Seeheimer Kreis repräsentiert wie kaum sonst in der SPD, doch Steinbrück fehlte. Dabei hatte der einstige Bundesfinanzminister sich selbst Mitte Mai als Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht: Der Zeitpunkt werde kommen, zu dem er sich „mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der SPD darüber zusammensetzen“ werde. Nicht nur Steinbrück, auch Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder blieb dem Treffen diesmal fern. Dafür sprach der dem linken Flügel zugerechnete SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und lobte, die Seeheimer hätten „den Kompass immer fest im Blick und wissen, wo es lang gehen soll“. Es waren, wie er feststellte, „Leute auf dem Kahn, die hätten früher gar nicht rauf gedurft“. Im November noch hatte der Kreis ihn und seine Politik in einem Thesenpapier öffentlich angegriffen. Die Partei verfolge keine klare Linie und spiele daher bei wichtigen Diskussionen keine Rolle. Von der seitens der Seeheimer vor Monaten beschriebenen „schweren Identitätskrise“ der SPD war auf dem Schiff nichts mehr zu spüren. Vorbei die Zeiten, als die Seeheimer den linken Strömungen ihrer Partei eigene, bürgernahe Strategien entgegenstellten. So sprachen sich die Seeheimer in jenem Jahr klar gegen Bündnisse mit der Linkspartei aus: „Wenn die SPD nicht begreift, dass sie gegen diese Partei eine Strategie entwickeln muss, wird sie weiter zerrieben“, so der hessische Landessprecher der Seeheimer, Volker Weber, damals. Aus dem Streit um den Linkskurs ging sogar eine eigene hessische Landesgruppe der Seeheimer hervor. Ähnliche Strategien gegen die aktuellen Siege der grünen Konkurrenz und das Zerriebenwerden durch sie blieben auf dem jüngsten Treffen aus. Frank Walter Steinmeier übte sich als Fraktionsvorsitzender in seiner Begrüßungsrede in Selbstberuhigung: „Das, was wir erlebt haben in den vergangenen zehn, zwölf Monaten, diesen grünen Höhenflug, der wird nicht anhalten.“ Fragen nach den Folgen der Machtumkehr von Rot-Grün zu Grün-Rot in Baden-Württemberg blieben an Land. Der Berliner Wahlkampf mit der erwarteten Auseinandersetzung zwischen Renate Künast (Grüne) und Klaus Wowereit (SPD) war kaum Thema. Gabriel sah indes die SPD bereits in der kommenden Regierung: „Das Zentrum dieser strategischen Mehrheit ist und bleibt die SPD.“ Harmonie bestimmte das Treffen, das einem „Abgesang auf eine einst stolze Volkspartei“ gleiche, kommentierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

„Haben Sie schon einen Kanzlerkandidaten gefunden?“, fragte der ZDF-Satiriker Martin Sonneborn von einem anderen Boot aus mit einem Megaphon die Genossen. Hatten sie nicht. Die Satire war der SPD voraus. Deren Spitzen freuten sich weiter an der Schwäche der CDU/FDP-Koalition: „Das ist keine Regierung, das ist eine Rocky Horror Picture Show“, sagte Steinmeier, der mit Blick auf die Energiepolitik weiter ätzte: „Die sind angetreten, die sind abgetreten und zwischendrin haben sie das gekippt, was sie vorher beschlossen hatten.“ Das Motto könnte freilich auch die Haltung der SPD zu Hartz IV beschreiben, was Steinmeier und Genossen entging. Die Grußworte des neuen Hoffnungsträgers Steinbrück indes blieben unbeachtet. Der forderte aus der Ferne, die Partei solle sich bloß nicht nicht das Motto „wer zu früh und mit neuen Positionen den Kopf rausstreckt, dem geht es wie dem Spargel im Mai“ zu eigen machen.     SV


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